Vorbereitungen für die Hagemeister-Ausstellung: Zu Besuch bei einem Potsdamer Restaurator
Oliver Max Wenske hat fünf Gemälde von Karl Hagemeister restauriert. Seine Erkenntnisse fließen in den Ausstellungskatalog mit ein.
Potsdam - Viel Weiß, darauf verschiedene Farbtupfer – dann ein schwungvoller Strich, der die verschiedenen Farbigkeiten miteinander verschmelzen lässt. So in etwa ging Karl Hagemeister vor. Jede Handbewegung war geübt, für jede Form entschied sich der Werderaner Maler bewusst, für jeden noch so kleinen Klecks. So erzeugen selbst minimale Ausschnitte seiner Ölgemälde Spannung. Vom Bildgegenstand losgelöst, legen sie eine weitere, abstrakte Welt offen. „Man kann sich dem Abenteuer hingeben, die Strukturen auf sich wirken zu lassen“, sagt der Potsdamer Restaurator Oliver Max Wenske. Für die Ausstellung „Karl Hagemeister, das Licht, das ewig wechselt“, die 2020 im Potsdam Museum zu sehen ist, hat er fünf Gemälde aufgearbeitet, ihren Farben zu neuer Strahlkaraft verholfen, sie gleichzeitg konserviert.
Wenn Wenske von seiner Arbeit erzählt, die gut dreieinhalb Monate in Anspruch nahm, ist ihm die Begeisterung sofort anzumerken. Er hat die Malschicht gefestigt, Beulen planiert, die Bildspannung verbessert, Schmutz beseitigt, der sich beim dickem Farbauftrag in die feinen Rillen gelegt hatte, sowie sogenannte „Fehlstellen“ retuschiert. „Es war sehr interessant, nacherleben zu können, was den Maler bewegt hat“, sagt er. Es habe ihn geradezu gefangen genommen.
Für die Schau im nächsten Jahr haben die Museumsdirektorin Jutta Götzmann und die Kuratorin Hendrikje Warms insgesamt 88 Arbeiten ausgesucht, 15 Ölgemälde, zahlreiche Pastelle und Zeichnungen. Viele Arbeiten stammen aus der eigenen Sammlung des Museums, andere sind Leihgaben aus der Berliner Nationalgalerie, dem Kupferstichkabinett und dem Museum Georg Schäfer in Schweinfurt. 10 000 Euro hat der Förderverein des Potsdamer Museums bereits für die Ausstellung gesammelt. Von den Kalendern mit Abbildungen von Hagemeisters Werken, die in 700-facher Ausführung gedruckt wurden, sei schon knapp die Hälfte verkauft worden beziehungsweise liege im Handel, teilte Markus Wicke, Vorsitzender des Vereins, mit. Der Gewinn fließe vollständig in die Schau. „Landschaftsmalerei des deutschen Impressionismus“ lautet ihr Untertitel – obwohl sich Hagemeister eigentlich zwischen Impressionismus und Expressionismus bewege, sagt Wenske: „Karl Hagemeister war ein Freigeist.“
Ein impulsiver Maler
Das sieht man vor allem seinem Bild mit dem Titel „Seedorn an der Steilküste bei Lohme (Rügen)“ von 1915 an. Bei früheren Werken war der Potsdamer Künstler noch auf der Suche, sich beispielsweise fragend, wie er filigrane Details darstellen könnte, damit sie im Pastosen, also im dicken Farbauftrag, nicht untergehen. Doch bei diesem Werk habe er Kleines zusammengefasst, ohne das große Ganze aus dem Blick zu verlieren, so Wenske. Das markante schwarze Astwerk erinnert an Kalligrafie, so präzise sticht es ins Auge. Jeder Strich habe hier auf Anhieb sitzen müssen, schätzt der Restaurator. Gleichzeitig ist die Bewegung des Windes, die Äste und Blätter durchfährt, nahezu spürbar – denn der Himmel im Hintergrund, mit wesentlich breiterem Pinselstrich gemalt, scheint den Baum fest im Griff zu haben. Beide Bildebenen verschwimmen, sie bedingen einander. Man fühlt sich als Betrachter geradezu mitgerissen von der Dynamik im Bild. „Hier merkt man, dass Hagemeister eins war mit der Natur“, sagt der Restaurator. Möglicherweise habe er eine klare Bildidee gehabt, im Atelier entwickelt, und sei dann in die Natur gegangen und habe sich von ihr neu inspirieren lassen. Wissen und Können vereint sich hier also mit einer genauen Naturstudie.
Der Maler habe sich nie in seine Kunst reinreden lassen, sagt Wenske. Während etwa der Maler und Restaurator Max Doerner danach strebte, die Künstler der damaligen Zeit wieder zu traditionellen Maltechniken zurückzuführen, habe sich Hagemeister an keine Regel gehalten. Es musste schnell gehen, er wollte Kunst schaffen. Deswegen nahm er sich, was er hatte, benutzte viel zu dünne Leinwände, bespannte die Rahmen teils mithilfe von Reißzwecken, verursachte dabei Beulen, mit denen er sich aber nicht lang aufhielt. Außerdem malte er vorwiegend draußen, stellte seine Leinwand einfach gegen einen Baum und legte los. Und er verwendete keinen Firnis, hinterließ also keine Schutzschicht. Bei der Restauration habe er sich deswegen, so Wenske, immer wieder die Frage gestellt: Wie viel gehört zum Bild dazu? Was muss bleiben, damit das Freigeistige sichtbar bleibt? Seine Gemälde würden noch heute zeigen, wie impulsiv der Künstler gewesen sein muss.
Ausstellung ab 8. Februar 2020 im Potsdam Museum