Exklusiv: Potsdam riskiert Verlust des Unesco-Titels
Laut dem Berater-Gremium Icomos gefährdet das Wohnungsbauprojekt an der Nuthestraße Potsdams Welterbe. Der Landeshauptstadt droht erneut die Rote Liste.
Potsdam - Für ein Wohnungsbauprojekt am Babelsberger Park setzt das Potsdamer Rathaus Potsdams Rathausspitze um Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den Unesco-Weltkulturerbetitel der Landeshauptstadt aufs Spiel. Das Bauvorhaben gefährde die „visuelle Integrität des Potsdamer Weltkulturerbes“, sagte Michael Kummer, Mitglied des Internationalen Rates für Denkmalpflege (Icomos) den PNN. Das Gremium berät die Unesco in Welterbefragen. Sollte das Bauvorhaben wie geplant beschlossen werden, werde die Causa Potsdam ein Fall für die Unesco-Kommission in Paris werden, so Kummer. Dort werde dann dann entschieden, ob Potsdam auf die berüchtigte Rote Liste gefährdeter Welterbestätten gesetzt wird.
Damit hat ein inzwischen vier Jahre währender Streit zwischen der Stadt auf der einen und der Potsdamer Schlösserstiftung sowie dem Brandenburger Landesdenkmalamt auf der anderen Seite die höchste Eskalationsstufe erreicht. Im Kern geht es um die Frage, inwieweit eine rund 30 000 Quadratmeter große, bislang brach liegende Fläche an der Nuthestraße bebaut werden darf. Ein Berliner Investor plant dort rund 270 Wohnungen. Das Areal grenzt an den Park Babelsberg und liegt in der engeren Pufferzone um das Welterbe, in dem sehr strenge Bauvorschriften gelten.
Die Bebauung im westlichen Teil des Parks würde die Sichtbeziehung in die Potsdamer Innenstadt zerstören
Gestritten wird über den westlichen, der Havel zugewandten Teil der geplanten Bebauung. Nach Ansicht der Schlösserstiftung und des Landesdenkmalamtes würde damit die letzte verbliebene Sichtbeziehung vom Babelsberger Park in die Potsdamer Innenstadt zerstört. Als Kompromiss hatten Stadt und Investor die geplante Bebauung an dieser Stelle reduziert. Die Denkmalpfleger verlangen hingegen den Verzicht auf jedwede Bebauung. Das lehnen Stadt und Investor ihrerseits ab. Ein Verzicht würde bedeuten, dass der Investor 80 Wohnungen weniger als geplant bauen könnte. Für Letzteren würde es den Verlust von etwa 80 Wohnungen bedeuten.
Die Denkmalbehörden, unterstützt von Icomos, werfen der städtischen Bauverwaltung schwerwiegende Versäumnisse bei der Interessenabwägung vor. Für 80 Wohnungen den Verlust des Welterbetitels in Kauf zu nehmen, sei vollkommen unverhältnismäßig, schreibt etwa die Schlösserstiftung in ihrer Stellungnahme zum derzeit ausliegenden Bebauungsplan. Bereits Mitte März hatte Christoph Machat, Vizepräsident des Deutschen Nationalkomitees von Icomos, einen Brandbrief an das Stadtplanungsamt verschickt, in dem er scharfe Kritik am Agieren der Behörde übt und ihr mehr oder weniger unverhohlen vollkommenes Unverständnis für die Belange einer Welterbestätte attestiert.
Eindringlicher Appell an die Stadt
Eine solche sei von besonderer Qualität und besonderer Bedeutung „für die gesamte Menschheit“, schreibt Machat. „Jegliche lokale Handlung“ in Bezug auf dieses Erbe müsse sich somit „besonderen und erhöhten Maßstäben der Beurteilung stellen“. Die Stadt hingegen erwecke in ihren Betrachtungen den Eindruck, es handele sich um ein „gewöhnliches, denkmalpflegerisches und stadtplanerisches Thema“. Machat appellierte „eindringlich“ an die Stadt, ihre Argumentationen „noch einmal zu überprüfen“. Ungeachtet dessen behalte sich Icomos „weitere Schritte“ gegen die Planungen „im Rahmen der Welterbekonvention“ vor.
Insgesamt ist es bereits das dritte Mal, dass Potsdams Welterbestatus durch ein ein Bauprojekt gefährdet wird. Die beiden anderen Fälle gab es in den 1990er-Jahren: Damals erregten die Bebauung des Glienicker Horns und die ursprünglich geplanten Dimensionen des Potsdam-Centers nebst Hauptbahnhof den Unmut der Welterbewächter.
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