Musik in Potsdam: Würdigung eines Vergessenen
Nikolaisaal-Matinee ehrt den Komponisten und Dirgenten Hans Chemin-Petit.
Potsdam - (1902–1981) lebte als Künstler im Spannungsfeld der Politik. Dies wird mit Deutlichkeit klar, wenn man die Biografie über den in Potsdam geborenen Komponisten, Dirigenten und Hochschullehrer liest. Die Berliner Historikerin Barbara Fischer hat nach umfangreichen Quellenstudien ein umfangreiches Buch verfasst, das unlängst im Verlag Christoph Dohr Köln erschien.
Diese Biografie sei, so Oberbürgermeister Jann Jakobs in einer sehr gut besuchten Matinee zur Buchvorstellung am gestrigen Sonntagvormittag im Nikolaisaal, ein wesentlicher Beitrag zur Potsdamer Zeit- und Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Jakobs war Anreger für diese Veranstaltung, an der Kammermusikgruppen des Sinfonieorchesters Collegium musicum, gleich nach Kriegsende 1945 von Hans Chemin-Petit gegründet, teilnahmen. Sie ließen Ausschnitte des reichen musikalischen Erbe erklingen, mit Ausschnitten aus dem Streichquartett in e-Moll sowie aus dem Trio im alten Stil für Oboe, Klarinette und Fagott. Die heiter-nachdenkliche Musik, die von den Interpreten mit ansteckender Lust vorgetragen wurde, bezeugt, dass Chemin-Petit als Komponist in der musikalischen Tradition, vor allem bei Johann Sebastian Bach beheimatet war.
Eine Straße mit dem Namen des Dirigenten?
In seiner Heimatstadt wurde der Komponist, trotz einiger Bemühungen von Collegium musicum, Singakademie Potsdam, Nikolaisaal und manchen Privatpersonen, etwas stiefmütterlich behandelt. Das kam auch in der von der Nikolaisaal- Chefin Andrea Palent moderierten Gesprächsrunde mit dem Oberbürgermeister Jann Jakobs, Andrea Witte, der Tochter Chemin-Petits, der Buchautorin Barbara Fischer und dem Chefdirigenten des Collegium musicum, Knut Andreas, zur Sprache. Jakobs verwies darauf, dass in den 1990er-Jahren am Geburtshaus in der Charlottenstraße 22 eine Gedenktafel angebracht, vom Eigentümer des Hauses jedoch wieder entfernt wurde. Man sei mit ihm aber wieder im Gespräch, um erneut das Gedenken am Haus in der Charlottenstraße für alle sichtbar zu machen.
Auch eine der vielen neuen Straßen, die in Potsdam entstehen, sollte den Namen von Hans Chemin-Petit tragen, war der Wunsch der Moderatorin Andrea Palent. Der Oberbürgermeister versprach, sich in den letzten Monaten seiner Amtszeit dafür einzusetzen. Aber auch die anderen Größen der Musikszene, die im 20. Jahrhundert in Potsdam tätig waren oder wohnten, der Pianist Wilhelm Kempff oder der Dirigent Wilhelm Furtwängler etwa, sollten eine größere Würdigung erfahren, forderte Andrea Palent. Zudem wünschte sie sich, dass nach der mit reichem Quellenmaterial bedachten Biografie von Barbara Fischer nun auch eine musikwissenschaftliche Arbeit zum Werk Hans Chemin-Petits erscheinen solle.
Barbara Fischer umriss in ihrem Redebeitrag die Potsdam-Stationen Chemin-Petits. Er wurde als Sohn eines Musikers geboren und besaß in der ehemaligen Residenzstadt als Chor- und Orchesterleiter, Organisator von Konzerten eine musikalische Autorität. Der an der Westberliner Musikhochschule Lehrende und in Potsdam Wohnende musste sich Anfang der 1950er-Jahre auf Verlangen des Berliner Senats entscheiden, ob er das Lehramt behalten oder weiterhin in der DDR wohnen wolle. Chemin-Petit entschied sich für die Hochschule und siedelte 1953 mit seiner Familie von Potsdam nach Berlin über. Bemühungen, Chemin-Petis Werke danach in Potsdam aufzuführen, scheiterten an der rigiden Kulturpolitik der DDR. Kantor Friedrich Meinel brachte dennoch 1967 die Kantate „Summa vitae“ mit der Potsdamer Kantorei zur Uraufführung. Der Komponist durfte dazu jedoch nicht einreisen.
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