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Teilweise sind Fahrgäste in Potsdam-Mittelmark mit Bus und Bahn drei mal so lange unterwegs wie mit dem Auto.
© Enrico Bellin

Eine Analyse: So könnte der Nahverkehr in Potsdam-Mittelmark attraktiver werden

Es gibt erhebliche Lücken im Nahverkehr in Potsdam-Mittelmark. Bis 2030 muss sich einiges verbessern. Eine Analyse.

Von Enrico Bellin

Trotz Erweiterungen im Bus- und Bahnverkehr der vergangenen Jahre klaffen selbst im dicht besiedelten Osten der Mittelmark noch erhebliche Lücken im Nahverkehr. Teilweise sind Fahrgäste mit Bus und Bahn drei mal so lange unterwegs wie mit dem Auto. Die PNN versuchen sich in einem Ausblick, was in diesem Jahrzehnt verändert werden muss:

S-Bahn nach Stahnsdorf

Es wird die wohl wichtigste Änderung im Nahverkehr der Region im neuen Jahrzehnt: Die Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach Stahnsdorf. Eine politische Entscheidung für das Projekt ist zwar noch nicht gefallen. Allerdings ist das Projekt Bestandteil des Infrastrukturprojektes i2030 von Berlin und Brandenburg. Seit Jahren wird geplant, die erste Planungsstufe wurde im Frühjahr 2019 abgeschlossen – man weiß, welche Infrastruktur im Groben benötigt wird. Das Eisenbahnbundesamt, welches die Pläne genehmigen müsste, ist nach Auskunft der Deutschen Bahn in die Pläne einbezogen. Die Bahn und das brandenburgische Infrastrukturministerium verhandeln aber seit Monaten, wer die Kosten für die Detailplanung übernimmt. Angesichts der Aussage der neuen Landesregierung im Koalitionsvertrag, den Anteil von Fuß-, Rad- und öffentlichem Nahverkehr von 40 auf 60 Prozent zu steigern, ist anzunehmen, dass die Verhandlungen nun vorankommen. „Die Koalition ist sich einig, dass der Ausbau des öffentlichen Verkehrs Priorität hat“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Verlängerung der S-Bahn um etwa drei Kilometer ist eines der Projekte der i2030-Planungen, die vergleichsweise einfach umzusetzen sind. Zwar gibt es noch keine Kostenschätzungen, aufwändige Ingenieurbauwerke wie Brücken über Flüsse sind für die rund drei Kilometer lange Strecke jedoch nicht nötig. Zudem ist Stahnsdorf eine der Gemeinden im Berliner Südwesten, die einen starken Zuzug verzeichnen und bisher nur über Busverbindungen verfügen. Jedoch muss die Bahntrasse mehrere Straßen kreuzen. Angesichts mehrjähriger Planungs- und Bauzeiten ist, eine baldige Entscheidung für das Projekt vorausgesetzt, eine Eröffnungsfahrt nach Stahnsdorf gegen Ende des Jahrzehnts möglich. Dann muss auch der Busverkehr der Region angepasst werden, damit Linien aus Kleinmachnow und dem Potsdamer Süden den neuen Bahnhof erreichen.

Neue nötige Busverbindung von Werder (Havel) nach Michendorf.
Neue nötige Busverbindung von Werder (Havel) nach Michendorf.
© PNN

Buslinie Stahnsdorf-Michendorf

Eine große Lücke im Busverkehr gibt es derzeit noch im Korridor Stahnsdorf- Saarmund-Michendorf. Während zwischen Stahnsdorf und Saarmund noch immerhin fast stündlich eine Fahrtmöglichkeit mit Umsteigen in Schenkenhorst besteht, fahren von Saarmund nach Michendorf fünf Busse am Tag. Ansonsten muss man erst von Saarmund nach Norden zum Bahnhof Rehbrücke, um von dort ins südwestlich gelegene Michendorf zu kommen. Statt zehn Minuten mit dem Auto dauert die Fahrt mehr als eine halbe Stunde. Besonders für Saarmunder Schüler ist das ärgerlich, im Ort mit knapp 2000 Einwohnern gibt es nur eine Grundschule. Die Lösung könnte in einer Buslinie liegen, die von Stahnsdorf über Güterfelde und Saarmund nach Michendorf führt. Bis zur Verlängerung der S-Bahn nach Stahnsdorf sollten die Busse zur Waldschänke, dem zentralen Busbahnhof der Region, verlängert werden. Doch nicht nur für Schüler wäre diese komplett neue Linie wichtig: Am Saarmunder Bahnhof halten die Züge der Regionalbahnlinie 22, die stündlich über den Flughafen Schönefeld nach Königs Wusterhausen fährt. Nach geplanter Eröffnung des BER im Oktober sollen die Züge auch dort halten. Bei guter Anschlussgestaltung würde die Buslinie so Bewohnern aus Stahnsdorf und Michendorf, die gemeinsam immerhin gut 25.000 Einwohner haben, eine schnelle Anbindung an den Großflughafen bieten. Allerdings müsste die Gemeinde Nuthetal dafür am Saarmunder Bahnhofsvorplatz eine Buswendeschleife bauen.

