Neues Leben für alte RAW-Halle: Potsdam verteidigt Pläne für Digitalzentrum
Am Potsdamer Hauptbahnhof soll ein internationales IT- und Innovationszentrum entstehen. Die Stadt Potsdam hält weiter an den Plänen fest - trotz Kritik.
Potsdam - Der Streit um das riesige Zentrum für die Digitalwirtschaft auf dem Gelände der maroden RAW-Halle geht weiter. Die Potsdamer Bauverwaltung hat nun prinzipielle Bedenken des früheren Denkmalamtschefs Andreas Kalesse zurückgewiesen. Auch der Investor verteidigt sein 100 Millionen Euro teures Vorhaben, das Potsdam endgültig zu einem international bedeutsamen IT-Standort machen soll – vor Ort sollen 1000 Arbeitsplätze entstehen.
Kritik: Projekt sei zu überdimensioniert für Potsdam
In den vergangenen Tagen war die Kritik an dem Projekt lauter geworden – zu überdimensioniert für Potsdam sei es, hieß es etwa von den Grünen und aus der CDU. Der frühere kommunale Denkmalpfleger Kalesse hatte gegenüber den PNN zudem denkmalschutzrechtliche Probleme für das Projekt ausgemacht – bekanntlich soll die RAW-Halle von neuen Baukörpern quasi gerahmt werden, über der Halle entsteht eine meterhohe und gezackte Dachlandschaft.
Doch das widerspricht laut Kalesse einem schon vor sieben Jahren gefällten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, wonach sich Neubauten an Maßstäben von Denkmälern wie der RAW-Halle orientieren und diese nicht erdrücken sollen (PNN berichteten).
Gestaltungsrat sei eingebunden
Die Stadtverwaltung hielt auf Anfrage dagegen. Eine Sprecherin verwies auf das begonnene Bebauungsplanverfahren, dessen Ergebnis die Stadtverordneten auch noch beschließen müssen. Zudem sei auch der Gestaltungsrat, der die Stadt in Architekturfragen berät, in das Projekt eingebunden. „Wir gehen davon aus, dass das Projekt am Ende dieses Prozesses eine Ausprägung haben wird, die genehmigungsfähig ist“, so die Sprecherin.
Umsetzen wird das Projekt die eigens gegründete RAW Potsdam GmbH. Deren Geschäftsführer Mirco Nauheimer verteidigte auf Anfrage das Projekt.
Die bisher vorgetragene Kritik habe er als polemisch und destruktiv empfunden. Für eine „Stadt der kurzen Wege“ wolle man eine kompakte und dennoch hochwertige bauliche Struktur schaffen, die auch noch gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden wäre. In dem Zentrum sollten Wissenschaft und Wirtschaft verzahnt arbeiten. „Im Idealfall entstehen dort zukunftsfähige und gut bezahlte Arbeitsplätze und erfolgreiche Firmen, damit die Studenten und Kinder, die wir hier in Potsdam ausbilden, hier auch eine Perspektive haben.“ Zudem könne man so wertvolle historische Bausubstanz erhalten. „Wir glauben, dass das ein tolles Angebot ist.“ Das letzte Wort aber hätten die Stadtverordneten, sagte Nauheimer auch. Inwiefern die jetzigen Planungen von der Politik noch verändert werden könnten – etwa bei der Bauhöhe – ließ er gleichwohl auf Nachfrage offen. Das sei ein Prozess, zu dem man sich laufend mit der Stadtpolitik austausche – „da werde ich nichts vorwegnehmen.“
Hintergründe zu den Geldgebern sind unklar
Neben der Dimension des Projekts geraten auch die öffentlich unklaren Hintergründe zu den Geldgebern jetzt in den Fokus. Der linksalternative Babelsberger Verein Mediamaro hat aktuell auf seiner Blogseite „Stadt für alle“ einen Text veröffentlicht, in dem vermutet wird, hinter dem Projekt stünden „zwielichtige Investoren“. Nauheimer hatte erklärt, hinter der RAW Potsdam GmbH stehe eine Green Palmers Limited mit Sitz in Zypern, die in mehreren Ländern im Immobilienbereich tätig sei. Den aus Europa stammenden Geldgeber hinter dem Gesamtprojekt hat Nauheimer bis jetzt noch nicht genannt. Ursprünglich war für das Vorhaben der im benachbarten Berlin umstrittene Entwickler Trockland aufgetreten – der sich nach eigenen Angaben nun aber anderen Aufgaben widmet.
Trockland will Wohnungen am Checkpoint Charlie errichten
In Berlin will Trockland am Checkpoint Charlie unter anderem Büros und Wohnungen errichten. Ins Gerede gekommen ist Trockland aber nun wegen Minderheitsbeteiligungen von Familienmitgliedern des turkmenischen Despoten Saparmurad Niyasov an Firmen des Investors, weitere Spuren in dem undurchsichtigen System führen auch zu Steueroasen wie Zypern. Hier setzt nun die Kritik von „Stadt für alle“ an, weil eben auch bei der RAW GmbH nicht alles bekannt ist – und Zypern eben gerade von russischen Banken und Investmentfonds genutzt werde, um Geld in der EU zu waschen.
Der Geldgeber ist bekannt - nur nicht jedem
Dies alles weist Nauheimer zurück. Trockland sei zu keinem Zeitpunkt direkt an der RAW GmbH oder der Limited in Zypern beteiligt gewesen – sondern sei nur Partner gewesen, dann aber ausgestiegen. Das habe man der Stadt auch im Oktober schon offiziell mitgeteilt. Und der Geldgeber selbst sei durchaus bekannt, sagte Nauheimer – nur eben nicht jedem. So habe man den Namen der Bank nennen müssen, ebenso bei der Abwicklung von Kaufverträgen. „Und bei Firmen aus Zypern wird sehr genau geprüft.“ Angesichts der Nachfragen wolle er aber noch in dieser Woche „aussagefähige Unterlagen“ über den „wirtschaftlich Berechtigten“ dem Potsdamer Baudezernenten Bernd Rubelt (parteilos) und dem Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs zeigen. Es sei aber vorerst nicht geplant, den Namen der Öffentlichkeit mitzuteilen, so Nauheimer. „Ich bitte den Wunsch nach Privatsphäre zu respektieren.“ Allerdings werde der Investor – der nur fließend Englisch spreche – „sehr gern“ noch nach Potsdam kommen und sich auch Journalisten vorstellen.
Am 14. Dezember steht das Projekt auf der Tagesordnung des Gestaltungsrats, der diesmal öffentlich tagt. Die Sitzung beginnt um 18 Uhr in der Fachhochschule Potsdam, Kiepenheuerallee 5, Haus D, Hörsaal D011. Außerdem wird in der Veranstaltung über Wohnungsbauprojekte der Pro Potsdam diskutiert.