Obstbauern in Werder (Havel): Umdenken nach dem Ernteausfall
Der Frost setzte den Obstbauern in Werder stark zu, einige rechnen bei der Kirschernte mit Ausfällen bis zu 100 Prozent. Hätten sich die Frostschäden mit den richtigen Anbaumethoden vermeiden lassen?
Werder (Havel) - Die Kirschbäume auf Frank Waches Feld geben ein trauriges Bild ab: Inmitten erfrorener Blüten finden sich bei den meisten gerade noch ein oder zwei kleine grüne Kugeln. „Ob die was werden, ist auch noch fraglich“, sagt Wache. Der späte Frosteinbruch Ende April hat den Obstbauern in Werder stark zugesetzt. Insbesondere bei den Kirschen rechnen einige von ihnen mit Ernteausfällen bis zu 100 Prozent.
Laut Hilmar Schwärzel, dem Leiter der Obstbauversuchsstation Müncheberg, hätten die Bauern die starken Ernteeinbußen allerdings verhindern können – mit den richtigen Anbaumethoden. Schwärzel hat im rund 100 Kilometer entfernten Müncheberg gezeigt, dass nicht alle Brandenburger Kirschbäume dieses Jahr ertraglos bleiben müssen. „Wir rechnen mit einer mittleren bis guten Ernte“, so Schwärzel. In der Obstbauversuchsstation wird seit vielen Jahren mit alten Gehölzen experimentiert, aus denen die Mitarbeiter widerstandsfähigere neue Obstbaumsorten züchten. In Zusammenarbeit mit dem Erwerbsanbau in Sachsen-Anhalt sind so mehrere Sorten entstanden, die auch in diesem Jahr gute Erträge bringen. Vorteil der Neuzüchtungen sei unter anderem auch, dass sie später zu blühen anfingen.
Keine Chance bei den Temperaturen in diesem Jahr
Auf Frank Waches Kirschbaumfeld steht eine Mischung neun verschiedener Sorten aus aller Welt: Die tschechische Knorpelkirsche Kordia ist ebenso darunter wie die kanadische Sam, die italienische Giorgia und die deutsche Regina. Die Vielfalt der Sorten soll eigentlich Ernteausfällen vorbeugen, da die Bäume zu je unterschiedlichen Zeiten blühen und Früchte tragen. „Bei den Temperaturen dieses Jahr hatte aber keine von ihnen eine Chance“, sagt Wache.
Der 50-Jährige ist Obstbauer in dritter Generation. Er erinnert sich, dass seine Großeltern einst Sorten wie die „Spanische Knorpelkirsche“ anbauten, die besonders gut ans Werderaner Klima angepasst waren. Die Früchte dieser Sorte werden auch in reifem Zustand höchstens hellrot, weshalb Wache sie inzwischen nicht mehr anbaut: „Die Kunden wollen dunkelrote bis schwarze Kirschen, weil das Reife suggeriert – bei anderen Farben sind sie skeptisch.“
Bauern experimentierten mit verschiedenen Methoden, um Bäume zu schützen
In der Obstbauversuchsstation haben die Mitarbeiter nicht nur mit alten Fruchtsorten experimentiert, sondern auch mit Methoden, die Bäume vor zu tiefen Temperaturen zu schützen. Dazu hielten sie ihre Böden offen, anstatt sie wie manche Werderaner Obstbauern dauerhaft zu begrünen. Außerdem errichteten sie rund um ihre Obstbaumbestände wintergrüne Windschutzhecken, die die Strömungskälte brechen sollten. „Bei Extremfrost hilft das zwar auch nicht mehr, aber wir konnten die Temperatur damit immerhin von minus sechs auf minus vier Grad drücken“, sagt Hilmar Schwärzel.
Dass es im Obstbau zuweilen auf einen einzigen Thermometerstrich ankommen kann, weiß kaum jemand besser als Walter Kassin, der Vorsitzende des Werderschen Obst- und Gartenbauvereins. Kassin hat in diesem Jahr mit vielen Obstbauern mitgelitten. Dass die Schuffelmethode, bei der mit einem Gartengerät Unkraut in lockerer Erde entfernt wird, viel hätte retten können, bezweifelt der Obstbauexperte. Die Methode sei zwar vor Jahrzehnten in Werder großflächig praktiziert worden, inzwischen sei sie aber sehr umstritten. „Die Erfahrung ist eher, dass der Boden mit Graseinsaat Feuchtigkeit besser speichern kann und durch den Tau auf den Halmen auch mehr Wasser bekommt.“ Wenn es jedoch, wie in diesem Jahr, bereits abends Frost gebe, sei am nächsten Morgen auch kein Tau vorhanden. Dann könne man nur noch den Frost versuchen zu bekämpfen. „Die Bauern haben so vieles versucht, um ihre Ernte zu retten: Wachstöpfe – also eine Art Riesenkerzen –, intensive Bewässerung, Luftverwirbelungsanlagen verschiedenster Art“, sagt Kassin. Einige der Methoden seien für die Betroffenen kaum erschwinglich gewesen, die Erfolge in den meisten Fällen jedoch mäßig.
Ein Obstbauer hat sich einen Flammenwerfer für 8000 Euro besorgt
Auch Frank Wache hat manches probiert. Von einem befreundeten Bauern weiß er, dass der sich sogar einen Flammenwerfer für rund 8000 Euro angeschafft hat, den er zusätzlich mit teuren Gasflaschen bestückte. Solche Experimente kann sich in Werder nicht jeder Obstbauer leisten. Wache glaubt, dass es in Müncheberg vor allem deswegen so eine ertragreiche Ernte gibt, weil dort genügend Mittel vorhanden seien, um verschiedene Methoden auszutesten. Auch seien die Anbauflächen dort viel kleiner, wodurch sich die Wärme durch Hecken vielleicht besser halten lasse. Seine Anbaufläche in solch kleine Einheiten aufzuteilen und jeweils mit Windschutz zu umgeben, könnte er nicht bezahlen.
Die Klimaschwankungen der vergangenen Jahre fordern jedoch neue Strategien im Obstanbau, dieser Ansicht sind auch Wache und Kassin. Regelmäßig treffen sich die Werderaner Obstbauern auch zu Fortbildungen, die die Obstbauversuchsstation in Müncheberg anbietet. „Dort wird es demnächst mit Sicherheit um dieses Thema gehen“, sagt Kassin. (mit Alexander Fröhlich)
Julia Freese
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