Kleinmachnow: Erinnerung an ein Opfer der Euthanasie
In Kleinmachnow wird am Mittwoch der 23. Stolperstein in Erinnerung an Elisabeth Willkomm verlegt. Vermutlich ist es der letzte Stolperstein in Kleinmachnow.
Kleinmachnow - Elisabeth Willkomm ist 29 Jahre alt, als sie wegen einer Depression im Jahr 1942 in eine Berliner Nervenklinik eingeliefert wird. Der Kleinmachnowerin kann dort nicht geholfen werden, wie die Ärzte nach einer Woche feststellen. Sie überweisen Elisabeth Willkomm in die Landesanstalt nach Neuruppin. Vier Tage später ist sie tot. „Auf dem Totenschein stand Herzmuskelschwäche, aber es kann als sicher gelten, dass Elisabeth Willkomm Opfer der Euthanasie der Nationalsozialisten wurde“, sagt Martin Bindemann, Vorsitzender der Projektgruppe Stolpersteine. Vor dem früheren Grundstück der Willkomms am Zehlendorfer Damm 71 wird am Mittwoch um 16 Uhr ein Stolperstein in Erinnerung an Elisabeth verlegt.
Neuruppin sei eine „klassische Endstation“ im Euthanasieprogramm gewesen, die Kranken seien für Experimente etwa mit Medikamenten missbraucht worden. „Es ist besonders tragisch, wenn man bedenkt, dass die Eltern ihrem Kind ja nur etwas Gutes tun wollten, als sie es in die Berliner Klinik brachten“, so Bindemann. Elf Jahre zuvor war Elisabeth schon einmal erkrankt. Die Geschwister – 13 Brüder und Schwestern leben mit Elisabeth und ihren Eltern im Haus – sprechen von Schwermut und Melancholie, der Vater nennt es die „böse Krankheit“. Elisabeth wird in einer Klinik in Nikolassee behandelt, die Beschwerden verschwinden zunächst.
Das Schicksal von Elisabeth Willkomm haben die Familienangehörigen – Enkel der Geschwister von Liesel, wie sie in der Familie genannt wurde, erforscht. „Es war das erste Mal, dass Angehörige mit der Lebensgeschichte eines Opfers auf uns zukommen und uns fragen, ob nicht ein Stolperstein zur Erinnerung verlegt werden kann“, so Martin Bindemann. Die acht Mitglieder der Projektgruppe haben aber in Archiven die Lebensstationen von Elisabeth Willkomm noch einmal überprüft. Ihr Stein ist der 23., den die Gruppe in Kleinmachnow seit 2008 verlegt. In die zehn Zentimeter große Messingplatte sind Geburts- und Sterbedaten und der Tag der Deportation eingraviert. Der in Köln lebende Künstler Gunter Demnig, Initiator des europaweiten Projekts, hat seit 1993 mehr als 30.000 Stolpersteine in 21 Ländern verlegt, um an die Opfer der NS-Zeit zu erinnern.
Gäste aus aller Welt
Demnig selbst wird den Stein am 20. Februar 2019 setzen. Martin Bindemann rechnet mit etwa 40 Gästen allein aus der Familie, die sich vor dem Grundstück treffen werden. Einige reisten extra aus den USA an. „Sie verbringen den ganzen Tag in Kleinmachnow“, so Bindemann. So will die Gruppe auch das Familiengrab auf dem Waldfriedhof, in dem Elisabeth begraben ist, besuchen und die Statue, die die Stolperstein-Projektgruppe auf dem Margarete-Sommer-Platz in Gedenken an Helfer der Verfolgten des Nationalsozialismus hat aufstellen lassen.
Martin und Emely Willkomm, die Eltern von Elisabeth, waren 1924 aus dem Elsaß nach Kleinmachnow gezogen, in das frühere kaiserliche Seemannserholungsheim am Zehlendorfer Damm. Ihr Wohnhaus wurde in den 1990er Jahren abgerissen. 2011 hatte wie berichtet der Rapper Bushido das Grundstück gekauft, auf dem nun seine Villa und die des Berliner Clanchefs Arafat Abou-Chaker stehen. Links neben das Tor zum Grundstück wird der Stein gesetzt, die Kommune habe den Ort laut Bindemann festgelegt. „Ich habe allen Bewohnern des Grundstücks vorher einen Zettel mit den Informationen zugeschickt und meine Kontaktdaten für Rückfragen“, so Bindemann. Gemeldet habe sich aber niemand.
Nur wenige Meter vom früheren Anwesen der Familie Willkomm entfernt liegt am Zehlendorfer Damm 90 bereits ein Stolperstein, der an Friedrich Siegfried Daus erinnert. Er wurde im Alter von 68 Jahren nach Theresienstadt deportiert, da er nach Rassegesetzen der Nazis als Jude galt, obwohl er offiziell evangelisch war.
Martin Bindemann, der in Teltow als Diakon arbeitet, glaubt, dass der Stolperstein vor Bushidos Grundstück einer der letzten in Kleinmachnow sein wird. „Wir haben die Geschichte der Opfer in Kleinmachnow inzwischen ausrecherchiert.“ Der Ort hatte im Dritten Reich etwa 13.000 Einwohner, da seien 23 bekannte Opfer ohnehin schon eine hohe Zahl. „Natürlich kann es noch vorkommen, dass Familien selbst Spuren der Vertreibung aus Kleinmachnow finden. Dann nehmen wir das gern auf“, so der 48-Jährige.
Ansonsten werde sich die Stolperstein-Projektgruppe künftig mit den Menschen beschäftigen, die bis 1945 aus Kleinmachnow geflohen sind. „Wir wollen erforschen, was der Ort dadurch verloren hat“, so Bindemann. Dazu werde man nun Melderegister von 1930 und 1945 vergleichen und prüfen, ob die Menschen ins Ausland geflohen sind. Wann mit Ergebnissen zu rechnen ist, ist noch offen.
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