Potsdamer Kunst in der Villa Francke: Reizvoll unfertig
Im einstigen Dienstbotenhaus der Potsdamer Villa Francke schlägt an diesem Wochenende das „ArtCamp Potsdam“ erstmals sein Lager auf: Zu sehen sind 13 Positionen von Potsdamer Künstlern – in unsanierter Kulisse.
Potsdam - Unverputzte Wände. Treppen, die noch fertig gestellt werden müssen. Elektrische Leitungen sind noch nicht installiert, Licht gibt es nur mithilfe von Kabeltrommel und Leuchtstrahlern. Es ist ein unfertiges, aber auch ein sehr reizvolles Ambiente, das sich die Macher für das „Art Camp Potsdam“ ausgesucht haben: in dem Haus neben der Villa Francke, wo früher die Chauffeure des Hausherrn wohnten. 13 Potsdamer Künstlerinnen und Künstler zeigen hier, was sie können.
Die Räume sind roh, es wird gerade renoviert. Vom Keller bis in das obere Stockwerk okkupiert Kunst hier die Räume. Die sind eher klein, aber das schmälert den Reiz des Experiments nicht. Denn jeder der Künstler hat sich augenscheinlich auf die besondere Situation eingelassen und seine Werke entsprechend arrangiert. So haben Tim Heinze und Marcel Bücker, die als Xenorama firmieren, im Keller eine Installation ersonnen, die erst einmal nicht sonderlich spektakulär anmutet: ein modriger Baumstamm hängt an der Wand. Aber dieser ist nur der Ausgangspunkt für eine spielerische Fantasie, die sich dann in der Realität ausbreitet. Denn auf den Stamm werden Muster und Bilder projiziert, Musik erklingt – und so wächst das tote Holz aus der Wand hinaus in den Raum.
Die ehemalige Pracht ist noch ahnbar, aber nicht voll entfaltet
Die Villa Francke ist mittlerweile renoviert. Erbaut im Jahre 1871 für den Holzunternehmer Francke, vom Hofbaumeister J.W.A. Lüdicke, der ein Schüler des bekannten Baumeisters Persius war, wurde die Villa in den Jahren 2003 bis 2005 umgebaut und gehört nun einem Berliner Immobilienunternehmen. Als Organisator der Ausstellung tritt auch der Berliner Architekt Wolfgang Keilholz auf. Das Grundstück, den Wechselfällen der Geschichte unterworfen, hat die – noch erkennbare – ehemalige Pracht des Anwesens noch nicht wieder voll entfaltet. Für das Haus des früheren Dienstpersonals, beziehungsweise des Chauffeurs, soll nach der Renovierung jedenfalls eine Künstlerresidenz geplant sein. Und auch weitere Kunstausstellungen könnten stattfinden.
Das weitläufige Anwesen lädt förmlich ein, sich mit dem Raum und der Grundstücksfläche zu beschäftigen und so fügen sich die beiden Skulpturen von Mikos Meininger gut in das Ambiente ein. Die „Zwillingswoge“ erhebt sich auf dem Rasen zwischen Ausstellungshaus und Villa. Die große Skulptur, die Meininger nach dem Vorbild des Wirbelknochens eines Fisches gefertigt hat, steht ebenfalls dort. Was aussieht wie schwere Bronze, ist tatsächlich ein Leichtgewicht, denn die beiden Skulpturen sind aus speziellem Verbundmaterial gefertigt und nicht weniger aufwendig als eine Bronze. Aber sehr viel leichter.
Von selbst gebauten Kinderwagen bis zu Hightech-Fantasien
Eine zufällige Begegnung des Künstlers Allan Paul war der Anlass, die Ausstellung auf dem Gelände der Villa Francke zu organisieren. Eigentlich sollte es eine Schau des Künstlerpaares Allan Paul und Nadine Conrad werden, die das „ArtCamp“ initiiert haben. Dann kam die Berliner Galerie Deschler mit ins Boot. „So entstand die Idee, etwas Größeres zu machen und es kamen auch immer mehr Künstler dazu“, sagt Paul. Nun reicht die Spanne vom selbst gebauten Kinderwagen bis zur Hightech-Fantasie im Keller.
Mit einem von ihm eigenhändig entworfenen und gestalteten Kinderwagen nimmt der Künstler Lothar Krone Bezug auf Caspar David Friedrich und das 50-jährige Jubiläum der Mondlandung im kommenden Jahr. Denn in dem Wagen findet sich ein kleiner, leuchtender Mond, auf einem Kissen stehen die zwei mondsüchtigen Betrachter, die schon Caspar David Friedrich malte. Das Vehikel mutet ziemlich speziell und bis ins Detail liebevoll altmodisch an. Und es sind auch Bilder zu sehen: Romantische Landschaften von Nadine Conrad, detailreich und stimmungsvoll gemalt, Bar- und Stadtszenen von Florentine Joop und auch collagierte Übermalungen von Julia Brömsel.
Symbole von männlicher Machtentfaltung und Statusgehabe
Fotos und Zeitungsausschnitte von Schlössern und Burgen dienten Brömsel als Grundlage für die weitere Bearbeitung. „Das sind ja alles Symbole von männlicher Machtentfaltung und Statusgehabe. Ich habe versucht, dem eine andere Sicht entgegenzustellen“, sagt Brömsel. So finden sich nun auf den Fotos gemalte Frauenfiguren, die ihre Fruchtbarkeit deutlich zeigen und in einer zeichenhaften Reduziertheit an eine Brut erinnern. Brömsel hat sich mit der Verarbeitung von alten Papieren und Karten einen speziellen Zugang zur Collage erarbeitet. Zwar scheinen die Ausgangsmaterialien in den vollendeten Arbeiten noch durch, sind aber sorgfältig eingefügt und übermalt, sodass sich ein harmonisches Ganzes ergibt.
Einen Gegenpol zu der harmonischen Malerei von Conrad und Brömsel bilden die Arbeiten von Allan Paul. Mit wildem Strich, meist breitem Pinsel und viel Schwung entwirft der Maler großflächige, abstrakte Gemälde. Sie lassen eine große Lust am Material und der freien Formgebung erkennen, wobei interessante Spannungsbögen und Kompositionen entstehen. Und die Energie, die es für solche Bilder benötigt, ist wohl auch gefragt, um ein Projekt wie dieses zu stemmen: mit einer Vorbereitungszeit von nur einem Monat, an einem Ort mit unverputzten Wänden und unfertigen Treppen. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
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„ArtCamp Potsdam“, am Freitag, dem 26. Oktober von 17 bis 24 Uhr sowie am folgenden Samstag von 12 bis 24 und Sonntag von 12 bis 18 Uhr auf dem Gelände der Villa Francke, Gregor-Mendel-Str. 23
Richard Rabensaat
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