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Arbeit und Vergnügen. Auf dem Werderander Wachtelberg konnten am Wochenende Hobbywinzer von Manfred Lindicke bei einem Weinseminar Wissenswertes zur Weinherstellung erfahren.
© Manfred Thomas

Weingut Lindicke in Werder (Havel): Jetzt beginnt die Genießerzeit

Auf dem Weingut Lindicke in Werder wird wieder Federweißer ausgeschenkt – und zum Fachsimpeln über Weinanbau geladen.

Werder (Havel) - Das Land blüht einem buchstäblich entgegen, wenn man nach Werder kommt. Über den Gartenzäunen wölben sich Blütenreigen und oben auf dem Wachtelberg, rund sechzig Meter über der Stadt, beginnt jetzt die Genießerzeit. Am Wochenende wurde in der Straußenwirtschaft des Weingutes Lindicke wieder Federweißer ausgeschenkt. Von der Terrasse geht der Blick hinunter auf die grünen Rebenreihen, so akkurat aneinander gereiht wie ein Strickmuster.

Schnipp, schnapp – ein bisschen Traubenernte noch für den Fotografen, dazwischen darf genascht werden. Den Unterschied zwischen Discounter-Angeboten und den Trauben vom Wachtelberg schmeckt man sofort: Die Früchte aus Werder, wenn auch manche kleiner sind, schmecken aromatischer. Das haben wohl inzwischen auch die Dachse aus der Umgebung bemerkt, die sich dort nachts an den Beeren laben.

Schädlinge und Krankheiten hat der Rebstock viele. Das war neben der Rebenverarbeitung auch Thema des Seminars, zu dem der Verein zur Förderung des historischen Weinbaus im Raum Werder (Havel) e.V. interessierte Hobbywinzer am Samstagmorgen eingeladen hatte. Die Hausweinbereitung hat in Werder eine über hundertjährige Tradition, meist geht es dabei um Obstweine. Doch die Zahl der Freunde der Weinrebe wächst beständig – und auch das ist eine Werderaner Geschichte, wenn auch eine ältere, beinahe in Vergessenheit geratene. Die Tradition der Werderaner Winzer geht auf die Zisterziensermönche zurück, die vor mehr als 700 Jahren die Traumlage und das milde Klima rund um den Wachtelberg erkannten. 1996 übernahm der promovierte Gartenbauingenieur Manfred Lindicke den Weinberg. Mit 6,2 Hektar ist es Brandenburgs größte Rebfläche, zu der noch eine von etwa 1,4 Hektar auf dem Galgenberg hinzukommt und auch drei Hektar auf dem Phöbener Wachtelberg zählen zur Werderaner Weinlage.

Die zehn Hobbywinzer, die am Samstag an besagtem Seminar teilnehmen, sind Enthusiasten, die oftmals mit nur wenigen Weinstöcken angefangen haben. Er habe drei Weinstöcke, erzählt ein älterer Herr, der sich im Seminar viele Notizen macht. „Sechs Flaschen Rotwein habe ich im letzten Jahr abfüllen können“, berichtet er stolz. Ein Hobbywinzer aus Geltow hat dagegen schon 99 Rebstöcke – zwei Weinflaschen hat er als Kostprobe mitgebracht. Mit seinem Rotwein ist er noch nicht zufrieden. Lindicke erkennt schon am Duft, was dem Wein fehlt. Aber erst nach einer Probe ist er sicher: Der Wein wurde zu wenig geschwefelt.

Die Hobbywinzer eint, dass ihre Begeisterung mit der Erfahrung wächst – und natürlich mit dem eigenen Wein, den man Freunden präsentieren kann. Das Wetter hat ihnen jedoch in diesem Jahr einiges abverlangt. Zuerst der späte Frosteinbruch, dann der Regen im Juli und mit den Wassermengen kam der Mehltau. „Leider hat der Mehltau auch Sorten befallen, die sonst resistent gegen den Pilzbefall sind“, stellt Manfred Lindicke gleich zu Seminarbeginn klar. Völlig resistente Reben gebe es nicht, weiß der erfahrene Winzer, einige Sorten seien eben nur minder anfällig. Alternativ gebe es zwar hartschalige Beeren, „aber die schmecken einfach nicht“.

Dann erläutert Lindicke den Unterschied zwischen echtem und falschem Mehltau. Beim echten Mehltau seien im Herbst dann alle grünen Teile zunehmend mit einem weißgrauen Belag überzogen und die Beeren platzen auf. Der Pilz ließe sich einmal vor und einmal nach der Blüte mit Pflanzenschutzmitteln abtöten, erklärt Lindicke. Um sicherzugehen, sollten zwei Mittel kombiniert werden, rät er. Ein Frühwarnsystem können Rosenstöcke in unmittelbarer Nachbarschaft zu Weinstöcken sein. Weil Rosen gegenüber Mehltau noch empfindlicher sind als Reben, dienen sie vielen Winzern als Indikator. Auch auf dem Wachtelberg leuchten rote Blüten.

So wie Lindicke hoffen nun auch die Hobbywinzer auf einen milden Herbst. „22 bis 23 Grad würden reichen, nur trocken muss es bleiben“. Von der morgendlichen Traubenlese wurde nach dem Pressen das Mostgewicht der Maische ermittelt. Dabei muss der Winzer darauf achten, dass die Kerne beim Pressen nicht zerquetscht werden, sonst geben sie Tannine ab, was dem späteren Wein eine bittere Note verleiht. Die Mostwaage ermittelte die Süße der Trauben mit einem Oechslegrad von 78. Anschließend erläutert Lindicke das Refraktometer, mit dem das Messen einfacher ist, weil man nur etwas Most auf das Prisma aufzuträufeln braucht und mit dem Auge durch das Okular das Ergebnis auf einer Skala ablesen kann. Ab einem Oechslegrad von 75 sind Trauben für Federweißer und Wein geeignet. Für Kostproben des Saisonproduktes stand bereits ein Ballon Federweißer auf dem Tisch der Seminarteilnehmer. Dass der Federweißer als flüchtiges Produkt gilt, bestätigt sich bei der abschließenden Kostprobe: Das schäumende Getränk im Ballon nimmt schnell ab, während die Teilnehmer ringsum fachsimpeln. Zwar enthält Federweißer weniger Alkohol als Wein, doch wegen der hohen Kohlensäure geht er schneller ins Blut. Zudem gärt er im Körper weiter, enthält aber viel Vitamin B1 und B2. Das sei für Haut und Haar eine regelrechte Kur, schwören viele. Federweißer hat also nicht nur berauschende, sondern auch entschlackende Wirkung.

Kirsten Graulich

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