Steffen Schroeder hilft dem Norberthaus: Engagement für Menschen mit Behinderung
Schauspieler Steffen Schroeder über das Michendorfer Norberthaus und den Umgang mit Behinderten.
Herr Schroeder, zur Eröffnung der neuen Tagesbetreuung im Michendorfer Haus Sankt Norbert, einer Betreuungseinrichtung für Menschen mit Behinderung, leiten Sie die Auktion. Wie ist es zu der ehrenamtlichen Zusammenarbeit gekommen?
Ich wurde vor drei Jahren angesprochen, ob ich Lust hätte, in Michendorf die Auktion mit von den Bewohnern gemalten Bildern zu leiten. Es gab anscheinend Bewohner, die mich gern im Fernsehen sehen. Das fand ich sofort eine tolle Idee. Als Jugendlicher habe ich selber in einer kirchlichen Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Behinderung gearbeitet. Mir hat das damals sehr viel Spaß gemacht und ich habe von den vorwiegend geistig behinderten Menschen dort viel gelernt.
Was zum Beispiel?
Sie waren alle sehr liebevoll und großherzig im Umgang miteinander. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen, die vielleicht körperlich oder geistig beeinträchtigt sind, auf einer sozialen Ebene aber oft viel mehr Kompetenzen haben als wir anderen Menschen. Ich hatte auch als Kind in München einen guten Freund mit geistiger Behinderung. Es ist unglaublich, wie viel Liebe diese Menschen mitbringen. Auch auf der Versteigerung ist es so, dass sich alle freuen, wenn für ein Bild mehr Geld ersteigert wird als für ein anderes. Da ist keiner vom Wettbewerb gesteuert, der beste sein zu müssen.
Eröffnet wird in Michendorf eine sogenannte Tagesstruktur. Was kann man sich darunter vorstellen?
Die Bewohner wohnen in Gebäuden rundherum. Die Tagesstruktur dient dazu, denen, die nicht selbstständig in eine Werkstatt für behinderte Menschen fahren können, eine umfassende Förderung zu bieten. Es gibt eine Mal-AG, in der auch die Bilder entstehen. Daneben wird viel mit Holz gearbeitet. Es werden Vogelhäuschen gebastelt oder Adventsschmuck. Die Hauptaufgabe besteht darin, den Menschen beizubringen, einen großen Teil des Tagesablaufes selbst zu schaffen. Sich etwa selbst zu waschen, allein auf Toilette zu gehen oder sich vielleicht sogar zwei Brötchen beim Bäcker zu holen. Es ist der Weg zu etwas Selbstständigkeit.
Wie läuft die Versteigerung ab?
Das letzte Mal haben wir etwa 30 Bilder versteigert, das Startgebot liegt bei fünf Euro. Dieses Mal werden aber auch einige Reden gehalten, unter anderem von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Damit die Veranstaltung nicht zu lang wird, werden wir nur ein gutes Dutzend Bilder versteigern. Der Erlös soll in neue Gartenmöbel für das neue Haus investiert werden.
Was macht für Sie das Besondere in der Zusammenarbeit mit behinderten Menschen aus?
Mich beschäftigt in letzter Zeit oft eine eigenartige Doppelmoral, die in unserer Gesellschaft geführt wird. Auf der einen Seite wird ein riesiges Fass aufgemacht, was Begrifflichkeiten angeht: Sage ich jetzt behindert oder beeinträchtigt? Wenn man da den falschen Begriff wählt, wird man an den Rand gestellt. Und auf der anderen Seite ist es überhaupt kein Thema, dass die Krankenkassen Nackenfaltenuntersuchungen bezahlen, mit denen man feststellen kann, ob ein Baby im Mutterleib Down-Syndrom hat oder nicht, damit man gegebenenfalls noch abtreiben kann. Das sind Dinge, die ich sehr erschreckend finde.
Haben Sie das Gefühl, dass der Umgang der Gesellschaft mit behinderten Menschen inzwischen anders ist als in ihrer Kindheit?
Ich habe schon als Kind erlebt, dass es immer ein Spagat war zwischen den einen, die einen Behinderten gehänselt haben, und den anderen, die verschämt zur Seite schauen. Ich habe selten erlebt, dass man einfach ganz normal damit umgeht.
Was heißt das denn, ganz normal?
Dass man mit ihnen umgeht wie mit allen anderen Menschen auch. Letztens stand ich zum Beispiel am Berliner Hauptbahnhof nach einem langen anstrengenden Tag. Dann kam ein junger Mann mit Down Syndrom, hat gewunken, gestrahlt, mich angelacht und begrüßt. Das hat mich irrsinnig berührt. Das war das erste Mal, dass mir an dem Tag jemand so fröhlich lachend ins Gesicht geschaut hat. Ich habe mich für seine Freundlichkeit bedankt, er grinste und zog weiter, den Schaffner begrüßen.
Sie haben selbst drei Söhne. Denkt man da manchmal, was gewesen wäre, wenn sie nicht gesund wären?
Wir haben damals ganz bewusst keine Nackenfaltenuntersuchung gemacht. Aber es ist natürlich noch einmal was anderes, wenn einen das so unmittelbar betrifft. Es ist anmaßend zu sagen, was passieren würde, wenn man es nicht selbst erlebt. Bei meinem Jugendfreund habe ich gemerkt, dass das Leben für ihn schwieriger war. Das ging bei Hänseleien los. Früher war es sicher auch extremer, dass Kinder unter Verschluss gehalten wurden, weil die Eltern sich für sie geschämt haben. Aber auch heute noch gibt es dieses Phänomen, wie mir die Leiterin des St. Norberthauses erst bestätigt hat. Das sagt viel über unsere Gesellschaft aus, denke ich.
In den nächsten Tagen sind sie bei Dreharbeiten von Soko-Leipzig, wo sie den Polizeioberkommissar Tom Kowalski verkörpern. Von dort kommen sie direkt nach Michendorf. Nebenbei sind sie noch im Weißen Ring und ehrenamtlicher Vollzugshelfer. Wie bekommen Sie das unter einen Hut?
Da komme ich ehrlich gesagt so langsam an meine Grenzen. Am Wochenende war auch erst die Gala für Ein Herz für Kinder, einen Tag nach der Versteigerung in Michendorf bin ich dann noch Kellner bei Frank Zanders Gala für Obdachlose. Ich bin zwar jemand, der sicher gern und viel arbeitet. Aber ich freue mich auch sehr, dass ich mit meiner Familie zwischen den Jahren mal an die Ostsee fahre, um zu entspannen.