Kompromiss im Streit um Potsdams Mitte: Potsdamer Abkommen
Ungewohnt harmonisch: Wie die Stadtverordneten den Kompromiss zur Potsdamer Mitte fanden – und das Bürgerbegehren ablehnten.
Potsdam - Der Wille zum Kompromiss war schon auf dem Papier zu erkennen. Das von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) am Mittwoch den Stadtverordneten vorgelegte Konsenspapier zur Weiterentwicklung der Potsdamer Mitte trug schon optisch die Handschrift der Linken und ihres Fraktionschefs Hans-Jürgen Scharfenberg – dessen Änderungsvorschläge waren mit passender roter Schrift hervorgehoben.
Die Linken können sich nun selbst ein Abriss des Staudenhofs vorstellen
In für Potsdamer Verhältnisse ungewohnt harmonischer Weise verlief auch die Diskussion der Stadtverordneten zu dem Papier – mit dem die Stadt auf Wunsch der Linken unter anderem explizit ihre Bemühungen einstellt, dass Mercure zu kaufen, um es dann abzureißen. Selbst den Abriss des Staudenhof-Wohnblocks können sich die Linken jetzt vorstellen, wenn genügend Ersatzwohnungen für geringere Investitionskosten entstehen. Einzig nicht durchsetzen konnte sich die Linke mit der Forderung, für einen Teil der Fachhochschule eine öffentliche Nutzung zu prüfen.
Doch mit diesem Gesamtkompromiss können nun die meisten Stadtverordneten leben. Sie freue sich sogar über den Antrag der Linken, sagte Grünen-Stadtverordnete Saskia Hüneke, sonst streitbare Kämpferin für eine möglichst originalgetreue Annäherung an die historische Potsdamer Mitte. Und CDU/ANW-Fraktionschef Matthias Finken sagte, ihn freue es, dass nun auch Anliegen des Bürgerbegehrens zum Erhalt von DDR-Bauten in der Mitte aufgegriffen würden – er war einer der schärfsten Kritiker der Aktion gewesen.
Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“: Wesentliche Grundsätze wurden nicht aufgegriffen
Irritiert beobachteten denn auch die Initiatoren des Begehrens von der Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ die überparteiliche Harmonie. „Das ist kein mit uns abgestimmter Kompromiss“, so Initiativensprecher André Tomczak. Der Erhalt des Mercure hätte sich ohnehin schon abgezeichnet. Doch wesentliche Grundsätze wie etwa das Verbot der Verwendung öffentlicher Mittel für den Abriss intakter Gebäude würden in dem Papier nicht beachtet.
Das Bürgerbegehren selbst war einige Minuten, bevor das Konsenspapier zur Mitte auf der Tagesordnung stand, als rechtlich unzulässig erklärt worden. Die Initiative hatte knapp 15 000 Unterschriften gegen den geplanten Abriss von DDR-Bauten gesammelt. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens versuchten noch bis kurz vor der Sitzung, die Stadtverordneten zu bewegen, gegen die Unrechtmäßigkeit des Begehrens zu stimmen. Eine Stunde vor Sitzungsbeginn erhielten die Fraktionen gegen 14 Uhr ein bereits am Dienstag angekündigtes Gutachten des Potsdamer Baurechtlers Christian-W. Otto, wonach die Argumente der Stadt gegen das Begehren nicht zutreffend seien. Ursprünglich sollte das Gutachten erst morgen veröffentlicht und der Presse vorgestellt werden (PNN berichteten).
Jakobs: Die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens hätte vorher geprüft werden müssen
Doch die vorgezogene Veröffentlichung verfing nicht mehr. „Das Gutachten kam zu spät, ich konnte es nicht mehr lesen“, sagte etwa Grünen-Fraktionschef Peter Schüler. Oberbürgermeister Jann Jakobs sagte, die Entscheidung müsse laut Kommunalverfassung unverzüglich fallen. Er räumte ein, dass Verfahren rund um das Begehren habe Regelungslücken gezeigt – die in der Landesgesetzgebung geändert werden müssten. So müsse die rechtliche Zulässigkeit der Fragestellung eines Begehrens vorher geprüft werden – und möglichst von einer unabhängigen Stelle, etwa die Kommunalaufsicht im Innenministerium. Für Regeländerungen sprach sich auch Linke-Chef Scharfenberg aus. Zugleich griff er Jakobs – einer der wenigen strittigen Augenblicke des Nachmittags – direkt an. „Es war von vornherein das Ziel der rechtlichen Prüfung, die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen“, monierte er. „Bei wohlwollender Betrachtung hätte man auch zu dem Ergebnis kommen können, dass das Begehren rechtlich zulässig ist.“
Jakobs sagte dagegen, in diesem Fall wären die Gegner eines nach einem Bürgerbegehren möglichen Bürgerentscheids vor Gericht gezogen. Doch das wird nun die „Mitte neu denken“-Initiative tun, wie Tomczak sagte: „Jetzt steht Aussage gegen Aussage – wir werden das anfechten.“ Doch von der Klagedrohung ließ sich eine Mehrheit der Stadtverordneten nicht beirren. Gegen die Stimmen von Linken, der Fraktion Die Andere und Teilen des Bürgerbündnisses wurde das Begehren gekippt.
Die Andere: Linke hätten nicht einmal einen faulen Kompromiss ausgehandelt
Kurz darauf ging es um den Kompromiss zur weiteren Entwicklung – und dem Versuch eines überparteilichen Schulterschlusses. Den wollte einzig die alternative Fraktion Die Andere stören. Deren Stadtverordneter Eric Blume warf den Linken vor, diese hätten „nicht einmal einen faulen Kompromiss“ ausgehandelt – das Papier sei nur geprägt von „tiefer Sehnsucht“ auch Teil der regierenden Rathauskooperation zu werden. Scharfenberg verteidigte den Kompromiss, es gehe darum den Bürgerwillen aus dem Begehren verbindlich in die weitere Entwicklung einfließen zu lassen. „Man kann ein Prinzip an anderes Prinzip binden – oder man macht Gelegenheiten zu einer Chance und sorgt für Bewegung“, so Scharfenberg weiter. Und ohnehin werde die Debatte um die Potsdamer Mitte auch nach dem Beschluss vom gestrigen Mittwoch noch jahrelang weitergehen.
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