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© promo

Theologie im Museum Barberini: Picassos Sehnsucht nach der Wilden

Wie die Bibel Einfluss auf Picassos Werk nahm - das war Thema bei einer Führung "Kunst und Theologie" im Potsdamer Museum Barberini.

Von Helena Davenport

Pablo Picasso zerlegte seine Umwelt in geometrische Formen, er abstrahierte, gab Gesichtern manchmal drei, vier, fünf Nasen, um verschiedene Perspektiven in einer Ansicht zu verschmelzen. So könnte man auch „Jacqueline in einem Sessel“ (auf dem Foto die 2. v. r.) von 1962 betrachten. Das Werk hängt gerade im Museum Barberini. Man könnte sich vor das Porträt seiner zweiten Frau setzen und die Genialität des großen Meisters bewundern, mit der er die rund 46 Jahre jüngere Französin in ihrer Gänze darzustellen wusste. Samt ihrer Bewegungen nämlich, die er vielleicht an ihr beobachtete, während sie Modell saß, oder die er ihr zuschrieb, um sie als lebendigen Menschen zu zeigen. Auch die eigene Zuneigung nahm er in das Bild mit auf. Jedenfalls könnte man annehmen, einen flüchtigen Kuss zu erkennen, von einem weiteren Kopf, der quasi wie ein Puzzleteil in Jacquelines Gesicht passt.

Das Alte Testament wirkte an Picassos Gemälde mit

Bei einer Führung am Donnerstag mit dem Titel „Kunst und Theologie“ sprach Kunstvermittlerin Dorothee Entrup einen weiteren Aspekt an: Der spanische Künstler habe seine Frau als Madonna dargestellt. Erkennbar sei dies an Jacquelines Haltung und an der Farbigkeit, dem blauen Gewand und dem roten Stuhl. Und der dargestellte Hund könne als Ersatz für das fehlende gemeinsame Kind stehen.

Die Reihe will das Barberini im Oktober fortsetzen. Dass es sich lohnt, ganz genau hinzuschauen, demonstrierte auch die Pastoralreferentin von St. Peter und Paul, Eva Wawrzyniak, die als zweite Vortragende eingeladen war. Die Theologin ging noch einen Schritt weiter und verknüpfte Picassos Gemälde mit dem Hohelied Salomos aus dem Alten Testament, das wegen seiner Erotik in der Kirche kaum Erwähnung findet. „Dein Hals ist ein Turm aus Elfenbein“, heißt es da – und das passt haargenau zu Picassos Bild. Genauso passend ist eine andere Passage, in der die Nase der Besungenen mit dem Libanonturm verglichen wird. Auf dem Gemälde sind mehrere Nasen zu sehen, die in viele Richtungen zeigen. Auch der Turm stehe für Wehrhaftigkeit, Wachsamkeit, sagte Wawrzyniak. Picasso habe seine Frau als eine, die unerreichbar ist, dargestellt.

Der Mensch sehnt sich nach Schutz, aber auch nach Abenteuer

Den Hund, den Jacqueline mit ihrer Hand tätschelt, brachte Wawrzyniak mit den im Hohelied beschriebenen Tieren in Verbindung. Die Beschreibungen dort würden wiederum an die griechische Göttin Artemis erinnern, die Wilde, die nicht zu bändigen ist.

Der Vergleich sei belustigend, schloss die Theologin, schließlich wisse man, dass Picasso seine Frau eher an der kurzen Leine gehalten habe. Aber vielleicht habe auch er zwei Sehnsüchte empfunden: die nach Häuslichkeit und die nach Abenteuer.

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