Vor der Stadtverordnetenversammlung: 700 Menschen demonstrieren gegen Baumblüten-Absage
Mehrere Hundert Werderaner haben am Donnerstagnachmittag gegen die Absage des Baumblütenfests demonstriert. Auch in der Stadtverordnetenversammlung ist das Fest zurzeit Thema.
Werder (Havel) - Eine Bühne, auf der Wederaner Schunkellieder gesungen werden, Trommeln und Rasseln, Miniatur-Riesenräder, Trecker, Bollerwagen und hunderte Menschen mit Plakaten und Bannern: Wie ein kleines "Baumblütenfest light" wirkte die Demonstration gegen die Absage des Baumblütenfestes am Donnerstagnachmittag, zu der Obstbauer Michael Schultz vom Schultzens Siedlerhof in Elisabethhöhe aufgerufen hatte. Rund 700 Teilnehmer waren dem Aufruf gefolgt und hörten bei warmem Apfelsaft den Forderungen der Redner zu.
Wie berichtet hatte Schultz die Demonstration vor dem Schützenhaus organisiert, nachdem die Stadt Werder (Havel) am Dienstag vor einer Woche das Baumblütenfest zumindest für 2020 abgesagt hatte. Das Rathaus hatte eigenen Angaben zufolge kein passendes Angebot von einem Veranstalter für das Fest erhalten. Mit dem bisherigen Veranstalter, der Wohlthat Entertainment GmbH, konnte die Stadt sich nicht über die Konditionen einigen.
An der Regattastrecke, an der sonst die große Bühne der Baumblüte aufgebaut ist, sprach Schultz davon, wie viel Frust die Absage des Festes bei den Obstbauern aber auch den Werderanern ausgelöst hatte. „Wir dachten, dass kann doch gar nicht sein.“ Nach dem spontanen Treffen am Freitagabend auf Schultzes Hof, zu dem mehr als 100 Betroffene und Kritiker der Absage zusammenkamen, hatte es am Mittwoch erneut ein Zusammenkommen gegeben, wie Schultz während der Demonstration erklärte. Bei der Gelegenheit gründeten sie den „Förderkreis der Brauchtumskultur des Werderaner Baumblütenfestes“, wie Patrick Plönnig erklärte. Plönnig, der als Schriftführer und Sprecher beim Föderkreis dabei ist, hat auch die Demonstration angemeldet. „Ich habe eine Demo für 200 Leute angemeldet. Mit so vielen Teilnehmern hatte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet“, erzählt Plönnig.
Der Förderkreis fordert, dass zumindest das Areal zwischen der Bernhard-Kellermann-Straße und der Havel auch im kommenden Jahr zum Rummelplatz mit Schaustellern und Buden werden darf, auch gerne ohne Alkoholausschank. „Wir fordern ein Fest auch für Jugendliche und Kinder, für alle Werderaner.“ Dazu gehöre aber nun einmal auch eine große Bühne. Man wolle das Fest regional, traditionell und vor allem nachhaltig gestalten.
Mit ihren Forderungen reagieren die Akteure der Demonstration auf die Ankündigung von Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU). Wie berichtet hatte sie am Mittwoch nach den Protesten und der Kritik an der Absage mitgeteilt, „das Feiern der Baumblüte in den Höfen und Gärten im Jahr 2020“ unterstützen zu wollen.
Doch der Förderkreis möchte auch im kommenden Jahr eine Baumblüte in der Stadt und nicht nur ein kleines Fest verteilt auf den Höfen. „Wie haben Existenzangst. Wir haben Angst, dass uns das Fest weggenommen wird und in die Stadt Potsdam wandert“, sagt eine Mitarbeiterin des Obsthofes Glindow. Man wolle ein Familienfest mit Platz für die Schausteller.
Wie berichtet hatte Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) ein „umfassendes und fachlich begleitetes Einwohnerbeteiligungsverfahren“ angekündigt, womit das Fest, das in der Vergangenheit unter anderem wegen Drogenkonsum und gewalttätigen Auseinandersetzungen auch in die Kritik geraten war, neu ausgerichtet werden soll. Das Bürgerbeteiligungsverfahren soll laut Bürgermeisterin Saß "gestrafft durchgeführt“ werden, um damit die Neuausrichtung des Festes schneller voran zu treiben und eine Neuausschreibung für ein Baumblütenfest 2021 möglich zu machen. In einem neu überarbeiteten Arbeitspapier für das Beteiligungskonzept, das von der Rathausspitze zur Stadtverordnetenversammlung im Zusammenhang mit einem Antrag zum Beteiligungsverfahren eingereicht wurde, sollen nun die Werderaner zu einer Neuausrichtung befragt werden. Auch der Förderkreis möchte sich an dem Verfahren beteiligen, wie Plönnig erklärt.
Wie wichtig vielen Werderanern die Baumblüte ist, konnte man auf der Demonstration deutlich sehen: Zahlreiche Teilnehmer trugen das schwarze T-Shirt mit der Aufschrift „Unsere Stadt, Unsere Tradition, Baumblüte 2020“, die extra für die Veranstaltung gedruckt wurden. Wie Plönnig sagte, seien die 750 gedruckten Shirts ausverkauft.
Stadtverordnetenversammlung bis auf den letzten Platz voll
Viele der Demonstrations-Teilnehmer nahmen auch an der auf den Protest folgenden Stadtverordnetenversammlung teil. Alle 70 Plätze waren voll besetzt, einige mussten stehen.
Gleich zu Anfang der brisanten Sitzung wurde die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte geändert: Die CDU nahm ihren Antrag zur Konzepterstellung und Bürgerbeteiligung zur Neuausrichtung des Baumblütenfestes zurück, stattdessen wurde über eine Beschlussvorlage von Bürgermeisterin Saß abgestimmt, ein Beteiligungsverfahren zur Baumblüte zu beginnen und ein Pausenjahr mit einzubeziehen. Zuvor wurden aber die Dringlichkeitsanträge aller Fraktionen zur Baumblüte vorgezogen.
Nachdem bereits die SPD-Fraktion einen Dringlichkeitsantrag zur Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag gestellt hatte, in der sie die Verwaltung auffordert, sicherzustellen, dass das Baumblütenfest auch 2020 und 2021 stattfindet, reichte auch die AfD-Fraktion einen ähnlichen Antrag ein. Die Partei fordert von Bürgermeisterin Saß „umfangreiche Maßnahmen“, um weitere Schäden und negative Auswirkungen durch die Absage des Festes abzuwenden und das Fest in den Jahren 2020 und 2021 dennoch möglichst stattfinden zu lassen. So soll die Rathausspitze den gescheiterten Kommunikationsprozess und das Vergabeverfahren offenlegen sowie einen runden Tisch mit Repräsentanten aller Vereine, Bauern, Schausteller, Stadtverwaltung und dem bisherigen Veranstalter einrichten.
Das Gremium soll nach den Forderungen der AfD konsequent an dem Ziel arbeiten, dass die Baumblüte in den Jahren 2020 und 2021 durchgeführt wird. Über die Arbeit des runden Tisches soll Saß darüber hinaus monatlich den Stadtverordneten Rechenschaft ablegen. Bis Juli 2021 fordert die AfD zudem die Ausarbeitung eines neuen Konzeptes für das Baumblütenfest sowie der Rahmenbedingungen für eine Neuausschreibung.
Die Dringlichkeitsanträge von AfD und SPD wurden abgelehnt, die Beschlussvorlage von Bürgermeisterin Saß wurde mit 26 Ja-Stimmen und drei Nein-Stimmen angenommen.