Nach Absage: Werderaner wollen Baumblüte selbst organisieren
Wut, Enttäuschung aber auch Zustimmung gibt es für die Absage des Volksfestes im kommenden Jahr. Im sozialen Netzwerk Facebook wird rege diskutiert.
Werder (Havel) - Die überraschende Absage des Baumblütenfestes im kommenden Jahr führt in der Stadt Werder (Havel) zu reichlich Diskussionen. Die Reaktionen reichen von Zustimmung zu den Plänen der Stadtverwaltung bis hin zu Wut und Enttäuschung. Im sozialen Netzwerk Facebook wird unter anderem bereits darüber nachgedacht, eine Unterschriftenaktion zu starten, um gegen das Aus für 2020 zu protestieren. Viele können nicht verstehen, wie Ostdeutschlands größtes Volksfest abgesagt werden könne. Einige vergleichen die Baumblüte mit dem Münchner Oktoberfest, das ja auch nicht für ein Jahr ausfallen könne.
Kein "zuschlagfähiges" Angebot
Grund für die Absage ist wie berichtet ein gescheitertes Vergabeverfahren. Da der Vertrag mit dem bisherigen Betreiber des Festes, der Wohlthat Entertainment GmbH, in diesem Jahr ausläuft, hat die Stadt seit März dieses Jahres einen neuen Betreiber gesucht, der das Volksfest zunächst für drei weitere Jahre ausrichten sollte. Das Vorhaben ist geplatzt: Laut der Werderaner Stadtverwaltung habe kein "zuschlagfähiges" Angebot vorgelegen. Aus Stadtpolitikerkreisen heißt es, dass nur Wohlthat ein Angebot abgegeben habe. Die Verhandlungen scheiterten offenbar, weil man sich nicht über die Kosten für die Sicherheit und die Ausrichtung einigen konnte.
Mehr Körperverletzung auf dem diesjährigen Baumblütenfest
Für die Stadtverwaltung war vor allem der Aspekt der Neuausrichtung des Festes wichtig, denn in den vergangenen Jahren häuften sich die Beschwerden der Anwohner über die Besuchermassen auf der Festmeile. Immer lauter wurden auch die Klagen, dass Jugendgruppen bereits betrunken am Bahnhof in Werder ankommen und zum süßen Obstwein auch vermehrt Drogen konsumieren würden.
Regelmäßig kommt es auf dem Volksfest zu Prügeleien. Das bestätigen auch die Zahlen: So soll es beim diesjährigen 140. Baumblütenfest insgesamt 488 Straftaten gegeben haben, teilte die Bundes- und Landespolizei mit. Ähnlich wie im Vorjahr waren ein Drittel davon Gewaltdelikte. Die Brandenburger Polizei registrierte 107 Körperverletzungen - 40 mehr als im Jahr zuvor.
Werderaner wollen Baumblütenfest selbst organisieren
Dass die Stadt mit ihrer überraschenden Absage jedoch die Rechnung ohne die Werderaner gemacht hat, zeigt sich an den Reaktionen in den sozialen Medien. Auf Facebook kündigte der Präsident des Werderaner Karnevalvereins "Freunde des Frohsinns", Christian Zube, an, einen kleinen Festumzug über die Insel - angemeldet als Demonstration - selbst organisieren zu wollen. Dem Umzug, der von der Kemnitzer Straße zu Fischer Mai auf der Insel führen soll, dürften sich laut Zube auch gerne weitere Vereine und Interessengemeinschaften anschließen.
Stattfinden soll der Umzug demnach am 25. April, also dem Datum, um das herum traditionell das gut eine Woche dauernde Volksfest startet. Für das Vorhaben gibt es auf Facebook bereits viel Zustimmung, viele Werderaner wollen die Baumblüte offenbar in Eigenregie feiern. Die Werderaner Kulturgarage hat ihre Unterstützung bereits angeboten.
Obstbauern fürchten große Verluste
Die Baumblüte im Kleinen zu feiern, dafür plädiert auch der Werderaner Obstbauer Stefan Lindicke. Er kündigte gegenüber den PNN an, dass er zur Baumblüte seinen Obstgarten im Hohen Weg wie bisher öffnen will. Unter den Obstbauern wird derzeit auch diskutiert, wie man trotz der offiziellen Absage Gäste auf die Obsthöfe locken kann. Denn die Obstbauern haben bereits den Obstwein angesetzt, viele Betriebe können und wollen nicht auf die wichtigen Einnahmen zur Blütenzeit verzichten. Lindicke hofft, dass die Stadt und das mittelmärkische Busunternehmen Regiobus die Gäste mit Shuttlebussen auf die umliegenden Obsthöfe im kommenden Jahr bringen wird.
Absage als "echte" Chance für einen Neuanfang
Andererseits wird von vielen Werderanern, unter anderem auch etlichen Stadtpolitikern, die Absage als echte Chance für einen Neuanfang gesehen. Viele finden es gut, dass sich das bisherige Konzept - der große Rummel um die Festmeile, die es seit den 1990er-Jahren gibt - ändern soll, dass das Fest wieder zurück zu seinen Anfängen soll. Der Fokus könnte damit wieder stärker auf die Obstgärten gerichtet werden, statt großer Bühnen, Live-Programm und Besäufnis könnte es wieder stärker um den traditionellen Obstanbau und die Produkte der Obstbauern gehen.