Rat für Kunst und Kultur: Neuanfang für Kulturrat in Potsdam
Potsdams Rat für Kunst und Kultur hat sich neu gefunden und im Verborgenen schon einiges bewirkt. Jetzt will er auch sichtbar werden.
Berlin hat ihn seit fast einem Vierteljahrhundert, Düsseldorf seit ein paar Tagen – und auch Potsdam hat einen, seit zwei Jahren schon. Die Rede ist vom Rat für Kunst und Kultur. Ein unabhängiges, spartenübergreifendes Gremium, das sich für die Belange von Kreativen und Kulturschaffenden einsetzen will. Was es in Potsdam bislang relativ unbemerkt tat. Das soll sich jetzt ändern. Am 3. Mai holt Potsdams Rat für Kunst und Kultur aus zur Öffentlichkeitsoffensive: Fünf Kandidaten der Oberbürgermeisterwahl im September sollen sich in einer Debatte den brennenden Kulturfragen der Stadt stellen. Es dürfte um die Zukunft des Rechenzentrums gehen, um Förderungsschwerpunkte, Probenräume, und um die Frage, welche Art von Kultur man im Stadtzentrum will – ums große Ganze also. Geladen sind Götz Friedrich (CDU), Martina Trauth (Linke), Lutz Boede (Die Andere), Janny Armbruster, (Grüne) und Mike Schubert (SPD).
Wer steht hinter diesem Rat, was hat er vor? „Die Idee ist vor drei Jahren entstanden, aus der Wahrnehmung heraus, dass die Kulturschaffenden in Potsdam letztlich immer vereinzelt kämpfen“, sagt Sabine Chwalisz, die Sprecherin des Rates. Im Sommer 2015 setzte man sich zuerst zusammen. Eine Kerngruppe, zu der damals neben Achim Trautvetter und André Tomczak auch Kammerakademie-Geschäftsführer Alexander Hollensteiner gehörte, arbeitete eine Verfassung aus, verfasste eine Satzung. Vorbild war Berlin.
„Wir brauchten einen Neuanfang“
Im März 2016 wählten dann etwa 80 Kulturschaffende auf einer Vollversammlung den ersten Rat, bestehend aus Jens-Uwe Sprengel (T-Werk), Sirko Knüpfer (Kombinat), Julius Burger (Mitglied der Kulturlobby), dem Dirigenten Ud Joffe (Neues Kammerorchester Potsdam), Katja Dietrich-Kröck (Kreativwirtschaft), der Künstlerin Annette Paul (Stadtteilnetzwerk Potsdam-West) und Sabine Chwalisz, der Leiterin der fabrik. Dieser erste Rat stand unter keinem guten Stern. Es gab „Hindernisse in der Zusammenarbeit“, wie Chwalisz es formuliert. Es sei schwierig gewesen, zu Einigungen und Themen zu kommen. Mehr will sie dazu nicht sagen. Die Eigeninteressen einiger seien stärker gewesen als der Impuls, gemeinsam weiterzukommen, hört man. „Wir brauchten einen Neuanfang.“
Im November 2017 wurde dieser Neuanfang gemacht (PNN berichteten). Die Satzung wurde überarbeitet, ein neuer Rat gewählt. Allerdings nur von etwa 30 Anwesenden. Ja, beim ersten Anlauf war mehr Schwung drin, sagt Sabine Chwalisz – aber dafür sei man jetzt konzentrierter, einiger. Der Rat trifft sich einmal im Monat. Mitglieder sind aktuell Sabine Chwalisz, Katja Dietrich-Kröck, Annette Paul, Jens-Uwe Sprengel – sowie neu die Künstlerin Marianne Gielen, der Architekt Nikolai Koehler und Achim Trautvetter, der Geschäftsführer des Jugend- und Kulturzentrums Freiland. Trautvetter hat die Versuche der AG Jugend und Soziokultur erlebt, sich 2008/2009 für diese Kultur stark zu machen – und er hat sie als Scheitern erlebt. Damals musste der Club Spartacus schließen, Potsdams Soziokultur war in der Krise. „Die AG hatte sich totgelaufen“, sagt Trautvetter. „Daher war der Gedanke des Rats sehr willkommen, sich in dieser Stadt nochmal in größerem Zusammenhang ein stärkeres Gehör zu verschaffen.“
Herzstück der bisherigen Arbeit des Rates ist das Rechenzentrum
Und womit beschäftigt sich der Rat aktuell? Er ist in die Pläne für einen neuen Fördertopf für Festivalförderung involviert, hierfür hatte er eine AG gegründet. Die Idee, durch einen zusätzlichen Fördertopf den Kampf um Projektgelder der Stadt zu minimieren, unterstützt er. Hier zeigte das Gremium, was es betragen kann, nämlich Expertise grundsätzlichen Fragen: Was macht Festivals aus, welche braucht Potsdam? Es geht um immerhin 100 000 Euro, die ab 2019 Festivals jenseits von geförderten Institutionen zugutekommen sollen.
