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Eloquent. Eugen Ruge schrieb seinen Debütroman schnörkellos, warmherzig und mit Humor.
© Doris Spiekermann-Klaas

Kultur: Mit großartiger Leichtigkeit

Eugen Ruge las aus „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ in der Waschhaus Arena

Recht auskunftsfreudig und eloquent zeigt sich Eugen Ruge am Donnerstagabend in der fast ausverkauften Waschhaus Arena im Anschluss an seine Lesung. Im Gespräch mit dem Moderator Carsten Wist erzählt der 57-jährige Autor, der kürzlich für sein Romandebüt „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ den Deutschen Buchpreis erhielt, nicht nur viel über die Entstehungsgeschichte und Hintergründe seines Buches. Auch seine Leidenschaft fürs Marathonlaufen kommt zur Sprache. Durch das Laufen, so Ruge, lerne man seine Kräfte einzuteilen und den Geist auszulüften, was dem Schreiben ja nütze. Auf seine Lesereise sei er hingegen weniger scharf. Es komme nichts Produktives dabei heraus, so der Autor. Doch er räumt ein, dass die Lesung in Potsdam für ihn natürlich etwas Besonderes ist. Auch wenn er schon sehr lange nicht mehr hier wohne, so sei doch Potsdam-Babelsberg für ihn nicht nur mit Kindheitserinnerungen verbunden, sondern tatsächlich der einzige Ort, auf den er den für ihn ansonsten unbekannten Heimatbegriff anwenden könne, so Ruge, der heute in Berlin und auf Rügen lebt.

Teilweise ist Babelsberg, als Neuendorf betitelt, auch Handlungsort in Ruges Roman, der die autobiografisch geprägte, über vier Generationen reichende Geschichte einer Familie und eines untergehenden Landes erzählt. Ruge, der sie nicht nur aus vielen Perspektiven heraus entworfen, sondern auch bar einer strengen Chronologie konstruiert hat, muss deshalb ein Weilchen erläutern und einführen, ehe er ein erstes, vielleicht nicht mal besonders geeignetes Kapitel vorliest.

Der Aufbruch des Kommunistenpaars Wilhelm und Charlotte aus dem mexikanischen Exil in die junge DDR, der früheste Zeitpunkt der Romanhandlung. Ganz ohne Vorerklärungen präsentiert Ruge dagegen ein zweites, längeres Kapitel, das die Kindheit Alexanders, der Hauptfigur und des Autors Alter Ego zum Inhalt hat. Der Vorleser entfaltet hier sein Geschick und zeigt auf beeindruckende Weise, dass jede einzelne Figur auch ihre eigene Sprache spricht; ein Charakteristikum des Romans. Die Szene, in der Alexander bei seinen Großeltern am Abendbrotstisch sitzt, gerät zum wunderbaren Hörspiel. Versonnenheit im Saal zwischen den kurzen Sätzen, die bisweilen aus einem Kinderbuch stammen könnten, so drollig fallen die Schilderungen eines Fünfjährigen aus, so echt, so höchst vergnüglich.

Nicht nur hier, sondern im gesamten und überwiegend viel älteren Personal seines Romans verzichtet Ruge bewusst auf einen wertenden Erzählton. Er wolle die Dinge passieren lassen, meint er, so nah, dass der Erzähler selbst in den Figuren verschwinde. Die häufige Komik ergibt sich so aus etlichen Situationen wie von selbst. Ruges Debütroman ist zudem warmherzig humorvoll geschrieben, in einer schnörkellosen und zugleich unterhaltsam eleganten Sprache.

Für den Theaterregisseur Eugen Ruge war „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ der erste Prosaversuch. Doch gibt er zu, dass er dies schon immer gewollt habe und vom ersten Moment an auch überzeugt von seiner Arbeit gewesen sei. Der außerordentliche Erfolg scheint ihm Recht zu geben. Dass das Buch in bis dato elf Sprachen übersetzt werden soll, wurde schon vor der Veröffentlichung abgemacht. Für einen Autor, dessen erklärter Wunsch es ist, auch verstanden zu werden, ist dies die eigentliche Ehrung. Nur hin und wieder mache man ihm den Vorwurf, sein Roman lese sich zu einfach. Das finde er schlimm, ganz schlimm.

Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts, Rowohlt Verlag, Reinbek 2011, 19,95 Euro

Daniel Flügel

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