Andreas Ottensamer in Potsdam: Stars und Dampfnudeln
Der Klarinettist Andreas Ottensamer ist Artist in Residence an der Kammerakademie Potsdam Heute eröffnet er die neue Saison im Nikolaisaal, die sich Mendelssohn Bartholdy verschrieben hat.
Potsdam - Musiker sind auch nur Menschen: Felix Mendelssohn Bartholdy etwa hatte eine Schwäche für Dampfnudeln und Rahmstrudel. Eine bayerisch-österreichische Spezialität, die der Komponist von Besuchen in München kannte, aber bei sich in Berlin seinerzeit nicht auftreiben konnte. Also ließ er sich eines Tages, im Dezember 1832, von den befreundeten Musikern, Heinrich Joseph Baermann und dessen Sohn Karl, beide Klarinettisten am Münchner Hof, seine Leibspeise bei deren Besuch in seinem Berliner Zuhause zubereiten. Als Gegenleistung versprach er ihnen, während sie kochten, ein Stück sozusagen auf den Leib zu komponieren, ein Stück, das sie auf ihren Tourneen spielen könnten. Der Deal ging in die Musikgeschichte ein und das Konzertstück f-moll für Klarinette, Bassetthorn und Orchester betitelte Mendelssohn mit „Die Schlacht bei Prag. Ein großes Duett für Dampfnudel oder Rahmstrudel“.
Es ist ein Werk wie gemacht für die Kammerakademie Potsdam (KAP) und den Soloklarinettisten der Berliner Philharmoniker, Andreas Ottensamer. Das Orchester hat sich gerade Mendelssohn verschrieben und der gebürtige Wiener, der nun eine Saison lang Artist in Residence der KAP sein wird, hatte es mit seinem Vater, dem jüngst verstorbenen Soloklarinettisten der Wiener Philharmoniker Ernst Ottensamer, auf der CD „The Clarinotts“ bereits eingespielt. „Das Stück gehört zum Repertoire der Clarinotts“, sagt Andreas Ottensamer mit unverkennbarem Wiener Zungenschlag. Ein kurzes Stück mit wunderbaren Melodien sei es, „in dem nicht eine zweite Klarinette den Counterpart übernimmt, sondern ein Bassetthorn, das auch Mozart so liebte, und das eine schöne Farbe hineinbringt“.
Und auch die Parallele zu den Baermanns liegt bei Ottensamer auf der Hand. Wie die Baermanns bildeten auch die Ottensamers einen Klarinetten-Clan, zusammen mit Andreas’ Bruder Daniel. Mit ihm und dem Mendelssohnschen Schmankerl wird Andreas Ottensamer die neue Saison der KAP morgen im Nikolaisaal eröffnen.
Er habe nicht lange gezögert, sagt Ottensamer, als die KAP ihn als Artist in Residence anfragte. Es gebe eine inzwischen schon jahrelange Verbindung zwischen ihm und der KAP. „Weil man nicht viele Worte braucht und aus dem Bauch heraus musizieren kann.“ Ein gemeinsames Repertoire sei inzwischen entstanden. Zuletzt hatten beide das Album „New Era“ aufgenommen mit Stücken von Komponisten der Mannheimer Schule wie Johann und Carl Stamitz, Danzi und Mozart. Als Nächstes also Ottensamer, die KAP und Mendelsohn, vielleicht auch von einer CD-Aufnahme gekrönt? Das müsste nur jemand anstoßen, meint Andreas Ottensamer und lacht.
1989 als Sohn einer österreichisch-ungarischen Musikerfamilie geboren – die Mutter ist Cellistin –, gilt Andreas Ottensamer heute als der Starklarinettist einer neuen Generation. Als jüngstes Mitglied in der Geschichte der Berliner Philharmoniker trat er 2011 dem Orchester bei und erhielt, auch das erstmalig in der Musikgeschichte, als Solo-Klarinettist einen Exklusivvertrag bei der Deutschen Gramophon. Kein Wunder, dass nicht nur die Kammerakademie Potsdam ihn anfragte. In der kommenden Saison wird Ottensamer auch den Titel „Junge Wilde“ mit dem Konzerthaus Dortmund für sich in Anspruch nehmen können, außerdem „Menuhin Heritage Artist“ beim Schweizer Gstaad Musikfestival sein – und neben der KAP auch dem Bournemouth Symphony Orchestra als Artist in Residence dienen.
Insgesamt drei Konzerttermine sind mit der Kammerakademie in Potsdam geplant. Anfang Januar spielt Ottensamer im Rahmen des Musikalischen Salons im Palais Lichtenau Mozarts A-Dur Klarinettenquintett KV 581 und im März wird dann das Programm zur CD „New Era“ mit Stücken der Mannheimer Schule im Nikolaisaal zu hören sein.
Die Baermanns übrigens waren so von Mendelssohns Komposition begeistert, dass er ihnen auch noch ein zweites Werk für Klarinette und Bassetthorn verfassen sollte. Was Vater und Sohn ihm dafür kochen mussten, ist nicht überliefert. Auch dieses Werk, das Konzertstück in d-moll op.114 werden Andreas und Daniel Ottensamer morgen spielen, bevor die KAP am Abend Mendelsohns Lobgesangs Sinfonie Nr. 2 in B-Dur mit dem NDR Chor musizieren wird.
Grit Weirauch