Ausstellungen im Kunsthaus Potsdam: Raumgreifender Flirt
Das Kunsthaus stellt ab Sonntag 36 seiner Mitglieder aus. Alles Nassgraue bleibt dabei außen vor. Der zweite Teil mit dann 37 Künstlern folgt im Februar.
Potsdam - Kräftige Farben rühren die Trommel, samtiges Orange gibt den Ton an. Licht. Sonne. Beim Eintreten ins Kunsthaus springt der herbeigesehnte Frühling den Besucher förmlich an. Alles Nassgrau bleibt außen vor. 36 Künstler sind hier vereint und verbünden sich klangvoll zu einer großen quellfrischen Sinfonie. Farbakkorde flüstern sich quer durch den Raum einvernehmlich zu, Strukturen finden ihren Widerhall, Rundungen werden aufgegriffen, schroffe Konturen weitergetragen. Hier hängt Florales neben Monochromem, Abstraktes neben Figürlichem – und alles hat seinen Platz.
Vereinsvorsitzende Birgit Möckel und Projektorganisatorin Annette Jahnhorst hatten ein gutes Händchen, um die Vielzahl der Werke zusammenzuführen: Alles wirkt wie aus einem Guss und keineswegs überfrachtet. „Es ist erstaunlich, wie sich alles fügt“, sagte Birgit Möckel, die noch vor zwei Tagen im Chaos saß.
Allein die Empore, auf der vier Künstler platziert sind, schafft eine Welt für sich, rangiert zwischen den Zeiten. Hier regiert die verschneite Bergwelt von Frauke Danzer: auf großer Leinwand in Schwarz und Weiß und mit gespenstischen Schattenwürfen. Davor ruht ein kleines Bergmassiv: eine Skulptur aus Gips, über deren Gipfel ein schwarzer Schirm aus Papier federleicht aufsteigt. Christiane Conrads Farbgiganten „Kadmiumgelb“ und „Samtorange“ geben nachbarschaftliche Begleitmusik. Die Landschaftsaquarelle von Bettina Hünicke und das an die Wand geschraubte Stuhlgestell „Sitzordnung“ von Florian Neufeld treten dezent zurück.
Zusammengetragen wurden die 36 künstlerischen Positionen zum Thema „Kein Thema“ in aufwändigen Atelierbesuchen. Seit dem Sommer ist der achtköpfige Vorstand des mitgliederstärksten Kunstvereins in Brandenburg ausgeschwärmt, um in den Ateliers nach eigenem Gustos Arbeiten auszuwählen. Unterstützt wurden sie von drei Kunstwissenschaftlern, die als Honorarkräfte für das Kunsthaus arbeiten. Jeder wusste, wieviel Quadratmeter Spielfläche er füllen durfte: von der feststehenden Größe neun mal neun Meter plus Empore. Nahm der Auswählende von einem Künstler ein großes Werk, musste er beim nächsten sparen. Feste Regularien, wie auch bei der Auswahl der Ateliers. Die wurden nach den Anfangsbuchstaben der Künstlervornamen – hier A bis H – vergeben, um persönliche Verbandelungen zu verhindern.
Die Ausstellungen der Vereinsmitglieder haben eine lange Tradition. Unter dem Vorsitz von Renate Grisebach gab es sie immer vor Weihnachten, um noch Geschenkekäufe mitzunehmen. Birgit Möckel, die jetzt im vierten Jahr dieses Ehrenamt fortsetzt, hatte indes das Gefühl, dass zum Jahresende bei allen die Luft raus ist. „Jetzt im Januar freuen sich alle auf das neue Jahr“. Ab dem morgigen Sonntag ist nun Teil eins der Künstlermitglieder zu sehen. Am 17. Februar folgt Teil zwei: dann mit den Anfangsbuchstaben von I bis Z. „Alle hätten wir nicht in eine Ausstellung gequetscht. Deshalb Schlag auf Schlag in zwei Hängungen.“
Früher haben die Künstler ihre Werke für diese Sammelausstellungen selber ausgesucht. Fast jeder steuerte das größtmögliche bei. Ein Spiel mit verschiedenen Größen war somit passé.
Anders als in der jetzigen Schau: Sie lebt von der Mixtur aus Größen, Flächen, Reliefs, Collagen, Fotografien und Skulpturen. Die sechs Meter Kunst, die jeder Ausschwärmende mitbringen durfte, sind nun neu gemischt und führen zu überraschenden Korrespondenzen. Derzeit gibt es rund 100 Künstler im Verein: ein Drittel der rund 300 Mitglieder. Etwa die Hälfte kommt aus Potsdam, die andere aus Berlin. Unterstützt wird der Verein mit 37 000 Euro von der Stadt. Hinzu kommen die Mitgliederbeiträge, jährlich 60 Euro pro Person. „20 000 Euro müssen wir einwerben, um die Ausstellungen finanzieren zu können.“ Der Verein hofft nun auf eine zusätzliche Unterstützung der Stadt, „um endlich eine halbe feste Stelle für das Büro bezahlen zu können.“
Kunsthistorikerin Birgit Möckel besuchte seit dem Sommer etwa zehn Ateliers, nahm sich die Zeit, obwohl sie berufstätig ist. „Dieser direkte Kontakt tut dem Vereinsleben und auch der Kunst gut.“ Und er führte auch bei ihr zu Überraschungen. Wie im Atelier Birgit Ginkels, die sich seit Längerem mit einer Serie zu Maueropfern beschäftigt. Hier in der Gemeinschaftsausstellung ist sie mit hauchdünnen zerbrechlichen Objekten vertreten: aus Löwenzahn und Blattgold, „Kostbar an Farben, pelz- und samtbesetzt“. Fragiles hängt neben Kompaktem, strahlt für sich und flirtet mit dem Nachbarn. Trotz des Zusammenklangs ist es auch ein kleiner Wettbewerb, wer den Ton angibt.
Die Vernissage ist am Sonntag, 16 Uhr, Ulanenweg 9.
Ausstellungen 2019 - „Kein Thema“ Ausstellungsreihe:
- Mitglieder des Vereins stellen sich vor
1. Teil: 13. Januar bis 10. Februar
2. Teil: 17. Februar bis 17. März
- Jan Beumelburg. Bestiarium
24. März – 5. Mai
- Kaleidoskop Seidenstraße
12. Mai – 23. Juni
- Wolfgang Ganter/Julius Weiland:
Fotografie und Skulptur
30. Juni – 28. Juli.
- Fotografieausstellung
4. August – 8. September.
- Stephanie Senge.
Ikebana Konstruktionen
9. – 27. Oktober
- Farbmanifeste von Christine Streuli
3. November – 15. Dezember