Jetzt ist es doch passiert: Theo Finke, Gitarrist und Sänger, hat die Stimme verloren, vier Tage vor dem Jubiläumskonzert. Und nein, es gibt keinen Plan B, er muss und wird singen, irgendwie geht es immer, sagt Bandkollegin Ullli mit drei L, Ulrike Eisenreich. „Er trinkt schon ganz viel Tee.“ Sie ist deshalb allein zum Quatschen ins Freiland-Café gekommen. Quatschen über 25 Jahre 44 Leningrad.
Die Gründungszeit der Potsdamer Kultband fiel in das Nachwendejahr. Man kannte sich aus der Hausbesetzerszene, wer damals ein Instrument spielen konnte, der machte das auch. Weil Ullli auf ihrem Akkordeon nur eine Handvoll russischer Lieder konnte, spielten Göran Gnaudschun, Theo Finke, Yeti und Ullli das, was heute Russian Speed Folk genannt wird. Im März traten sie das erste mal öffentlich auf in der fabrik, damals in der Hermann-Elflein-Straße. Und brauchten einen Namen. Vier für Leningrad, Four Four Leningrad. Warum gerade Leningrad, das weiß heute keiner mehr. „Der Alternativvorschlag war Greetings from Cold Omsk – das konnte ja keiner aussprechen“, sagt Ullli. Können sie sich erklären, warum so kurz nach der Wende Russisch, einst verpöntes Schulfach, plötzlich cool war im Osten? „Es gab da ziemlich bald diesen Ostalgieschub“, sagt Ulli, spätestens als Wladimir Kaminer seine Russendisko nach Berlin holte. Auch 44 Leningrad haben da schon gespielt.
Sie waren 1990 zur richtigen Zeit am richtigen Ort, machten, was ihnen gefiel und trafen damit den Nerv der Leute. In all den Jahren blieben sie authentisch, gründeten nebenbei Familien, lernten Berufe, studierten, gaben 700 Konzerte in ganz Deutschland und killten ebensoviele Flaschen Wodka. Nur nach Leningrad haben es Ullli, Theo, Yeti, Romu und Matze noch nicht geschafft, obwohl es Einladungen gab und ihre Musik auch bei Russen gut ankommt. Normalerweise höre man dort ja eher lustigen Punk und niedlichen Pop. „Erst wundern die sich immer, was wir so machen“, sagt Ullli amüsiert. „Und dann finden sie es gut.“
Zum Jubiläumskonzert kommen sämtliche Ex-Mitglieder, alle wollten wieder einmal mitspielen. Gefeiert wird im gemütlichen Café, in einem marokkanischen Zelt werden Dias aus der Bandgeschichte gezeigt. Und es soll natürlich getanzt werden – Tanzen, das gehört unbedingt zu ihren Konzerten. Sie sind eine Live-Band – konzentrierte, nüchterne Studioaufnahmen fallen ihnen eher schwer. Trotzdem soll es 2016 wieder ein neues Album geben – „Tanzt!“Steffi Pyanoe
44 Leningrad am heutigen Samstag um 20 Uhr im Freiland, Eintritt 10 Euro
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