„Made in Potsdam“-Festival: Von Steinen zu Wolken
Der Kunstraum setzt bei „Made in Potsdam“ diesmal auf langjährige Beobachter der Stadt.
Die Stadt hat sie geprägt – und sie die Stadt. Die sieben Künstler, die Mike Gessner in diesem Jahr, zum vierten „Made in Potsdam“-Festival, in seinen Kunstraum geholt hat, sind alle schon lange mit Potsdam verwoben, man könnte sagen, sie gehören zur alten Garde.
Da ist etwa Barbara Raetsch, 1936 in Pirna geboren, die seit 1958 hier lebt . Ihr Werk kann Chronik Potsdams gelesen werden: Über 30 Jahre lang hat sie die bröckelnden Fassaden in der Potsdamer Innenstadt zu ihrem Thema gemacht, jetzt sind es die Baustellen. „Kräne“, heißt die Serie, die hier vor sich hin glüht. Vom neo-barocken Zuckerguss-Potsdam ist hier nichts zu erkennen. Über schwarzen Bauten erheben sich orange leuchtend die Kräne, imposant und beängstigend, sagt Raetsch selbst. „Ich hatte ja schon immer ein Faible für sowas.“ Sie meint die Idylle, die gebrochen ist, darin erkennt sie die Poesie des Alltags. Eine Stellungnahme, ein kritischer Kommentar sollen ihre Arbeiten nicht sein. Dazu, findet sie, gibt es keinen Anlass.
Aber Bauen, das ist eben irgendwie immer das beherrschende Thema in Potsdam, die Steine, scheint es, haben hier mehr Gewicht als anderswo. Sie sind hier, für irgendwen, auch immer Stein des Anstoßes. Oder der Inspiration. Gerade wenn sie fehlen.
Alfred Schmidt, 1942 hier geboren, zeigt im Kunstraum seine Grafiken der 80er-Jahre. Hier ist nicht alles Fassade, hier bröckelt und verfällt viel – düster, klar und wunderschön. Als Farbgestalter hatte Schmidt in den 70er-Jahren viel mit der Rekonstruktion von Häusern zu tun, das war für ihn die Initialzündung, sich auch künstlerisch mit der Bausubstanz zu beschäftigen. Als vieles nach der Wende abgerissen wurde, tat ihm das in der Seele weh. „Die Häuser waren teils ja noch toll erhalten, viele waren dann auch schnell besetzt“, sagt er. Heute ist ihm alles zu geleckt, die Stadt interessiert ihn künstlerisch nicht mehr. Nur die Landschaften, die Parks, die Natur. Seine Serie von damals aber, die hat alles festgehalten, manchmal nur eine Dächerzeile, aber jedem, der Potsdam damals kannte, wird sie sofort vertraut erscheinen. Es ist eine echte Chronik einer verschwundenen Stadt.
Fast verschwunden war auch schon Peter Rohns Flugschiff, ein Auftragswerk für das Haus des Reisens an der Friedrich-Ebert-/Ecke Yorckstraße. Reisen in den Weltraum waren damals, 1974 gerade erst denkbar geworden, Ausflüge ins nicht-sozialistische Ausland noch für lange Zeit ein Traum. Rohn baute sein Himmelsgefährt zusammen mit dem Metallgestalter Christian Roehl, da war die erste bemannte Mondlandung gerade einmal fünf Jahre her, der Fall der Mauer lag in weiter Ferne. Und doch nimmt diese Skulptur – neun Meter breit, fast fünf Meter hoch –, dieser archaische, blecherne Fisch, bei aller Materialschwere jeden dieser Träume mit sich hinauf in den Himmel. Erst in diesem Sommer wurde es – nach sechs Jahren in der Versenkung – wieder an öffentlicher Stelle, gleich hier um die Ecke an der Schiffbauergasse, wieder angebracht. Das wiederum brachte Kunstraum-Kurator Mike Gessner überhaupt erst auf die Idee, sich bei „Made in Potsdam“ diesmal auf die älteren, stadtprägenden Künstler zu konzentrieren.
Und hier in seiner Galerie etwas nie Gesehenes zu zeigen: Rohns Entwürfe für das Flugschiff. Und es ist spannend zu sehen, wie sich dieses Wesen zwischen Fisch und Vogel verpuppte. „Ich gucke immer erst nach lokalen Bezügen“, sagt Rohn. „Und Potsdam war mal ein Fischerdorf. Also: ein Fisch. Der Vogel fliegt überall, der steht für die Weite.“ Und dazwischen der Mensch, der ist ihm wichtig. Nicht die Künstlerkollegen wollte er beeindrucken, sondern die Werktätigen. Für die ist die Kunst im öffentlichen Raum ja da, das ist Rohn wichtig. Die sollen das verstehen, sich daran erfreuen. Deshalb wollte er das Flugschiff auch farbig gestalten, und am liebsten – das sieht man auf einem nächsten Entwurf – abstrakt aufgelöst über die gesamte Höhe des Hauses fliegen lassen. Das aber war zu teuer. Am Ende knüpfte er an Jule Vernes Bücher an, die er als Kind verschlungen hatte. Bei dem musste auch nicht alles einen Zweck erfüllen, auch bei dem ging es eher um die schwärmerische Frage, was man alles erleben könnte.
Christian Roehl, der das Schiff aus Metall dann baute, ist 2013 gestorben – seine Frau, Alice Bahra aber, ist ebenfalls im Kunstraum vertreten. Und – ob zufällig oder konsequent – ebenfalls mit einer luftigen Arbeit aus weißen Fähnchen, die die Gedanken sofort zum flattern bringt.
Ein vierter Raum gehört Peter und Christa Panzner, die die Kunstschule Potsdam gegründet haben. Auf der einen Seite explodieren das Pink – die Farbe, die für Christa Panzner wie keine andere für die moderne Welt und auch für Potsdams Üppigkeit steht – auf der anderen wispern die verätzten Metallplatten von Peter Panzner von dunklen Geheimnissen. Kein Widerspruch, sondern ein schönes Symbol für die Stadt.
Die Ausstellung eröffnet heute Abend um 20.30 Uhr im Kunstraum des Waschhaus und ist dort bis 14. Februar zu sehen.
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