Herzstück der bisherigen Arbeit des Rates ist jedoch das Rechenzentrum. „Eine ganz wichtige Forderung des Rates ist, dass die zeitgenössische Kunst und Kultur sichtbarer wird in dieser Stadt, die hauptsächlich geprägt ist von historischen Traditionen“, sagt Annette Paul. „Diese Positionen haben es schwer, in der Stadt wahrgenommen zu werden, und dafür setzen wir uns ein.“ Ihr geht es um das Prinzip der Teilhabe – über eine weitere Form der Kultur, nämlich die der Debatte. Ein Kunst, für die der Rat einstehen will.
An mehr als 15 Veranstaltungen war der Rat für Kunst und Kultur rund um die Szenario-Workshops um die Zukunft des Rechenzentrums maßgeblich beteiligt. Auch bei den Workshops waren Mitglieder des Rates dabei, versuchten zu vermitteln, Emotionen in Argumente umzuwandeln. Es ging um die grundsätzliche Ausrichtung der Stadt. „Will man den neu bebauten Norden der Stadt zu einer Schlafstadt machen, in der Jugendkultur keinen Platz hat?“, auch das treibt den Rat um, sagt Trautvetter.
Neiddebatten sollen vermieden werden
Neiddebatten, die die Szene auseinanderdividieren, sollen vermieden werden, freie und städtische Kulturschaffende nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden. Solidarität heißt das Credo, das diesen Rat antreibt. „Das Ziel ist, die gesamte Bandbreite von Kultur aufzuzeigen – und letztlich auch die Aufteilung zwischen Hochkultur und freier Kultur aufzuheben“, sagt Sabine Chwalisz.
Wo aber ist die Kammerakademie, wo der Nikolaisaal, wo das Hans Otto Theater? Im Rat jedenfalls nicht. Immerhin: Die künftige Intendantin Bettina Jahnke war bei der letzten Vollversammlung zugegen, hat ihre Pläne für das Hans Otto Theater vorgestellt. Aber sie habe sich noch nicht in der Position gesehen, sich auch für eine Wahl aufstellen zu lassen. Noch?
Auch Alexander Hollensteiner, als Geschäftsführer der Kammerakademie Potsdam ein weiterer Vertreter der „großen Player“ in Potsdam, war bei jeder Vollversammlung mit dabei, hat auch den neuen Rat mitgewählt. Fühlt er, Hollensteiner, sich von einem Rat vertreten, der nur aus freien Kulturschaffenden und Mitgliedern der freien Szene besteht? „Ja“, sagt er. „Voll und ganz.“ Im Übrigen habe er selbst sich zur zweiten Wahl zwar nicht aufstellen lassen, stehe aber bei Bedarf als Berater zur Verfügung.
Podiumsdiskussion mit den OB-Kandidaten am 3. Mai um 17.30 Uhr in der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam.
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