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Hellsville nennen die Häftlinge in Texas den Ort ihrer Hinrichtung. Pentrop hat ihn hier der Form des Hollywood-Schriftzugs verewigt.
© Andreas Klaer

Ausstellung im Atelierhaus Panzerhalle: Postkarten aus dem Todestrakt

Die Künstlerin Anja Pentrop arbeitet mit US-Häftlingen zusammen, die auf ihre Hinrichtung warten. Dabei entstehen zarte Bilder von einem unmenschlichen Ort.

Wie ein Wispern hängen sie an der Wand, die Schreie der Verzweiflung. Weiße Schriftzüge auf weißen Leinwänden, fast unsichtbar: „Die Isolation macht mich wahnsinnig“, oder „Liebe kenne ich nur aus Büchern“. Es sind Zitate von Todeskandidaten, die, weit weg von Potsdam, in US-Gefängnissen auf ihre Hinrichtung warten. Manche seit acht Jahren, manche mehr als 20 Jahre. Längst nicht bei allen ist klar, ob sie wirklich schuldig sind. „Seit die Todesstrafe in den 1970er-Jahren wieder eingeführt wurde, sind 143 Häftlinge wieder entlassen worden, die Dunkelziffer an Unschuldigen ist vermutlich höher“, sagt Anja Pentrop.

Die Potsdamer Künstlerin arbeitet im Atelierhaus Panzerhalle, dort entsteht gerade ihre Ausstellung „Death Penalty vs. Human Rights“, die an diesem Sonntag für Besucher öffnet. Die werden sich vermutlich als Erstes fragen, wie zur Hölle eine Potsdamer Künstlerin auf dieses Thema kommt. Gibt es nichts Naheliegenderes? Für Anja Pentrop lag es allerdings tatsächlich eines Tages vor der Nase: „2009 gab es Verkehrschaos auf der Hegelallee, nichts ging mehr und ich musste anderthalb Stunden auf den Aufkleber meines Vordermanns starren – einen NPD-Aufkleber mit der Forderung nach einer Todesstrafe für Kinderschänder.“ So weit weg ist die Todesstrafe also doch gar nicht. Auch in der DDR wurden Menschen hingerichtet und nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ rief auch die französische Politikerin Marine le Pen wieder danach.

Nicht alle Todeskandidaten dürfen Brieffreunde haben

Anja Pentrop begann also zu forschen, im Internet gibt es zahlreiche Blogs, einige befreundete Künstler pflegten schon länger Brieffreundschaften mit Todeskandidaten. „Das muss man sich aber gut überlegen, ob man selbst emotional belastbar genug ist, man weiß nie, welche Antwort man bekommt.“ Inzwischen ist sie mit Insassen aus beinahe allen US-Gefängnissen in Kontakt, auch wenn das rechtlich nicht immer einfach ist. Manche Knäste erlauben den Todeskandidaten nicht, online nach einem Brieffreund suchen zu lassen oder ein Brieffreund-Gesuch zu veröffentlichen. Zugang zum Internet haben sie ohnehin nicht, Brieffreundschaften zu pflegen, das geht nur über Unterstützer von außen. Viele Gefängnisse erheben zudem für die Nutzung entsprechender Seiten hohe Gebühren. Das können sie, weil die meisten Gefängnisse in den USA privatisiert sind.

Liest man die Zitate aus den Briefen, die Anja Pentrop verwendet und zu denen sie etwa kleine Zeichnungen anfertigt, versteht man, warum die Gefängnisse so rigide gegen Kontakt zur Außenwelt sind: Da schreibt einer von seiner schweren Krebserkrankung, den Schmerzen, die sein mittlerweile offenes Geschwür ihm verursacht – und dass er dennoch keinerlei medizinische Versorgung erhalte. Oder die ständige Isolation, „außer beim Handschellenanlegen erfahren die Häftlinge nie eine Form von Körperkontakt“, so Pentrop. Wer dann die Arbeiten der Häftlinge sieht, die Pentrop neben ihren eigenen Bildern ausstellt, die Worte liest, die sie auf ihre Fragen antworten, ist umso bestürzter. Bei einer Postkartenaktion etwa fragte Pentrop nach acht Stichpunkten, einem Rezept für das Leben. „Sharing sunsets“ steht da etwa, also Sonnenuntergänge zu teilen, gleich darüber Begriffe wie Liebe, Solidarität, Ambition. Ambitionen, im Angesicht des Todes? „Viele fangen im Todestrakt an, Philosophen zu lesen, Sartre, Nitzsche“, sagt Pentrop. Manche von ihnen haben überhaupt erst in der Haft lesen gelernt.

Am Sonntag, dem 25. Januar, zeigt Anja Pentrop die Arbeiten in ihrem Atelier in der Panzerhalle, Seeburger Chaussee 2 in Groß Glienicke.

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