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Vom Potsdam Hauptbahnhof zum Potsdamer Platz: Fahrrad kontra Schiene

Berliner CDU will Stammbahntrasse zum Radweg machen. Bürgerinitiative hat damit ein Problem

Kleinmachnow / Berlin - Vom Potsdamer Hauptbahnhof auf neuen Gleisen in einer halben Stunde am Potsdamer Platz, mit Halts in Kleinmachnow, Zehlendorf, Steglitz und Schöneberg? Der Traum einer neuen Stammbahn könnte bald ausgeträumt sein: In Berlin wird diskutiert, einen Teil der stillgelegten Strecke für einen Schnellradweg zu nutzen. So macht der CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf eine ganz andere Rechnung auf: In einer guten halben Stunde könnte man vom S-Bahnhof Zehlendorf auf einer Fahrradautobahn am Potsdamer Platz sein.

Vorgestellt wurden die Pläne in dieser Woche von Justizsenator Thomas Heilmann und dessen CDU-Kreisverband in Steglitz-Zehlendorf. Auf der alten Stammbahntrasse soll einem „Biking-Konzept“ des Kreisverbandes zufolge ein Expressweg für Fahrradfahrer entstehen. „Wir sind davon überzeugt, dass das bis 2020 umsetzbar ist“, sagte Heilmann, der Kreisverbandsvorsitzender der CDU Steglitz-Zehlendorf ist.

Er erhofft sich von dem Zweiradschnellweg vor allem eine Entlastung der parallel zur Stammbahn fahrenden S1 zwischen Wannsee und Oranienburg. Unterstützt wird die Idee vom Bundestagsabgeordneten des Bezirks, Karl-Georg Wellmann (CDU), der sich über eine Alternative zur Bahn freuen würde: „Gerade im Sommer ist die Zugfahrt in die Innenstadt unzumutbar.“ Die Züge haben keine Klimaanlage und fahren nicht mit maximaler Waggonzahl, für Pendler eine schweißtreibende Angelegenheit.

Ähnliche Ideen hatte das „Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel“ vor einigen Tagen vorgestellt. Von der SPD- Fraktion Tempelhof- Schöneberg wurden sie begrüßt, sie hofft sogar auf eine Verlängerung bis Potsdam. Die Deutsche Bahn als Eigentümerin der Trasse hält sich zwar noch zurück, allerdings werden deren Verantwortliche wohl darauf achten, ob die Planspiele tatsächlich eine spätere Wiederaufnahme des Bahnverkehrs auf der ersten preußischen Eisenbahnstrecke zulassen, wie es die Urheber der Idee behaupten.

Bei der Bürgerinitiative Stammbahn in Kleinmachnow ist man da skeptisch. „Das wäre eine ganz unglückliche Konkurrenz von Verkehrsträgern, die beide eher umweltfreundlich sind“, sagte Initiativen-Sprecher Jens Klocksin den PNN. Dass ein solcher Vorschlag ausgerechnet von einem Berliner CDU-Kreisverband kommt, der sich bislang vehement für die Wiederbelebung der Stammbahn eingesetzt hat, habe ihn überrascht.

Klocksin kommt es vor, „als wenn man mit der Fahrradautobahn auf einen gewissen Hype aufspringen will“. Dass ein solcher Radweg – einmal in Betrieb genommen – jemals wieder zurückgebaut wird, glaubt er Initiativensprecher nicht, der bis vor sechs Jahren als Verkehrspolitischer Sprecher der SPD im Brandenburger Landtag saß.

Die Trasse der 1838 eingerichteten Bahnlinie, dem „Stamm“ des preußischen Eisenbahnnetzes, ist zwischen S-Bahnhof Zehlendorf und Bahnhof Griebnitzsee bis heute frei, teilweise auch der weitere Streckenverlauf. Für Klocksin und seine Initiative ist die Stammbahn als zentrale Achse zwischen Potsdam, Teltow und Berlin ein wichtiges, fehlendes Glied im Gleisnetz südwestlich von Berlin. „Selbst wenn wir es in den nächsten fünf Jahren nicht packen, ist die Wiederbelebung eine Option, die wir kommenden Generationen nicht verbauen sollten“, warnt er.

Für Brandenburgs Infrastrukturministerium kommt die Debatte zur Unzeit. Grundsätzlich sei man aufgeschlossen für Diskussionen, wie man den Radverkehr nach vorn bringt, so Ministeriumssprecher Steffen Streu auf Anfrage. Da die Landesregierung gerade die Nachfrageentwicklung im Schienenverkehr und den Bau neuer Schienentrassen vom Umland nach Berlin prüft, sei es aber „zu früh, über Radwege auf der Stammbahn nachzudenken“. Nächstes Jahr soll ein neuer Entwurf für den Landesnahverkehrsplan vorliegen. Geprüft wird dafür neben der Stammbahn bekanntlich auch die S-Bahnverlängerung von Teltow nach Stahnsdorf, Kleinmachnow und Wannsee.

Kritisch sieht die CDU-Pläne auch der Berliner SPD-Fachausschuss für Mobilität, der für den Landesparteitag im November beantragt hat, „eine Nutzung der Trasse der Berlin-Potsdamer Stammbahn als Fahrradroute, weitere temporäre Fremdnutzungen und eine dauerhafte Bebauung“ zu verhindern und kurzfristig eine Kosten-Nutzenanalyse für die Reanimation der Strecke durchzuführen.

Die derzeitige Sperrung der Stadtbahn zeige, wie wichtig alternative Trassen sind, wie es im Antrag heißt. „Die Stammbahn eröffnet zusätzliche konzeptionelle Optionen im Knoten Berlin und schafft zukünftig weitere Kapazitäten in einem Engpassbereich zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg.“

Die Stammbahn-Bürgerinitiative lädt am morgigen Sonntag zu ihrer jährlichen Radtour auf der Stammbahntrasse von Düppel bis Griebnitzsee ein. Treffpunkt für die zweistündige Tour, die von Barbara Sahlmann geführt wird, ist um 13 Uhr der Adam-Kuckhoff-Platz in Kleinmachnow.

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