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Steffi Kühnert wurde als Schauspielerin bekannt. Nach ihrem Regiedebüt in Schwerin, inszeniert sie nun auch in Potsdam.
© promo/Thomas M. Jauk

Steffi Kühnert am Hans Otto Theater: Wenn es drunter und drüber geht

Das Lampenfieber hatte ihr zu schaffen gemacht. Nun führt Schauspielerin Steffi Kühnert Regie. Am HOT inszeniert sie „Die Katze auf dem heißen Blechdach“.

Von Helena Davenport

Um Gottes Willen, habe sie gesagt, und irgendwie auch ein bisschen Angst bekommen, erzählt Steffi Kühnert und schlägt demonstrativ die Hände über dem Kopf zusammen. Denn Hartnäckigkeit sei gar kein Ausdruck, wenn die Rede von Martin Nimz sei, dem Schauspieldirektor des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin. Er habe sich nicht abschütteln lassen – jetzt sei sie ihm allerdings auch dankbar, erzählt sie mit ihren strahlenden Augen, die man aus so vielen deutschen Fernsehfilmen kennt. Nimz wollte sie unbedingt nach Schwerin holen, allerdings nicht als Schauspielerin, sondern als Regisseurin.

Ihr Regiedebüt gab sie in Schwerin

Und das schaffte er dann auch: 2017 gab Kühnert mit Gerhart Hauptmanns Berliner Tragikomödie „Die Ratten“ ihr Regiedebüt in der Mecklenburger Stadt. Bettina Jahnke, Intendantin des Hans Otto Theaters (HOT), wurde so auf sie aufmerksam, und holte sie kurzerhand nach Potsdam. Am morgigen Freitag feiert Kühnerts Inszenierung des Stücks „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ des Amerikaners Tennessee Williams am HOT Premiere.

Das mit dem Schauspielern sei zu so einer Bergbesteigung geworden, erzählt Kühnert weiter in ihrem Berlinerisch – das habe in keinem Verhältnis mehr zu der Freude gestanden, die sie dabei empfand, im Rampenlicht zu stehen oder eben vor der Kamera. „Ich habe da einfach Manschetten bekommen“, sagt die 56-Jährige. Vielleicht sei das ja irgendwann auch wieder vorbei, aber im Moment sage sie sich: Sie habe so viel gespielt, nun sei es dann auch gut, „ich habe mein Soll erfüllt.“

Mit ihrer Rolle in Andreas Dresens Tragikomödie „Halbe Treppe“ war Kühnert von der Theaterbühne ans Filmset gewechselt. Als Ellen Kukowski, Verkäuferin in einer Parfümerie, hatte Kühnert den Alltag in Frankfurt (Oder) dargestellt. 2002 war das. Für ihre Leistung in Dresens „Halt auf freier Strecke“ wurde sie zehn Jahre später für den Deutschen Filmpreis nominiert. Dem Film und Fernsehen bleibe sie in jedem Fall verbunden, ihre Tätigkeit in der Branche fühle sich auch immer noch frisch an, sie habe schließlich auch erst mit Ende 30 angefangen.

Eine 30 Jahre lange Theaterkarriere

Davor und auch noch währenddessen war sie auf zahlreichen Bühnen zu sehen, in ganz unterschiedlichen Städten – Gottseidank habe sie nach der Wende keine Berührungsängste gehabt. Am Thüringer Landestheater Eisenach spielte sie, am Nationaltheater Weimar, am Berliner Schillertheater, am Wiener Burgtheater, an der Schaubühne. Insgesamt 30 Jahre lang hat sie Theater gespielt, davon 20 Jahre in festen Engagements. Zuletzt war sie am Deutschen Theater in Berlin im „Hauptmann von Köpenick“ zu sehen. Dabei habe sie wieder festgestellt: Nun mache sie das Lampenfieber „psychisch verrückt“. Dass Kühnert sehr ehrlich ist und so angenehm unkompliziert, merkt man sofort, wenn man ihr gegenübertritt. Das sagen schon ihre Hände, die – wenn Kühnert gerade nicht gestikuliert – die ganze Zeit über vor ihr liegen.

