Corona-Ausbruch in Werder (Havel): Schwere Vorwürfe gegen Seniorenheime
Fast täglich sterben in Werder Covid-19-Infizierte. Im Fokus stehen auch Seniorenheime, an denen der Landkreis heftige Kritik übt. Was bisher falsch lief und wie nun reagiert wird.
Werder (Havel) - Es sind schwere Vorwürfe, die der Landkreis Potsdam-Mittelmark gegen einige Betreiber von mittelmärkischen Seniorenheimen erhebt. Sie würden in der Coronakrise zu lax mit den Hygieneregeln umgehen, zum Teil wissentlich gegen sie verstoßen. Heimleitungen seien vollkommen überfordert. Es würden zu wenige Coronatests gemacht, Ausbrüche daher zu spät erkannt. „Heimleitungen werden dann von einer Welle überrollt, Pandemie-Pläne Null und nichtig gemacht“, heißt es in einer Mitteilung.
"Haus am Zernsee" und "Blütentraum" stark betroffen
Die Welle, von der die Rede ist, überrollt derzeit vor allem Werder (Havel) und insbesondere zwei Seniorenheime der Stadt. Das „Haus am Zernsee“ in den Havelauen war die erste Einrichtung im Kreis, in der vor drei Wochen das Virus ausgebrochen ist. Ein 80-Jähriger, der aus dem Potsdamer St. Josefs-Krankenhaus zurückgekehrt war, fühlte sich plötzlich schlecht. Er verstarb kurz darauf im Krankenhaus. Seither sind insgesamt sechs Bewohner innerhalb von drei Wochen verstorben. Noch immer sind 15 Bewohner infiziert, elf bereits genesen. Die Zahl der infizierten Mitarbeiter hat sich von sechs auf zehn erhöht. Der Kreis hatte angeordnet, das Haus so aufzuteilen, dass infizierte von gesunden Bewohnern getrennt sind. Schleusen sollten das Infektionsgeschehen aufhalten. Funktioniert hat das offenbar nicht. „Die Trennung wurde wieder aufgehoben, jeder wird jetzt, so gut es geht, isoliert“, so Kreissprecher Kai-Uwe Schwinzert. Er deutete an, dass eine Isolation dementer Bewohnern schwierig sei.
Zu einem weiteren Ausbruch kam es vor rund zwei Wochen auch in der Werderaner Senioreneinrichtung „Blütentraum“. Dort sind noch immer vier Patienten und mittlerweile fünf Mitarbeiter infiziert. Weitere betroffene Einrichtungen im Kreis sollen dem Vernehmen nach der „Florencehort“ in Stahnsdorf mit aktuell einem Covid-19-Patienten und eine Einrichtung für betreutes Wohnen in Beelitz sein.
Werder ist der Krisenherd im Kreis Potsdam-Mittelmark
Wie sich die Bewohner trotz der geltenden Betretungsverbote anstecken konnten, ist ungeklärt. In der Kreisverwaltung wird ein Zusammenhang zwischen dem Ausbruchsgeschehen in den Potsdamer Kliniken und den Corona-Ausbrüchen in Werder angenommen. Heimbewohner könnten sich bei Klinikaufenthalten angesteckt haben, die Infektion zunächst unerkannt geblieben sein.
Hinzu kommt, dass das Pflegepersonal in einigen Einrichtungen im Kontakt mit infizierten aber auch gesunden Bewohnern offenbar keinen Mundschutz und keine Einmalhandschuhe getragen haben soll, teilte der Kreissprecher auf Anfrage mit. Um welche Einrichtung es sich gehandelt hat, sagte er nicht. Auch soll infiziertes Pflegepersonal gegen die Quarantäneauflagen verstoßen haben. Die Mitarbeiter durften zwar weiterhin mit infizierten Bewohnern arbeiten, mussten jedoch privat isoliert leben. Das ist offenbar wohl nicht immer geschehen. Wie viele Pfleger gegen die Quarantäneregeln verstoßen und dadurch womöglich andere Menschen angesteckt haben, konnte Schwinzert auf Nachfrage nicht sagen.
Auffällig ist jedoch, dass die Zahl der Infizierten sowie der Todesfälle in Zusammenhang mit Covid-19 in den vergangenen zwei Wochen in Werder deutlich angestiegen sind. Werder ist Corona-Hotspot: Mit 123 Infizierten ist es die am meisten betroffene Kommune im Kreis. 17 Werderaner sind im Zusammenhang mit Covid-19 verstorben – fast täglich kommt eine weitere Person dazu, am Freitag waren es sogar zwei.
Rat durch Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
Jetzt will der Kreis härter durchgreifen, die Dynamik bremsen. Ab Montag soll es wie berichtet Kontrollen in den betroffenen Einrichtungen geben. Ob sich die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ankündigen und was bei Verstößen droht, konnte der Kreissprecher zunächst noch nicht sagen.
Seit Freitag (24.04.2020) sind auch Experten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in den Einrichtungen unterwegs, sie beraten die Heimleitungen, wie sie den Ausbruch in den Griff bekommen. Das Ganze erinnert in abgewandten Zügen an die Situation im Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“, das nach dem Ausbruch durch Experten des Robert Koch-Instituts beraten wurde.
Und was sagen die Betroffenen dazu? „Seit Beginn des Ausbruchs arbeiten wir auf Weisung des Gesundheitsamtes und der Behörden. Dazu stimmen wir uns täglich ab. Wir halten uns an die Auflagen und setzen die Maßnahmen konsequent um“, so eine Sprecherin des „Haus am Zernsee“. Ähnliches hört man auch aus der Einrichtung „Blütentraum“ und „Florencehort“. Über die Vorwürfe sind die betroffenen Einrichtungen verwundert. Der Leiter der Teltower Lavendelresidenz, Roland Lange nannte sie „eine Frechheit“. „Erst heben sie uns in den Himmel und dann klopfen sie mit der Schippe drauf.“ In der Lavendelresidenz gibt es bisher keine Covid-Fälle. Die Kollegen würden derzeit ihr Äußerstes tun, um die Betreuung in den Heimen zu ermöglichen, so Lange. Er ärgerte sich über das Gesundheitsamt, das zum Teil in Abstimmung mit den Krankenhäusern bestimme, dass keine Nachsorge von entlassenen Bewohnern erfolgen müsse. „Da unterschiedlich getestet wird, geht bei uns jeder vorsorglich in Quarantäne.“ Das wird auch im Stahnsdorfer „Florencehort“ so gemacht.