Absinkendes Grundwasser: Wie die Parforceheide gerettet werden könnte
Das Waldgebiet im Osten und Süden Potsdams trocknet aus. Doch Naturschützer Peter Ernst (87) schlägt einen Rettungsplan vor.
Vorsichtig schiebt Peter Ernst die Zweige beiseite und bahnt sich seinen Weg. Das Waldstück an der Alten Rohrlake südostlich von Potsdam erinnert an einen Urwald. Es riecht nach Torf, der hier früher gestochen wurde. Doch die Wurzeln vieler Bäume liegen frei. Daran könne man erkennen, dass es hier einmal viel mehr Wasser gegeben habe, sagt der 87-jährige Naturschützer. „Wenn nichts gegen das Absinken des Grundwassers gemacht wird, wird es immer trockener.”
Das Landschaftsschutzgebiet „Parforceheide" erstreckt sich im Süden und Osten von Potsdam bis nach Kleinmachnow, Teltow, Stahnsdorf und Güterfelde. Geschützte Tierarten wie der Moorfrosch, die Zauneidechse oder verschiedene Fledermäuse sind hier zu Hause. Der Name geht auf die Parforcejagden zurück, für die der „Soldatenkönig” Friedrich Wilhelm I. zwischen 1725 und 1729 das Waldgebiet zum Teil umgestalten ließ. Heute bildet es den Kern eines deutlich größeren Landschaftsschutzgebietes mit insgesamt 256 Hektar Fläche.
Weil das Grundwasser sinke, müssten die Wasserwerke immer tiefer bohren, sagt Ernst. Dabei ließe sich zumindest ein Teil des Problems seiner Ansicht nach relativ einfach beheben. „Es gibt gute Möglichkeiten, das Wasser hier in der Landschaft zu halten. Aber dazu müsste man erst einmal aufhören, es wegzuleiten.”
Das Klärwerk Stahnsdorf beispielsweise reinigt den Berliner Wasserwerken zufolge etwa 52.000 Kubikmeter Wasser am Tag. Das in einem aufwändigen Verfahren produzierte Klarwasser wird in den Teltowkanal abgeleitet. Peter Ernst schüttelt den Kopf. „So wird das Wasser über Havel und Elbe nach Hamburg geschickt, um die Nordsee aufzufüllen.” Ernst glaubt auch, den Grund dafür zu kennen: „Das ist wohl das Billigste. Heute soll alles nichts kosten und am besten Geld bringen. Die Finanziers fragen nur: Was kostet das?“
Aber für die Natur sei dieses kurzfristige Denken ein Desaster. Wenn es nach Ernst ginge, würde man das Wasser nutzen, um die Parforceheide zu bewässern. Die Infrastruktur dafür sei größtenteils vorhanden. „Man könnte die Entwässerungsgräben als Bewässerungsgräben nehmen.” Würde man das Wasser in das bestehende Kanalsystem einleiten, könne das zumindest einen Teil des Landschaftsschutzgebietes vor weiterer Austrocknung bewahren.
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Peter Ernst war schon zu DDR-Zeiten im Naturschutz aktiv. Er erinnert sich an lange Sitzungen beim Rat des Bezirks, bei denen die Trockenheit der Region schon damals Thema gewesen sei. Kurz vor der Wende habe es einen Plan gegeben, Abwasser mit Großregnern auf den landwirtschaftlichen Flächen zu verteilen. Doch dieses Projekt, das an die im 19. Jahrhundert angelegten Rieselfelder erinnert, sei nach 1989 nicht mehr umgesetzt worden.
Ernst lebt schon sein ganzes Leben auf seinem Grundstück im Stahnsdorfer Ortsteil Güterfelde. Wenn er morgens aus dem Fenster schaut, hat er manchmal die Tierwelt zu Gast. Einmal hätten Rehe an seinem Rasen geknappert. An einer Kuhle hinter dem Grundstück, wo sich die Wildschweine gern suhlen, habe er kürzlich sogar einen prächtigen Goldfasan fotografieren können.
Umweltschützer im volkseigenen Betrieb
Hier habe er als Kind den Zweiten Weltkrieg erlebt, erzählt er. Als junger Mann habe er an der Technischen Universität im Westteil Berlins studiert. Das war in der frühen Nachkriegszeit noch möglich. „Ich bin jeden Tag von Stahnsdorf mit der S-Bahn zu Uni gefahren.” Doch dann kam der Mauerbau dazwischen, Ernst hat sein Studium nie abgeschlossen.
Er nahm eine Arbeitsstelle in einem der damaligen High-Tech-Betriebe an, der Mikroelektronik „Karl Liebknecht“ Stahnsdorf. Dort gehörte er zu den Gründern einer Arbeitsgruppe für Naturschutz. Die habe auch Umweltverschmutzungen in der Region angemahnt. Das Engagement sei in den Führungsebenen nicht immer gut angekommen, erinnert sich Ernst. Doch mit seinen Mitstreitern habe er sich oft gegen die „Genossen“ durchsetzen können.
Ein Leben für den Naturschutz
„Seit der Wende bin ich Rentner und kann den ganzen Tag machen, was ich will“, sagt er. „Damit habe ich vollauf zu tun.“ In den 1990ern wurde Ernst Landessprecher der Grünen Liga. Im Bauausschuss der Gemeinde mischt er sich bis heute ein. „Wenn es um Landschaftsplanung geht, bin ich eigentlich immer mit dabei.” Ein Leben für den Naturschutz.
Er habe leider nicht immer alles erreicht, sagt Ernst. Zum Beispiel den autobahnartigen Ausbau der Nutheschnellstraße hätte er gern verhindert, doch das war nicht möglich. Verkehrsplaner und Baufirmen wüssten schon, wie sie ihre Interessen durchsetzen könnten und hätten einflussreiche Unterstützer.
"Man kommt gar nicht nach."
„Wenn man die Natur rettet, dann freuen sich nur die Rehe.“ Nichtsdestotrotz habe er „einige Sachen abhaken“ können. Und damit ist noch lange nicht Schluss. „Es gibt so viele Sachen, wo man denkt: Da müsste man sich hinterklemmen, da müsste man etwas anregen. Aber da kommt man gar nicht nach.“
Christoph Kluge