Seit zehn Jahren ist Kühnert auch Professorin an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ – obwohl sie sich auch das zunächst gar nicht zugetraut habe. Durch die Studenten, die sie dort unterrichtete, kam es überhaupt erst dazu, dass Martin Nimz begann, sich für sie als Regisseurin zu interessieren. Studierende, die sich bei ihm vorstellten, hatten von ihrer Arbeit an der Hochschule unter der Leitung von Kühnert berichtet. „So wie das eben manchmal so kommt“, erzählt die Ost-Berlinerin, die in Wilhelmshagen aufwuchs, mittlerweile seit etlichen Jahren im Prenzlauer Berg wohnt. Ein „Ureinwohner“ sei sie dort.

Für sie persönlich gab es keinen Ost-West-Konflikt

Und wieso jetzt Potsdam? Dass sie wieder im Osten gelandet ist, sei Zufall gewesen, weil Jahnke sie angesprochen habe. „Und ich fühl mich nicht unwohl, weil es doch schon etwas mit meinen Wurzeln zu tun hat“, sagt sie: „Das kannst du ja nicht wegwischen.“ Dennoch habe es für sie persönlich nie einen Ost-West-Konflikt gegeben. Und an dem Stück „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ sehe man, dass – egal wie man sozialisiert wurde – ähnliche Erinnerungen wachgerufen werden.

„Cat on a hot tin roof“ – der Titel ist einem amerikanischen Sprichwort entlehnt, das jemanden beschreibt, der aus einer ziemlich brenzligen Lage heraus Entscheidungen trifft. 1955 wurde das Stück zum ersten Mal auf die Bühne gebracht. Im Zentrum steht eine Familie, deren Oberhaupt an Krebs erkrankt ist. Allerdings soll er nichts von der schrecklichen Diagnose erfahren. An seinem 65. Geburtstag verlieren Kinder und Frau deswegen kein Wort über die Krankheit, entfachen stattdessen aber einen absurden Erbschaftsstreit.

Der Schauspieler im Mittelpunkt

An der DDR sei besonders gewesen, dass man viel Zeit mit Nachbarn und generell zusammen verbracht hat, sagt Kühnert, die Gemeinschaft, manchmal auch erzwungene Gemeinschaft, weil man sich brauchte. Ihr wurde das Drama vom Theater vorgeschlagen – sie habe dann sehr schnell zugesagt. Wegen des Autors, der immer gute Rollen für die Schauspieler liefert – sie kenne ja die Sehnsucht der anderen Seite, beschreibt die Regisseurin. Der Schauspieler stehe bei ihr im Mittelpunkt.

Sie habe aber auch zugesagt, weil sie es interessant finde, das Chaos in einer Familie darzustellen, die Ich-Bezogenheit, Eifersucht, Eskalation: „Wenn es schon in der kleinsten Zelle der Gesellschaft drunter und drüber geht, ist es ja kein Wunder, wie sich das fortsetzt.“ Man kenne das natürlich, wie es bei Familienfeiern zugehen kann, bei einem gewissen Grad der Enthemmung. Ihre Mutter hat Weihnachten Geburtstag, da seien dann alle Feierlichkeiten kompakt zelebriert worden, und um elf Uhr habe dann meistens der Erste geweint.

Raus aus der Komfortzone

Und ob sie streng bei den Kostümen sei? Schließlich ist sie gelernte Herrenmaßschneiderin. Das sei für sie immer ein großes Hobby gewesen, in dem Beruf gearbeitet hat sie allerdings nie. Aber das Nähen war für sie ein toller Ausgleich. „Nach der Probe bin ich vom Theater nach Hause und habe erstmal genäht, und hatte dann abends etwas Neues zum Anziehen“, erzählt sie. Mit Wende und Familie hörte sie damit auf. Jetzt hätte sie schon Probleme mit dem Einfädeln, meint sie – aber sie gebe gern an, dass sie auch Ahnung habe, ergänzt sie und lacht herzhaft.

Bei den Proben zum aktuellen Stück fiel ihr auf, wie schwierig es ist, Schauspieler dazu zu bewegen, ihre Komfortzone zu verlassen, sich Extreme zu trauen – ohne dass es ihnen zu viel wird. Gleichzeitig sei es besonders reizvoll, das Vertrauen zu gewinnen, so Kühnert. „Mir kann auch niemand etwas vormachen“, fügt sie hinzu. Schließlich wisse sie ja, wie geredet werde. Aber ihr sei es besonders wichtig, die Extreme auszuloten.

"Die Katze auf dem heißen Blechdach", die Premiere am Freitag, dem 20. September, ist ausverkauft, weitere Vorstellungen finden am 29. September um 18 Uhr und am 5. Oktober um 19.30 Uhr statt

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