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Die passenden Gegenstände für seine Geräusche findet Jörg Klinkenberg durch Zufall.
© Ottmar Winter

Im Studio Babelsberg: Zu Besuch bei einem Geräuschemacher

Jörg Klinkenberg macht seit dreißig Jahren Geräusche für Filme. Am Freitag kann man ihm dabei zusehen - beim Live-Hörspiel „Dracula“ im Potsdamer Waschhaus.

Von Helena Davenport

Ein erster Blick durch das Babelsberger Studio: Sieht so aus, als habe Jörg Klinkenberg gerade einen Trödelladen ausgeraubt. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hingucken soll. In jeder Ecke Schränkchen und Kommödchen, unzähliges Geschirr, halbvolle Bierflaschen, dreiviertelvolle Bierflaschen, Töpfe, Boxen, Decken, Bücher, Holz, sogar eine alte Pistole liegt hier herum und an der Wand lehnt eine Autotür.

Erst beim zweiten Blick fällt auch der große Bildschirm in der Mitte des Raumes auf. Davor hat Klinkenberg drei zu Boden gerichtete Mikrofone platziert. „Die meiste Zeit verbringt man damit, etwas zu suchen“, sagt der Geräuschemacher und setzt sich auf seinen Platz vor die Mikros. Jetzt wird auch klar, warum er zwei verschiedene Schuhe trägt. Vor ihm liegt eine Steinplatte – er nimmt gerade Schritte auf, für die ZDF-Produktion „Tonio und Julia“. Auf dem Bildschirm ist eine Szene der Serie zu sehen. Ein Pfarrer, eine Therapeutin. „So bayerisches Zeug“, sagt Klinkenberg.

Bei Bram Stokers Dracula-Geschichte, die er am Freitag live vor Publikum im Waschhaus vertont, sei dann Holzfußboden gefragt. Wenn der berühmte Graf aus Transsylvanien geht, knarrt und knackt es eben eher. Es ist das erste Mal, dass der Berliner Hörspielverlag Lauscherlounge ein Live-Hörspiel in Potsdam aufführt. Bekannte Synchronstimmen werden zu hören sein, die von George Clooney zum Beispiel.

Beim Dreh werden Schuhe abgeklebt 

Schritte und Bewegung – das seien die Hauptaufgaben eines Geräuschemachers, erklärt Klinkenberg. Beim Dreh würden Schuhe abgeklebt werden, damit sie den Dialog nicht zerstören. Für Tassen gilt dasselbe: Man sieht sie, hört sie aber nicht. Für die Schritte hat der 63-Jährige Säckchen: für kiesige Schritte, für Straßenschritte. Bei letzteren sei Kaffee gut, habe er herausgefunden. Warum kein Sand? Viel zu aggressiv – Quarzkörner seien nicht so harmonisch. Bei Schnee wiederum benutzt er Holzspäne. Das funktioniere auch bei Wald. Ton und Bild müssen gut zusammenspielen.

„Es geht darum, dass man schnell auf etwas reagieren kann.“ Jörg Klinkenberg macht das seit dreißig Jahren. Und wie wird man Geräuschemacher? „Da gibt es dieses Lied von Max Raabe“, sagt er. „Mein Bruder macht im Tonfilm die Geräusche“, singt der deutsche Bariton – so einen Bruder habe er auch. Er begann in derselben Firma. Eigentlich hatte er Informatik studiert, dann überlegte er: „Willst du einer von zehntausend werden, oder einer von zwanzig?“ Bis heute habe er seine Entscheidung nicht bereut. Nach einem halben Jahr Mitlaufen und Lernen, erhielt er eigene Aufträge.

Zurzeit arbeitet Jörg Klinkenberg in einem Babelsberger Studio für Rotor Film.
Zurzeit arbeitet Jörg Klinkenberg in einem Babelsberger Studio für Rotor Film.
© Ottmar Winter

Pistolenschüsse mit dem Rollschuh

Einer der ersten Filme, für dessen deutsche Synchronisation er die Geräusche machte, war der US-amerikanische Thriller „Das Schweigen der Lämmer“. Den ganzen Showdown vertonte er, wie die junge FBI-Agentin Clarice Starling am Ende durch den Keller rennt, mit Nachtsichtgerät, wie sie alles umschmeißt, Türen öffnet, wieder schließt, und wie sie den Mörder am Ende erschießt. Mit der Unterseite eines Rollschuhs könne man Schüsse sehr gut nachahmen, erklärt Klinkenberg und macht es direkt vor, bewegt einen Metallstab zwischen den Rollen hin und her: „Klack, Klack“.

Anfang der Neunziger war das, zehn Jahre lang war er bei der Deutsche Synchron Filmgesellschaft. Seit 1999 arbeitet er als Freiberufler und macht vor allem Primärton, ist also für deutsche Produktionen tätig. Mittlerweile nehme man bei Synchronisationen sowieso kaum noch Geräusche auf, sondern begnüge sich stattdessen mit dem sogenannten Internationalen Tonband – da sind Musik, Atmosphäre und Geräusche drauf. Für Tatorte gebe es die mittlerweile auch.

Sounddesigner und Geräuschemacher arbeiten Hand in Hand

Heute arbeite er natürlich außerdem mit Sounddesignern zusammen, die ausschließlich digital vorgehen. Von letzteren gebe es viele, sagt Klinkenberg und lacht – im Gegensatz zu Geräuschemachern: „Es stöhnen immer alle und sagen: Du musst Leute ausbilden.“ Es gebe auch einige Interessenten, die er als Praktikanten nehmen würde. Aber dann müssten die Produzenten diese auch bezahlen – und das sei schwierig in Zeiten, in denen das Budget für Filme immer schmaler werde. Letztes Jahr hätte er für die „Tonio und Julia“-Folgen zwei Tage bekommen, in diesem Jahr seien es eineinhalb.

Staudensellerie für den Knack-Effekt

Mit zuknallenden Türen habe er sich ganz zu Anfang beschäftigt, später wurde es komplizierter, erzählt er. Da musste er Köpfe abschlagen und Herzen herausreißen. Lediglich zwei Tonspuren hatte er früher, musste alles gleichzeitig machen: Klinkenberg trampelt auf dem Holzbrett, lädt quasi die Pistole durch, macht einen kleinen Satz nach vorn. Richtig anstrengend sieht das aus.

„Heute ist das anders. Da nimmt man für Schädeleinschlagen sechs Spuren“, erklärt er. Eine zum Beispiel für das Geräusch eines durchtränkten Lederlappens und eine für das Zermatschen einer Paprika. Staudensellerie könne man hinzunehmen, dann werde das Geräusch noch schlimmer. Bei Dracula werde sogar die Wassermelone ins Spiel kommen, gibt er schmunzelnd einen Vorgeschmack – für das Geräusch des Aussaugens. Wenn jemand so viel Spaß an seinem Beruf hat, dann hört man das auch.

Live-Hörspiel „Dracula“, Freitag, 20 Uhr, Waschhaus, Schiffbauergasse

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