Musikfestspiele Potsdam Sanssouci: Nicht analog, dafür unter Palmen
Die Musikfestspiele planen ihr Jubiläum 2021 virtuell – mit einer Resthoffnung auf Live-Publikum.
Potsdam - Als Dorothee Oberlinger, die Künstlerische Leiterin der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, Ende April im PNN-Interview ihre Enttäuschung über das erneut abgesagte Festival äußerte, fiel nebenbei ein vielsagender Satz. Ein Zitat von Anna Prohaska: „Gestreamte Konzerte vereinen das Schlechteste aus beiden Welten.“
Streaming ist Kompromiss. Bietet weder das Adrenalin eines Live-Auftritts, noch die Perfektion einer Studioaufnahme. Nicht das Bestmögliche, aber immerhin eine Möglichkeit. In den letzten Wochen das einzig Mögliche. Inzwischen ist das anders, ab 3. Juni könnten, wenn die Landesregierung das kommende Woche so beschließt, sogar wieder Konzerte in Räumen stattfinden. Theoretisch. Als die Festspiele aber im März planen mussten, sah das anders aus. Die Inzidenzen stiegen. Man sagte alle Live-Aufführungen ab, gab rund 10.000 verkaufte Tickets zurück.
„Flower mit Power“
Die 30. Ausgabe der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci wird also vom 11. bis 27. Juni virtuell stattfinden: in Form von gestreamten Konzerten. Das Thema, in Anlehnung an das geplante Hippie-Motto von 2020: „Flower mit Power“. In Bezug auf die „Pastorelle en musique“ sagte Oberlinger im April: Kostüme und Bühnenbild gebe es bereits, „daher ist uns sehr daran gelegen, dass das stattfinden wird. Notfalls digital.“
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Der Notfall ist jetzt da. Und er hat auch Vorteile: Alle Konzerte werden zwar nur online, dafür aber kostenlos zugänglich sein. Wer will, kann freiwillig Eintritt bezahlen. Genug Plätze für alle. Und wenn der Plan der Macher:innen aufgeht, wird auch eine ganz neue Nähe zu den Künstler:innen möglich. Interaktiv, so lautet das neue Schlagwort. Der Nikolaisaal hat in seiner wöchentlichen Reihe mit Zoom-Konzerten bereits ausprobiert, wie das geht.
Telemann-Oper als Herzstück
Am 19. Juni um 20 Uhr wird das Herzstück des diesjährigen Festivals, Telemanns Oper „Pastorelle en musique“, nun im leeren Schlosstheater Premiere haben. Das Publikum wird sich zuschalten können – und auch mitreden. Direkt im Anschluss stellt sich Dorothee Oberlinger live einem Zoom-Interview. Überhaupt wollen die Musikfestspiele das ganze Potenzial des ungeliebten Digital-Formats ausschöpfen: Wenn schon, denn schon.
Dafür hat man sich die am Aktionstag von KulturMachtPotsdam erprobte Expertise des Theaterensembles FritzAhoi! um Sina Schmidt an Bord geholt. Damals wurde gezeigt, wie sinnlich und spielerisch Live-Kultur virtuell erlebbar werden kann – wenn man sich drauf einlässt. Es gab unter anderem eine vituelle Bar, an der sich das Publikum treffen konnte. So soll es auch bei den Musikfestspielen sein, der Name steht schon: „Zur Goldenen Palme“. Eine Anspielung auf die Dekoration im historischen Schlosstheater.
Junge Philharmonie Brandenburg macht den Auftakt
Den Auftakt am 11. Juni macht die Junge Philharmonie Brandenburg, ebenfalls im Schlosstheater. In einem moderierten Zoom-Konzert spielen die Musiker:innen zwischen 13 und 24 Jahren Bachs „Brandenburgische Konzerte“ – die 2021 ebenfalls Jubiläum feiern: Vor 300 Jahren wurden sie erstmals veröffentlicht. Und noch ein Konzert markiert den Festivalbeginn am 11. Juni: „Händel & Hendrix“, unter Leitung und Mitwirkung von Dorothee Oberlinger.
Der Countertenor Dmitry Sinkovsky, die Harfinistin Margret Köll, der Gitarrist Lee Santana und der Organist Sebastian Wienand spielen Händel – und Jimi Hendrix. Die Verbindung: 1968 bezog Hendrix in London eine Wohnung direkt neben Händels Haus. Kaufte sich Händelplatten, jammte über „Messiah“ und „Belshazzar“ und soll auch Händels Geist im Spiegel erblickt haben. Wie diese Liaison musikalisch klingen kann, zeigt das Ensemble B’Rock. In der Friedenskirche.
Alle Konzerte finden vor leeren Sälen statt
Ebenfalls nah dran am Thema „Flower Power“ ist die „klavierpoetische Blütenlese“ mit Carsten Hinrichs am 22. Juni im Palmensaal des Neuen Gartens: Werke quer durch den Hammerklaviergarten unter anderem von Ludwig van Beethoven, Nils Wilhelm Gade und Felix Mendelssohn Bartholdy.
Alle Konzerte werden vor leeren Sälen stattfinden. Ob oder wie sich die Sitze eventuell doch noch füllen lassen, wird im Moment geprüft, sagt Geschäftsführerin Heike Bohmann. Unter den nunmehr verworfenen Festivalkonzepten für 2021 war auch eins mit 500 Open-Air-Veranstaltungen. Aber das ist Schnee von gestern.
Jetzt gilt: Aufs Jetzt schauen, Fragen klären. In welchem Abstand dürfte Publikum sitzen, welche Belüftungsvorgaben gelten für Innenräume? Die Hürden der Pandemie. Aber: „Wir haben uns angewöhnt, positiv zu denken“, sagt Bohmann. „Sonst würde gar nichts mehr gehen.“
Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci laufen vom 11. bis 27. Juni. Das gesamte Festivalprogramm ist zu finden unter www.musikfestspiele-potsdam.de