Protest gegen Insektizideinsatz: Kiefernwälder sollen mit Gift besprüht werden
Rund um Beelitz sollen die Raupen der Nonne mit einem Insektizid aus der Luft bekämpft werden. Anwohner fürchten sich um ihre Gesundheit und den Wald.
Fichtenwalde - Es klingt so, wie es wirken soll: „Karate Forst flüssig“ heißt das Insektizid, dass in den Wäldern rund um Beelitz zum Einsatz kommen soll, um einen Kahlschlag der Kiefernwälder zu verhindern. Das Nervengift, das voraussichtlich ab dem 6. Mai per Hubschrauber über den Wäldern versprüht wird, soll die jungen Raupen der Nonne, einem Kiefernschädling, töten. Ohne Einsatz, so warnt der brandenburgische Landesforst, würden große Waldteile um Fichtenwalde, Borkheide und Borkwalde noch in diesem Sommer kahlgefressen sein.
Anwohner prüfen Klage gegen den Einsatz
Doch gegen den Einsatz von „Karate Forst flüssig“ regt sich massiver Widerstand. So viel Gegenwind bekommt der Landesbetrieb Forst selten. Es sind vor allem beunruhige Anwohner, die neben dem Umweltschutz auch um ihre Gesundheit fürchten. Kritik kommt vor allem aus Fichtenwalde. Ende vergangener Woche organisierten Anwohner einen Informationsabend zu dem Sprüheinsatz, rund 200 Interessierte kamen, der Saal im Hans Grade Haus war brechend voll. Anwohner und Umweltschützer standen bei geöffneten Fenstern sogar auch draußen, um die Diskussion mitzukommen.
Ihre Sorge: Das Insektizid werde im Wald großen Schaden anrichten, denn das Gift greife nicht nur die Nonne, sondern auch alle andere Insekten, darunter viele nützliche, unter anderem Bienen, an. Die Folge: Waldtiere wie Fledermäuse und Vögel würden keine Nahrung für ihre Jungen mehr finden. Das ganze Ökosystem komme durch einen Giftmitteleinsatz aus dem Gleichgewicht – und das ausgerechnet in Zeiten des großen Insektensterbens.
Neben der Sorge um den Umweltschutz geht es den betroffenen Anwohnern auch um eine bessere Information zu dem geplanten Einsatz. „Hätten wir nicht den Infoabend organisiert, wüssten wir bis heute nichts“, ärgert sich die Fichtenwalderin Petra Rimböck, die sich seit Bekanntwerden der Pläne mit anderen Anwohnern zu Protestaktionen zusammengeschlossen hat. Rimböck wirft dem Landesforstbetrieb eine schlechte Kommunikationspolitik vor und kündigte weitere Schritte an. „Wir prüfen eine private Klage vor dem Verwaltungsgericht.“ Auch ein Volksbegehren zur Änderung des Landeswaldgesetzes wollen die Fichtenwalder initiieren. „Dadurch sollen private Waldbesitzer zum Waldumbau verpflichtet werden.“ Denn das sei bisher laut Gesetz nur gewünscht, und geschehe viel zu selten, sagt Rimböck.
Kiefermonokultur: Ein gedeckter Tisch für die Nonne
Dass das Problem hausgemacht ist, räumt auch Jörg Ecker vom Landesbetrieb Forst ein. Der Fachleiter in der Behörde erklärt, dass Kiefermonokulturen für Schädlinge wie die Nonne „ein gedeckter Tisch“ seien. Dieses Jahr würde der Hauptschwerpunkt des Befalls mit rund 5000 Hektar im Landkreis Potsdam-Mittelmark liegen. Die Wälder bei Fichtenwalde, Borkheide und Borkwalde seien am stärksten betroffen. Auch Ecker ist für einen schnelleren Waldumbau, doch das dauere noch Jahre. „Damit wir keinen Totalkahlschlag schon in diesem Sommer haben – was übrigens das Waldbrandrisiko erheblich erhöht – müssen wir kurzfristig handeln.“
Forst: Insektizid sei "Ultima Ratio"
Ein Insektizideinsatz sei nicht zu beschönigen und für den Förster „die Ultima Ratio“, aber ein Blick auf die Ergebnisse des Monitorings in den Wäldern um Beelitz reiche aus, um die Gefahr deutlich zu illustrieren. „Wir haben in dem Gebiet so viele Raupen, dass sie den vorhandenen Wald mindestens zwei Mal abfressen könnten“, erklärt Ecker den PNN. Erschwerend hinzu komme, dass die Nonne in den betroffenen Gebieten zu wenige Gegenspieler habe.
Natürliche Feinde der Nonne sind verschiedene Wespenarten Und: Wäre es in den vergangenen Jahren nicht so trocken gewesen und würde es weniger weitere Schädlinge wie Borken- und Prachtkäfer geben, könnten die Kiefern einen Kahlfraß womöglich überstehen. Doch die Voraussetzungen treffen auf das Gebiet rund um Beelitz nicht zu. „Die Nebenwirkungen des Insektizids nehmen wir bewusst in Kauf, um den Walderhalt zu sichern.“ Ohne Wald, wären auch die Nützlinge des Waldes am Ende, so Ecker. Mit „Karate Forst“ bestehe für sie und den Wald zumindest noch Hoffnung. Bis Ende Mai sind Hubschraubereinsätze geplant, es ist die Zeit, in denen die Raupen schlüpfen. Geflogen wird bei gutem Wetter, es darf kein Wind wehen und nicht zu heiß sein. „Karate Forst“ soll nur die frisch geschlüpften Raupen töten, bei größeren Insekten würden es schon nicht mehr wirken, so Ecker. Auch für Bienen sei das Gift ungefährlich.
Und was ist mit den Auswirkungen auf Mensch und Landwirtschaft? Kommt das Pflanzengift auch auf die nahen Spargelfelder? Ecker beruhigt: „Karate Forst“ hätte keine Auswirkungen auf den Menschen. Der Wirkstoff sei ähnlich dem eines Pflanzenschutzmittels, das im Obst- und Gemüseanbau verwendet wird. „Dort wird das Mittel direkt auf Erdbeeren gespritzt, die man nach drei Tagen essen kann.“ Für den Wald würden viel strengere Bedingungen gelten. So darf der Wald nach den Sprüheinsätzen für 48 Stunden nicht betreten werden, Pilze und Beeren drei Wochen lang nicht gepflückt werden.
Als ganz so harmlos schätzt der Biologe und Experte für Schädlingsbekämpfungsmittel, Axel Müller von den Grünen im Kreistag, das Insektizid nicht ein. Der Vergleich mit dem Spritzmittel für Erdbeeren hinke, erklärt er den PNN. Müller warnt davor, die große Chemiekeule zu schwingen. Immerhin kommt der Landesforst den Anwohnern etwas entgegen: Statt des gesetzlichen Mindestabstandes von 25 Metern, werden die Sprühflugzeuge nun 100 Meter Abstand zu den Siedlungen halten.
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