Heller Vorhang aus Tönen und Licht: Preisgekrönte Tänzerin bei "Made in Potsdam"
Das Tanzstück „Da Capo“ bei „Made in Potsdam“ erinnert an die Performance der Japanerin Öta Hisa.
Potsdam - Nach einem Auftritt von Öta Hisa, alias Madame Hanako, schrieb eine Berliner Zeitung zu Beginn des 20. Jahrhunderts: „Madame Hanako wird erdolcht und kann nun mit allen Finessen zeigen, wie große japanische Künstlerinnen auf der Bühne zu sterben verstehen. Unsagbar realistisch und doch wahrhaft ergreifend, mit grausamer Eindringlichkeit nach der Natur gezeichnet.“ Die zierliche japanische Tänzerin Öta Hisa beeindruckte ganz Europa. Vor allem die Künstler des Expressionismus waren begeistert von der Performance der ehemaligen Geisha, insbesondere von der etwa halbstündigen Sterbeszene. Öta Hisa lag im Trend der Zeit, der die Epoche der Globalisierung schon einläutete.
Auf den drei Pariser Weltausstellungen Ende des 19. Jahrhunderts trafen moderne und archaische Welten, Technik und Tradition, Elektronik und Mystik geballt aufeinander. In diesem optimistischen Rausch der Moderne, der erst durch den ersten Weltkrieg endete, wurde alles Unbekannte begeistert aufgenommen. Mit dem Zyklus von 50 Köpfen, Masken und Büsten sowie Zeichnungen von Madame Hanako schuf der große französische Bildhauer Auguste Rodin bedeutende Kunstwerke der frühen Moderne.
Durch ihn wurde Öta Hisa, die nach ihrer Rückkehr nach Japan kaum jemand noch in ihrer Rolle als Madame Hanoko kannte, unsterblich. Dass dabei von Anfang an Projektionen und Spiegelungen im Spiel waren, war ein besonderes Kennzeichen dieses künstlerischen Dialogs. Auch Öta Hisa war bewusst, dass sie Verfälschungen oder Klischees hinnehmen musste, um in Europa erfolgreich zu sein.
Vom schillernd ambivalenten Phänomen der Madame Hanako zeugt das neue Tanzstück „Da Capo“ der zeitgenössischen Künstlerinnen Yui Kawaguchi und Aki Takase, das jetzt beim Festival "Made in Potsdam" in der fabrik uraufgeführt wird. Ähnlich wie Öta Hisa gelangten sie vor Jahren von Japan nach Europa, um dort als Künstlerinnen zu reüssieren. Schon lange sind Aki Takases subtiles Klavierspiel und ihre innovativen Kompositionen anerkannt. Sie gewann zahlreiche Preise, darunter acht Mal den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Yui Kawaguchi ist nicht nur eine hervorragende Tänzerin, sondern auch für ihre ungewöhnlichen Choreografien bekannt, etwa für die Eröffnungszeremonie der ostasiatischen Olympischen Spiele und für das preisgekrönte Tanzprojekt „Flying Bach“.
Seit zehn Jahren arbeiten Takase und Kawaguchi zusammen in ihrer Duo-Reihe „Die Stadt im Klavier“, die ganz unterschiedliche Publikumskreise begeisterte. Im Gespräch mit den PNN erklären Yui Kawaguchi und Aki Takase das Konzept ihrer neuen Produktion. So ist der Titel „Da Capo“ einerseits ein musikalisches Wort, das einer Tradition ihrer früheren Stücke folgt. Zugleich kam die Inspiration vom Phänomen der vielen Köpfe die Rodin von Madame Hanako modelliert hat – auf Italienisch bedeutet da Capo vom Kopf. Für Aki Takase bedeutet der Titel auch ganz schlicht und einfach: „Wir können immer wieder anfangen.“
Es geht bei „Da Capo“ nicht um eine konkrete Nacherzählung, sondern um einen lebendigen Dialog zwischen den Künsten und den Künstlern. Das Stück könnte als „neuer lichtdurchlässiger Vorhang erscheinen“, hofft Aki Takase. Neben und mit Yui Kawaguchi tanzt Kofie da Vibe, ein Spezialist für Hip Hop und Krump, ein afroamerikanischer, sehr schneller Tanzstil. Das Piano von Aki Takase spielt mit der Bassklarinette von Louis Sclavis aus Frankreich und den elektronischen Klängen von DJ Illvive aus Berlin. So entstehen kurze Szenen, die das damalige Geschehen um Madame Hanako mit der Gegenwart verknüpfen. Doch es geht nicht um fertige Antworten, sondern um den Dialog, erklärt Yui Kawaguchi: „Ins Theater kommen die Leute, die nicht nur auf die Antwort ihrer Frage warten, sondern die einfach am Suchen sind. Immer wenn ich auf der Bühne bin, möchte ich sie als ein lebendiger Mensch ansprechen können.“
In diesem Sinne antwortet sie auf die Frage, was der zeitgenössische Tanz für sie bedeutet: „Die Haltung, am Suchen zu sein.“ Die Pianistin Aki Takase sieht die Unterschiede zwischen den Künsten Musik und Tanz, die getrennt existieren, doch sich auch treffen können, wie etwa in einem Tanzprojekt. Sie liebt die Bewegungen des Tanzes und „echte Musik, egal ob es Moderne Musik oder Alte Musik“ ist. Für „Da Capo“ schuf sie eine ausgewogene Mischung aus Komposition und Improvisation innerhalb der Struktur der einzelnen Szenen beziehungsweise Stücke. Sie zeigen, wie in den Städten unserer Zeit Menschen wandern und Kulturen einander begegnen. Ständig entstehen neue Töne und Formen, die überraschen und bewegen, doch gleich wieder vergehen. Im besten Fall bleibt die Erinnerung an einen hellen Vorhang aus Tönen und Licht.
» Deutschlandpremiere von „Da Capo“ am Samstag, 12.01.2019, um 20.45 Uhr, fabrik Potsdam, Einzelkarten 10 bis 14 Euro
Das Programm
Mittwoch, 9. Januar
19 Uhr, fabrik-Café: „Reisende Körper im Außen“: Video-Arbeiten von Filmemacher Oscar Loeser
19.30 Uhr, Bühne fabrik: Feeding Back (Vorpremiere) mit David Brandstätter & Malgven Gerbes
Donnerstag, 10. Januar
20 Uhr, Kunstraum: Vernissage „Eine Frage der Zeit“: Künstler aus dem Rechenzentrum
20.30 Uhr, im T-Werk: Anna Nowicka „Raw Light“
Freitag, 11. Januar
19 Uhr, Kunstraum: „Feedback“ mit Brandstätter & Gerbes
19 Uhr, fabrik-Garten: Trip - Henn Millers Music Van
21.30 Uhr, fabrik-Bühne: Le Grand Continental. Oscar Loesers Film über das größte Amateur-Tanzprojekt in der Geschichte der fabrik
Samstag, 12. Januar
19.30 Uhr, im T-Werk: Anna Nowicka „Raw Light“
20.45 Uhr, fabrik-Bühne: Da Capo mit Yui Kawaguchi & Aki Takase
Sonntag, 13. Januar
11 Uhr, fabrik-Café: Manja Präkels & Der singende Tresen
Babette Kaiserkern
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