KulTOUR: Bilder aus der Ewigkeit
Russische Kunst im Atelier „Irinas Botschaft“
Werder (Havel) - Das Atelier „Irinas Botschaft“ auf dem Werderschen Inselmarkt wird es nicht mehr lange geben; manchmal hat ein Vermieter anderes vor. Doch gemach, Irina Fedorova, Spezialistin für russische Ikonenmalerei, fürs Malen und Botschaften zwischen Russland und Deutschland, bleibt Werder erhalten. Der Umzug ins neue Atelier „An der B1 Nr. 10“ in Plessow steht unmittelbar bevor. Insofern hat die aktuelle Verkaufsausstellung mit eigenen und Werken zweier russischer Maler am Markt heute bereits Geschichte.
Sie versteht sich als Teil eines anspruchsvollen gemeinsamen Projektes der Werderschen Künstlerschaft mit der sibirischen Malzunft in Krasnojarsk, eines der drei Kunstzentren Russlands; die anderen sind Moskau und St. Petersburg. Es gab bereits einige Aktivitäten, Besuche nach dort, sogar eine Gastprofessur. Im Gegenzug gelang es Irina Fedorova, mit Sergej Gorbatko einen bekannten Mal-Professor aus Krasnojarsk nach Werder zu holen. Er war schon vor zwei Jahren hier, malte die Inselgassen, die es ihm ob ihrer „aufbauenden“ und romantischen Struktur sogleich angetan hatten. Russen sind immer irgendwie „romantisch“. Seine Bilder entsprechend, sehr schön und wirklichkeitsnah.
Zwischen ihm, und dem Dritten, Irina Fedorovas Arbeiten, Liebeserklärungen an Werder. Zum Beispiel drei Bilder mit dreimal unifarbenen Weintrauben, ein schönbunter Apfel mit Werders Silhouette darin, oder „Sünde und goldene Schuhe“ von ganz anderer Art, oft setzt sie sich ja selbst mit ins Bild. Hier ist ein Rückenakt, um den herum symbolische Spielkarten samt deren Bewohner lüstern lungern. Der Kreuz-König ist groß im Bild. Surrealistische Anmutungen also, eine Prise Bosch – nicht schlecht für das Voranschreiten ihrer Art Kunst.
Und dann einer, den man hierzulande sträflicherweise nicht kennt, Igor Lazarev. 1962 nahe Moskau geboren, absolvierte er das berühmte Stroganov Art College der sowjetischen Hauptstadt, ging später nach Norwegen, wo er eine Weltkarriere begann und ob des Porträts einer Prinzessin einen Dankesbrief vom Norwegerkönig bekam. Irina Fedorova übernimmt nun die Generalvertretung seiner Bilder für Deutschland von Plessow aus, auch das ein „Botschafter-Effekt“.
Lazarew nun ist ein Könner, ein hervorragender Porträtist wie alle Russen seiner Art, aber ein malender Poet wie kein anderer. Er kennt sich in der europäisch-nordischen Mythen- und Märchenwelt bestens aus, schafft zum Erschrecken schöne Bild-Situationen mit Gänsehaut-Effekt, beim „Kuss der Sphinx“ etwa, wo sich links die Ruinen der Vergangenheit türmen, rechts das Gelände zu brennen beginnt und die Lippen des Wesens dem Menschen schon nahe sind; trotzdem wieder ein Kuss? Erotische Träume in lasziv-pastellenen Ölbildern mit unfassbar schönen Menschen und nicht zu ergründenden Tiefen. Allegorien wie „Der Synoptiker“. Hieronymus Bosch nicht zitiert, er wird genutzt, fast die gesamte Bildkunst-Geschichte, besonders die Renaissance. Für diese unfassbare, doch gut zu erfühlende Malerei könnte man fast die gesamte Moderne in die Ecke stellen. „Symbolismus“ erfasste es mitnichten, die Seele schon, so weit es ein jeder versteht. Tod und Leben, Schönheit und Fall, Animalisches und Menschliches, Schwebendes und Festes, Wirklichkeit und Traum, Zeit und ihr Gegenteil, Archaik und Jetzt. Hier klopft die Ewigkeit selbst an die Tür mit der Schönheit ihres eigenen Seins. Wenn die Gänsehaut kommt beim Betrachten, dann weiß man, der eigene Körper lügt doch wohl nicht. Gerold Paul
Ausstellung in der Galerie „Irinas Botschaft“, Lindenstraße 5, in Werder (Havel), geöffnet noch bis 30. November donnerstags sowie samstags und sonntags von 13 bis 18 Uhr
Gerold Paul
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