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"Aus Liebe zum Überleben" von Regisseur Bertram Verhaag.
© Filmmuseum Potsdam

Ökofilmtour startet in Potsdam: Poesie auf dem Bauernhof

Bertram Verhaag „Aus Liebe zum Überleben“ eröffnete die 14. Ökofilmtour im Potsdamer Filmmuseum. Die Dokumentation zeigt die ehrliche Poesie des nachhaltigen Landlebens. 

Potsdam - Gehörnte braune Rinder auf sattgrüner Weide, sich im Schlamm wälzende vergnügte Schweine und dazwischen allerlei fröhlich schnatterndes Federvieh. Diese und noch viel mehr positive Bilder aus nachhaltiger Landwirtschaft kann man in Bertram Verhaags neuem Dokumentarfilm „Aus Liebe zum Überleben“ genießen, der am Mittwochabend zur Eröffnung der 14. Ökofilmtour als Uraufführung im Filmmuseum gezeigt wurde.

Wie im Paradies? Oder Ökospinnerei? Karl Ludwig Schweisfurth, einer der mehr als ein Dutzend Protagonisten, die Verhaag vor allem in Bayern und in der Schweiz filmte, bezeichnet dies als symbiotische Landwirtschaft, eine, die allen, die daran beteiligt sind, nutzt. Also den Tieren und Pflanzen untereinander, Mensch und Tier, Boden und Luft und auch den Verbrauchern und ihren Nachkommen.

Ein warmes Schweineherz in den Händen

Die Verbraucher lädt Schweisfurth regelmäßig in seine Herrmannsdorfer Landwerkstätten ein, um live bei einer Schweineschlachtung dabei zu sein. „Genauso sieht es bei Ihnen auch aus“, sagt er, während die inneren Organe des frisch geschlachteten Tieres vor ihren Augen auf den Tisch gelegt und auseinandergenommen werden. Jeder, der es will, kann das noch warme Schweineherz in seine Hände nehmen. 

Wenig später sitzen alle beisammen und lassen sich die ersten Blut- und Leberwürste mit Sauerkraut schmecken. Noch vor 50 Jahren war dies auf dem Land ein ganz normaler Vorgang und das Schlachtfest ein Höhepunkt dörflichen Lebens. Die industrialisierte Landwirtschaft hat viele dieser Ereignisse – wie auch die Hörner der Rinder – wegrationalisiert, und nicht nur dadurch die meisten Menschen den natürlichen Vorgängen total entfremdet.

Die Poesie bäuerlichen Arbeitens

Verhaags Film zeigt sehr sinnlich und ungemein berührend, was nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft mit den Menschen, den Tieren, dem Boden und auch der Gemeinschaft macht. Sie bringt sie gemeinsam wieder in einen lebenswerten und gerechten Rhythmus, der sich schon in den Anfangssequenzen des Filmes bei den Stierkämpfen auf der Weide zeigt oder auch bei der Sennerin, die am liebsten jeden Tag mit fröhlicher Andacht buttern würde.

Verhaags Film nähert sich in acht Episoden der Ursprünglichkeit, Tiefe, ja der Poesie bäuerlichen Arbeitens und Lebens und zeigt, dass nur, wenn der Mensch im Einklang mit der Natur lebt, er auch seine Natur lebt. Denn auch das erzählt ein Bauer, dass er selbst depressiv wurde, als er seine Kühe gnadenlos dem allgegenwärtigen Leistungsstress aussetzte.

Überhaupt: In Verhaags Film bekommt man einen wunderbar neuen Blick auf die überaus sensiblen Rindviecher vermittelt. Und auch auf gesunde Bodenökologie und regionale handwerkliche Lebensmittelverarbeitung. Er sollte schon in Grundschulen gezeigt werden.

Noch hat der Film keinen Verleih

Bevor es bei der 14. Ökofilmtour zur Aufführung kam, gab es wie immer ein umfangreiches Vorprogramm, unter anderem mit einem inspirierenden literarisch-musikalischen Auftritt von Tobias Morgenstern und Jens-Uwe Bogadtke vom Theater am Rand Zollbrücke, das seit zehn Jahren auch Festivalort der Ökofilmtour ist, die bis Ende April an 70 Orten in Brandenburg fast 60 verschiedene Filme zeigt.

In der Diskussion mit Regisseur Verhaag sowie dem Landestierschutzbeauftragten Stefan Heidrich und Carlo Horn, Fachberater für Umstellungen auf Öko-Landbau, wurde klar, dass die Hinwendung beziehungsweise Rückbesinnung auf nachhaltige landwirtschaftliche Produktion alternativlos ist. Horn erzählte, dass inzwischen Amerikaner zu ihm nach Brandenburg kämen, um sich in Ökolandbau unterrichten zu lassen.

Allerdings sagte er auch, dass nur ein Drittel vorher konventionell wirtschaftender Betriebe den Umstieg überhaupt schaffen. Verhaags Film zeigt indes Menschen, die ihn geschafft haben, und macht anderen Mut dazu. Der Film hat bisher noch keinen Verleih gefunden und wurde vom 74-jährigen Dokumentarfilmer selbst finanziert. 

Astrid Priebs-Tröger

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