Helmut-Newton-Ausstellung im Museum für Fotografie: Posen ohne Hosen
XXXL-Format: „Helmut Newton: Sumo“ im Berliner Museum für Fotografie.
Sie sind zu fünft. An den das Treppenhaus belagernden „Big Nudes“, 1980 von Helmut Newton in Paris fotografiert, kann man sich unmöglich vorbeischleichen. Drohend wie Wächterinnen wirken sie, mit straffer Haut und Brüsten wie gepanzert, ein starkes Geschlecht, an dem jeder begehrliche Blick abprallt. Newtons Amazonen haben von jeher Kontroversen ausgelöst, Alice Schwarzer nannte sie „faschistisch“. War Helmut Newtons Kamera nun das Vergrößerungsglas weiblicher Selbstbestimmung oder deren Zerrspiegel?
Think Big: Mit der Ausstellung „Helmut Newton: Sumo“, die auch den gleichnamigen Bildband noch einmal herausstellt, feiert das Museum für Fotografie seinen fünften Geburtstag. Herzstück des Hauses ist die Newton-Stiftung mit dem riesigen Archiv des Fotografen, der als Sohn jüdischer Eltern 1938 aus Berlin vertrieben wurde, seit den Fünfzigern eine Weltkarriere als Mode-, Werbe-, Akt- und Portraitfotograf machte, 2004 verstarb und wunschgemäß in Berlin-Friedenau beerdigt wurde.
Als das Sumo-Buch vor zehn Jahren herauskam, glich der 3000 Mark teure, 464 Seiten starke und 35 Kilo schwere Band eher einer Eichentischplatte denn einem Coffeetable-Book. Den verchromten Ständer gab’s dazu, entworfen von Philippe Starck. Und auch die jetzt vom Taschen Verlag herausgegebene, verkleinerte „Volksausgabe“ passt in keinen Rucksack. Im aufgeblätterten Zustand füllt das Buch zwei Säle. Die Witwe des Fotografen fühlte sich angesichts der im Doppelseiten-Layout präsentierten Drucke an Tapeten erinnert. Allerdings an „ziemlich gute Tapeten“, wie June Newton einräumte. „Gemustert“ sind sie mit allem, was im Jetset und Supermodel-Gewerbe Rang und Namen hat. Neben all den Cindys, Claudias und Naomis in aufreizend unnahbaren Posen ist jede Menge Show-Prominenz aufgeboten, für die Newton jedoch nur selten Samtteppiche ausrollt: Düster blickt Luciano Pavarotti einem Auftritt entgegen (1993). Cathérine Deneuve, mit einem Revolver bedroht, presst sich an eine Kachelwand (1983). Von Wynona Ryder wollte Newton 1992 nur den abgetrennten Kopf – den Polyesterdummy aus einem „Dracula“-Film.
Die Schattenzonen Hollywoods, der Pariser Laufstege oder monegassischer Theaterlogen dominieren auch im zweiten Teil der Ausstellung. Dort sind Originalabzüge aus der Privatsammlung Benedikt Taschens zu sehen, eine Auswahl von Druckvorlagen fürs Sumo-Buch. Wie anders dieselben Bilder wirken! Statt von Bild zu Bild zu springen, lässt man sich eher auf Solitäre, Bilderfindungen und kühne Kompositionen ein: Liz Taylor ragt samt grünem Papagei am Finger aus dem Swimmingpool (1989), eine nackte Schöne humpelt mit Krücke durch ein Berliner Hotel, ihr Hals ist mit einer Orthese ver(un)ziert (1977). Auch das berüchtigte Brathuhn mit brutal gespreizten Schenkeln (1994) findet sich noch einmal. Weniger spektakulär denn atmosphärisch wirkt ein Ensemble von Berlin-Bildern mit Currywurst essenden oder elegisch an Birkenstämmen lehnenden Models (1979).
Der guten Tradition gemäß werden der Newton-Schau andere Fotografen-Positionen gegenübergestellt. Die „Three Boys from Pasadena“ – Mark Arbeit, George Holz und Just Loomis haben als Assistenten für Newton gearbeitet. Noch vor den mitunter arg auf „Kunst“ getrimmten Inszenierungen seiner Kollegen überzeugt Loomis mit lakonischen Blicken in den US-Alltag: Ernste Gesichter, elegisches Amerika, Fotografie Noire.
Helmut Newton Stiftung im Museum für Fotografie, Jebensstr. 2, bis 31. Januar 2010, Di-So 10-18 Uhr, Do bis 22 Uhr.
Jens Hinrichsen
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