Buslinie Werder (Havel) - Michendorf

Ebenso wie die Lücke im Busverkehr zwischen Stahnsdorf und Michendorf könnte auch die Lücke zwischen Michendorf und Werder (Havel) auf Beschluss des Kreistages geschlossen werden. Während bei der Linie nach Stahnsdorf wie berichtet Umbauten am Saarmunder Bahnhof nötig sind, muss für die Linie nach Werder nur eine neue Bushaltestelle am Bahnhof Ferch-Lienewitz errichtet werden. Derzeit fährt dort kein Bus hin. Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) setzt sich gemeinsam mit Gemeindevertretern aber seit Jahren für eine Busverbindung Ferch-Neuseddin ein.

Da es auch zwischen Werder und Michendorf keine direkte Verbindung gibt und Fahrgäste derzeit den Umweg per Bus über den Potsdamer Hauptbahnhof oder per Zug über Berlin Wannsee nehmen müssen, bietet sich eine neue Verbindung Werder-Michendorf an. Denn mit Bus und Bahn ist man derzeit zwischen beiden Orten mindestens 50 Minuten unterwegs, doppelt so lange wie mit dem Auto. Zudem soll im Werderaner Ortsteil Glindow wie berichtet in den kommenden Jahren ein Schulcampus der Hoffbauer-Stiftung für 300 Grundschüler und 400 Schüler von weiterführendenen Schulen entstehen. Derzeit fahren am geplanten Standort nur Busse nach Beelitz und Bliesendorf sowie zum Werderaner Bahnhof vorbei. Die neue Buslinie würde den Schulbesuch auch für Kinder aus Michendorf, Seddiner See und Schwielowsee ermöglichen.

S-Bahn nach Stahnsdorf und Bus nach Michendorf.
S-Bahn nach Stahnsdorf und Bus nach Michendorf.
© PNN

In den Nachbarlandkreisen

Landkreisgrenzen sind derzeit noch erhebliche Hürden im Nahverkehr. Von Teltow in die nahen Industrieschwerpunkte Großbeeren und Ludwigsfelde (beide Teltow-Fläming) fährt nur zur Hauptverkehrszeit stündlich die Linie 621, in der Region wird seit langem eine bessere Anbindung gefordert. Weiter südlich wird es an der Kreisgrenze noch dünner: Von Michendorf nach Ludwigsfelde oder von Beelitz nach Trebbin sind es mit dem Auto jeweils gut 20 Minuten. Mit Bus oder Bahn dauert die Fahrt auf beiden Relationen mit Umsteigen rund eine Stunde. Um das Ziel der Landesregierung zur Verkehrsverlagerung weg vom Auto zu erreichen, sind hier kreisübergreifende Linien nötig.

Mehr Züge beschlossen

Fest stehen wie berichtet schon Änderungen, die im Zugverkehr ab dem Fahrplanwechsel im Jahr 2022 gelten sollen. Von Bad Belzig über Michendorf nach Berlin Wannsee soll ein zusätzlicher RE7 pro Stunde verkehren, ebenso ein zusätzlicher RE1 von Brandenburg an der Havel über Werder (Havel) und Berlin nach Frankfurt (Oder). Die Züge der Linie RB33 werden von Beelitz nicht mehr nach Wannsee, sondern über Caputh nach Potsdam fahren. Dafür entfällt die RB23 Potsdam-Caputh-Michendorf. Von Beelitz wird neu die RB34 über Michendorf nach Wannsee fahren. Wer von Werder (Havel) und Geltow zum BER will, kann künftig am Bahnhof Pirschheide in die RB22 steigen.

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