Kultur: Selbstreflexionen
Der Maler Menno Veldhuis befragt im Kunsthaus Sans Titre seine Seele, die Kunst und die Natur
Über einem Auge liegt ein Balken. Der Künstler Menno Veldhuis hat das Bild eines Mannes gemalt, dessen Blick eingeschränkt ist. Zu sehen ist es im Kunsthaus Sans Titre, wo Veldhuis derzeit unter dem Titel „The Unknown Painter“ seine neuesten Arbeiten zeigt. Viele der Bilder sind Selbstportraits. Das verwundert nicht, denn der Künstler Veldhuis ist dabei, sich und sein Leben neu zu erfinden.
Nach einem Schlaganfall im Jahre 2015 war es gar nicht sicher, ob Veldhuis weiter seine Kunst betreiben könnte. Der Holländer musste sich erst einmal darüber klar werden, wohin sein weiterer Weg führt. Der 1974 in Groenlo geborene Veldhuis kam 2004 nach Potsdam, „der Liebe wegen“, die aber nicht anhielt. Zuvor hatte er zunächst freie Kunst und dann Kunstgeschichte in Holland studiert. Die praktischen Fähigkeiten wollten auch theoretisch untermauert sein. In Potsdam entstanden zahlreiche Bilderserien mit Titeln wie „Ernte“, „Wälder“, „Back to Nature“. Schließlich war für Veldhuis klar, dass er in der Landeshauptstadt bleiben wollte. „Berlin ist mir viel zu hektisch. Potsdam finde ich sehr schön“, sagt er.
Veldhuis’ neue Bilder zeugen von einer Suche nach Möglichkeiten. Sie zeigen einen unverstellten Ausdruck dessen, was den Künstler im Innersten bewegt. Eine kleine Figur findet sich vor einem dunkleren Hintergrund. Orange leuchtet der Haarschopf des Mannes, der mit leicht gebeugtem Kopf nach unten schaut. Einsam steht er im Raum. Das sehr kleine Bild wirkt wie nebenbei entstanden, strahlt jedoch eine Intensität aus, die an Edward Munch oder Van Gogh erinnert – beides Maler, die vielfach auf der Suche nach dem Wahren im Innern geforscht haben. Auf Veldhuis’ Internetseite findet sich ein Bild des holländischen Malers Vincent Van Gogh, dessen rauer Pinselstrich insbesondere in der Bilderserie „Mähdrescher“ seine Spuren hinterlassen hat.
Strichzeichnungen, Bilder in Acryl gemalt, Fotos und Collagen spiegeln das Reservoir der gegenwärtigen Möglichkeiten wider, die Veldhuis nutzt, um den adäquaten Ausdruck zu finden. Ein großes Foto hat der Künstler auf dem Sacrower Friedhof aufgenommen. Es zeigt die Rückseite einer Reihe von Grabsteinen. In das Foto hineinmontiert, auf die Grabsteine, hat der Künstler die Inschrift: „unbekannter Maler“. Auch mit anderen Fotoserien reflektiert Veldhuis über sein Dasein und die Wahrnehmung des Künstlers in der Öffentlichkeit.
Behutsam arrangiert zeigt ihn die Serie „Back to Nature“, auf dem Boden liegend, den Kopf verborgen in einer Wand, einem Gewässer, einem Behältnis, einer Baugrube. Eine Auswahl der Bilder hat Veldhuis ins Internet gestellt. Sichtbar bleibt der Körper. Die Mimik, der Kopf ist nicht mehr erkennbar und kann sich nicht äußern. Der Künstler wirkt auf den Fotos einerseits wie amputiert – aber auch so, als wolle er sich verbergen, hineinkriechen in die Backsteinwand, den Heuhaufen. Auch zu Van Gogh hat Veldhuis eine Serie erstellt. „Ich bin van Gogh“ findet sich als Aufschrift auf einer Kreidetafel.
Mit dem Handy und kleinen, schnell gedrehten Filmen erstellt der Künstler gegenwärtig kurze filmische Notizen zum Tag, zur Zeit. Es sind spontane Impressionen, die mit modernen Mitteln an das zeichnerische Handwerk des Künstlers anknüpfen. Der Charme der Arbeiten der Ausstellung im Sans Titre liegt in ihrer Direktheit und Unmittelbarkeit. Hier produziert sich kein in sein Talent selbstverliebter Künstler, sondern ein Maler, der mit elementarem, direktem Strich unverfälscht sein Seelenleben auf leichten Blättern erkundet. Dem entspricht die unprätentiöse Präsentation vieler Arbeiten unmittelbar und ungerahmt auf der Wand.
Seit einiger Zeit hat Veldhuis das Schachspiel für sich entdeckt. So pendelt er zwischen konzeptuellen medialen Arbeiten, schneller Zeichnung – und anspruchsvoller, spielerischer Strategie. Richard Rabensaat
Menno Veldhuis, „The Unknown Painter“, zu sehen bis 8. Oktober im Sans Titre, Französische Straße 18
Richard Rabensaat
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