Glindow: Früheres Krankenhaus vor dem Abriss
Glindower sind verärgert, dass die historische Jahnsche Villa Seniorenwohnungen weichen soll. Der Abriss erfolgt nur kurz nach der Sanierung. Was genau gebaut wird, ist unklar.
Glindow - Herausgerissene Dielen und Fenster, davor große grüne Baucontainer: Seit Anfang dieser Woche nimmt der Abriss der Jahnschen Villa in Glindow immer deutlichere Formen an. Einer der letzten ortsprägenden Bauten soll weichen, um Platz für barrierefreie Wohnungen für Senioren zu machen.
Vielen Glindowern geht das zu weit: „Der Bau ist nicht nur von der Optik, sondern auch von seiner Geschichte her ortsprägend“, sagt Uwe Gloger. Er lebt in direkter Nachbarschaft zur Villa am Jahnufer. Er weiß um die Filetlage des Ensembles mit Blick auf den Glindower See. Und weiß, wie teuer man dort Wohnraum anbieten kann. Gloger ist nicht der einzige Anwohner aus dem Kietz – so heißt der alte Ortskern unterhalb der Glindower Kirche –, der sich Sorgen macht. Doch noch wüssten zu wenige Glindower vom Abriss des Gebäudes.
Im verwinkelten Haus mit dem auffälligen Turm wurden Kinder zur Welt gebracht, Wunden zusammengenäht, Förderschüler unterrichtet – zuletzt lebten dort polnische Bauarbeiter zur Untermiete. Die wechselvolle Geschichte der Villa begann mit dem Testament von Luise Jahn. Die 1824 geborene Tochter einer reichen Glindower Familie blieb unverheiratet und ohne Kinder. Sie kannte die armen Verhältnisse der Ziegeleiarbeiter im Ort und ihrer Familien und wollte ihr Erbe für wohltätige Zwecke einsetzen. So entstand nach ihrem Tod die Jahnsche Stiftung mit dem Ziel, ein Krankenhaus in Glindow zu erbauen. Das entstand 1920 auf einem Grundstück direkt am Plessower See und sollte vor allem der Versorgung bedürftiger Glindower dienen. Sechs Jahre später wurde mit dem Geld aus der Stiftung ein weiteres Gebäude gegenüber der Jahnschen Villa gekauft, dort entstand eine Entbindungsstation. 1963 wurde das Krankenhaus geschlossen. Bis 2002 wurden in der Villa körperbehinderte Kinder unterrichtet. Die Geschichte hat der Heimatverein dokumentiert.
Baubehörde des Landkreises gegen Glindower Ortsbeirat
Uwe Gloger läuft mit einer Nachbarin und seiner Partnerin am kleinen Büdnerhaus des Heimatvereins vorbei. Alle drei Kietz-Bewohner ärgert es, dass sie vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wen man auch frage, es gebe keine Auskünfte, so der Vorwurf. Wer im Werderaner Bauamt nachhake, der wird auf das Geoportal der Stadt verwiesen, berichtet Anwohnerin Julia Winter. Doch dort erkenne man weder, wie viele Wohnungen geplant, noch wie viele Geschosse genehmigt worden sind.
Grünes Licht für den Abriss und den Neubau hat die Baubehörde des Landkreises gegeben. Der Glindower Ortsbeirat hat sich gegen das Bauvorhaben ausgesprochen. Ortschef Sigmar Wilhelm (Freie Bürger) ist enttäuscht, dass der Investor sich bedeckt hält. In der jüngsten Stadtverordnetensitzung forderte er die Stadtverwaltung auf, den Investor einzuladen, damit er sein Vorhaben öffentlich vorstelle. Die Antwort von Werders 1. Beigeordnetem Christian Große (CDU) fiel kurz aus: Die Stadtverwaltung bedauere den Abriss zwar, aber es gebe keine Handhabe, den Investor einzuladen. Es handele sich um ein privatrechtliches Vorhaben, die Stadt könne niemanden zwingen.
Laut dem Verwalter der Stiftung, dem Berliner Rechtsanwalt Klaus-Dieter Geisler, will die HS Immobilien & Handels GmbH die neuen Wohnungen bauen. Seit 2013 besteht mit ihr ein Erbbaupachtvertrag, der auch die Auflage enthält, das Gebäude zeitgemäß zu sanieren.
„Es sind zum Teil dieselben, die vor rund vier Jahren die Villa aufwendig saniert haben und jetzt abreißen müssen“
Tatsächlich macht die Villa von außen einen guten Eindruck. Das ärgert den Glindower Uwe Gloger noch mehr. Er habe sich mit den Bauarbeitern unterhalten: „Es sind zum Teil dieselben, die vor rund vier Jahren die Villa aufwendig saniert haben und jetzt abreißen müssen.“ Das sei doch absurd.
Die Frage, warum erst aufwendig saniert wurde um dann abzureißen, wollte die HS Immobilien & Handels GmbH am Mittwoch gegenüber den PNN nicht beantworten. Auch zu ihren Plänen wollte sie keine Auskunft geben. Laut Sigmar Wilhelm würde der Bau von Seniorenwohnungen dem Stiftungszweck zumindest nicht entgegenstehen. Der Ortsbeirat forderte aber eine angepasste Bebauung und den Erhalt der Silhouette und des Turmes. Die Kritik an dem Projekt ist nicht neu: Vor zwei Jahren gab es bereits eine Petition mit zahlreichen Unterschriften, so Wilhelm. Der Ortschef habe sich daraufhin mit dem Werderaner Bauamtsleiter und dem Investor vor Ort getroffen – doch Wilhelms Forderungen, die dem Wunsch vieler Glindower entsprachen, verhallten offenbar. Auch er kenne keine genauen Pläne.
Die Glindower am Jahnufer wollen sich nun wehren: „Wir wollen im Werderaner Bauamt die Telefonleitungen heißlaufen lassen“, kündigte Gloger an. Irgendjemand müsse doch Bescheid wissen und zu den Plänen etwas sagen können. Noch einmal negativ überrascht werden wollen die Anwohner nicht. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Villa entstehen derzeit mehrere Viergeschosser, der Kontrast zur alten Kietz-Bebauung sei schon extrem genug. Mehr davon bräuchte man nicht, so Gloger.
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