„Die Wildschweine haben die Macht“: Wildschweine sind in Stahnsdorf ein Sicherheitsproblem
Die Anzahl der Borstentiere sorgt in Stahnsdorf für Kontroversen. Die Jäger fordern eine Auseinandersetzung mit den Ursachen. SPD-Ortschef Heinrich Plückelmann plant einen runden Tisch.
Stahnsdorf - Es war offenbar eine trügerische Ruhe, die zuletzt um die „Schwarzkittel“ – so nennen Jäger Wildschweine – in der Region eingekehrt war. Nun aber hat sich die Situation erneut zugespitzt. Der Stahnsdorfer SPD-Ortschef Heinrich Plückelmann spricht von einer neuen Qualität. „Die Wildschweine haben die Macht im Ort übernommen“, sagt er. Und weiter: „Wir haben ein Sicherheitsproblem“. Aus Angst vor den Borstentieren würden Eltern ihre Kinder im Auto zur Schule bringen, erzählt er. Und seien es bis dorthin nur wenige Meter.
Kürzlich luden die Sozialdemokraten daher zu einem Infoabend ein, der Erkenntnisse darüber bringen sollte, wie Stahnsdorf und die Nachbarkommunen der Lage wieder Herr werden. Als Referenten hatten sie dazu mit dem Wildtierbiologen und Jäger Egbert Gleich vom Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde einen Experten geladen. Er schlug den Stahnsdorfern den Einsatz von Lebendfallen vor, brüskierte damit aber einen Teil der Jägerschaft. „Die Fallenjagd auf Schwarzwild ist sehr umstritten“, erklärte der ortsansässige Jagdpächter Peter Hemmerden den PNN. Wie einige seiner Jagdkollegen fühle er sich vor einen Karren gespannt und zum „Schädlingsbekämpfer degradiert“.
Plückelmann und Gleich folgen indes einer vom Brandenburgischen Landwirtschaftsministerium vorgeschlagenen Methode, die nachgewiesenermaßen besonders effizient sein soll. Die Tiere werden in die Falle gelockt und dort zur Strecke gebracht. Laut Hemmerden seien die Fallen aber nur ausnahmsweise in besonders kritischen Gebieten anzuwenden, wie etwa auf Friedhöfen, an Schulen oder Kindergärten. Gemeinsam mit der Gemeinde Kleinmachnow habe er eine solche Falle gebaut, die auf dem Waldfriedhof eingesetzt werden soll, jedoch stehe die Genehmigung noch aus, erklärt er.
Population steigt weiter an
Grundsätzlich sei der Falleneinsatz in der Praxis aber nicht so einfach wie häufig dargestellt, betont der Jäger. So seien früher schon einmal Fallen aufgestellt, aber von vermummten Jagdgegnern zerstört worden. Auch die Tiere stünden darin unter akutem Stress. Mit einer Falle würden mehrere Wildschweine auf einmal eingefangen, sie könnten aber nicht alle gleichzeitig geschossen werden, erklärt Hemmerden. Auch für den Jäger ist es nicht ohne, ein aufgebrachtes Tier aus nächster Nähe zu erlegen, sagt er.
Rund 100 Wildschweine haben die Jäger im zurückliegenden Jahr in der Region geschossen, trotzdem stieg die Zahl der „Schwarzkittel“ wieder an. Im Moment ist die Population zu hoch, räumt Hemmerden ein. Um einen Anreiz zu schaffen, auch junge, nicht verwertbare Tiere zu erlegen, zahlt die Gemeinde Stahnsdorf seit zwei Jahren eine Abschussprämie pro erlegtem Jungschwein. Auch in 2019 sollen erneut 5000 Euro dafür bereitgestellt werden.
Lukratives Futter in den Ortschaften
Es könne aber nicht sein, dass die Lösung einzig und allein bei den Jägern gesucht werde, beklagt Hemmerden. Seit Jahren setze er sich für eine verbesserte Jagd, etwa durch Schalldämpfer, die mittlerweile legalisiert wurden, oder auch Nachtsichttechnik ein. Alles nutze aber nichts, wenn man sich nicht auch mit den Ursachen auseinandersetze, erklärt er. So gelinge es nicht mehr, die Wildschweine zu der unweit der Hochsitze ausgelegten Nahrung zu locken, um sie dort zu bejagen. Das Futter, das sie in den Gärten in der Ortschaft fänden, sei teilweise lukrativer.
Die diesjährige Trockenheit sei dabei zum zusätzlichen Problem geworden. Die Böden sind so verhärtet, dass die Tiere es nicht mehr schafften, sie aufzubrechen, um etwa an Würmer zu kommen. Bewässerte Gärten böten da leichteres Spiel, so der Jäger. Auch auf Sportplätzen hatten sich die Wildschweine aus diesem Grund zuletzt genüsslich gesuhlt, wie etwa die SG Schenkenhorst erfahren musste. Vor wenigen Wochen hatte dort ein Rudel aus dem Rasenplatz einen frisch gepflügten Acker gemacht.
Privates Eigentum müsse besser und lückenlos durch wildsichere Zäune geschützt werden und Nahrungsanreize aus der Ortschaft verschwinden, fordert Hemmerden. Noch immer werde Wild gefüttert, das müsse viel härter bestraft werden. Der massive Maisanbau in der Umgebung sei ein weiteres Übel, erklärt er, ebenso unbebaute Grundstücke, die die Eigentümer verwildern ließen und damit den Borstentieren innerhalb der Gemeinden ideale Rückzugsorte böten.
Anzhal der Schweine hat überrascht
SPD-Ortschef Heinrich Plückelmann will nun zeitnah alle an einen Tisch holen und gemeinsam mit den verschiedenen Interessensgruppen Ideen entwickeln, wie die Lösungsansätze in der Gemeinde umgesetzt werden können. Ein Erkenntnisproblem gebe es nicht, es sei vielmehr ein strukturelles, meint er. „Die Leute reden zu wenig miteinander.“ So sei zwar bekannt, dass es Wildschweine in der Region gibt. Das aktuelle Ausmaß hätte aber viele überrascht. Zunächst soll es eine Bestandaufnahme geben. Dazu seien alle Stahnsdorfer aufgerufen, per e-Mail unter hauptamt@stahnsdorf.de an die Gemeinde zu melden, wann und wo im gesamten Jahr Wildschweine gesichtet worden sind. Auch bei der Jagdgenossenschaft Stahnsdorf-Kleinmachnow könnten Vorfälle gemeldet werden, hieß es.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität