F.C. Gundlach: Manche mögen's weiß
Der Fotograf F.C. Gundlach hat Mode gemacht. Den kühlen Ästheten ehrt jetzt der Martin-Gropius-Bau.
„Blau-Weiß geht immer“, sagt F. C. Gundlach und zeigt auf ein Foto von 1956. Da lehnt das Model Püppi Döhler im ausgestellten Kleid an einem Mercedes Coupé, und dahinter sieht man ein Stück Berlin. In Schwarz-Weiß, wie alles auf dem Bild. Dass aber Gundlach sich ein halbes Jahrhundert später wie selbstverständlich an die Kleiderfarbe erinnert, zeigt, wie sehr Deutschlands großer Modefotograf mit seinem Werk verwachsen ist. Keine Ausstellung, die er nicht selbst begleitet, auch wenn die Verantwortung für seine Retrospektive im Martin-Gropius-Bau längst in den Händen jüngerer Kuratoren liegt. Und mit etwas Glück konnte man während der Vorbereitungen auch Gitta Schilling durch die Räume schreiten sehen, Gundlachs Lieblingsmodel der sechziger Jahre – im Pelzcape und jeder Schritt pure Laufsteg-Eleganz.
Sie spiegelt sich auch in den unzähligen Aufnahmen, mit denen Gundlach die Mode durch die Jahrzehnte begleitet hat. Von den Anfängen der Republik, in der sich zumindest die Berliner Haute Couture rasch erholte und dem Fotografen großartige Arrangements vor ausgewählter Stadtkulissen erlaubte. Ein Kostüm von Uli Richter vor der Siegessäule, ein Pepita-Mantel von Schwichtenberg, der Flughafen Tempelhof oder Hosenanzüge von Staebe-Seger im flachen Flitzer auf der Avus. Natürlich inszenierte Gundlach ein Berlin abseits der Trümmer, die niemand mehr sehen wollte. Und immer zeigte er die Kleider so unmittelbar, dass die Leserin der Illustrierten „Film und Frau“ mit dieser einen Ansicht zur Schneiderin eilen konnte. Leisten konnte sich das Original ja kaum jemand.
Anfang der sechziger Jahre schleichen sich dann erste Irritationen in die artifizielle Modewelt. Ihnen gilt das eigentliche Augenmerk der Ausstellung, die neben allem Virtuosentum aufzeigen will, was der Fotograf für seine und noch die nächste Generation geleistet hat. Gundlachs erzählerisches Talent und seine Lust an der grafischen Gestaltung von Mode und Hintergrund sind überall präsent. Dazu die Celebritys der jüngeren Vergangenheit: Romy Schneider, Cary Grant oder Curd Jürgens, die der Fotograf immer wieder aus Blickwinkeln überrascht, mit denen sie nicht gerechnet haben. Manche von ihnen wirken so weicher, andere werden entzaubert.
Dazwischen aber lässt sich ahnen, dass hier eine Gesellschaft im Umbruch begriffen ist. Subtil manifestiert sich das in Fotostrecken wie „P - Rankestraße“, wo ein Kostüm mit Nerzbesatz gegen rostige Straßenschilder und die harte Nachkriegsarchitektur von Egon Eiermann antreten muss. Hart in einer Modereportage auf St. Pauli, in der Betrunkene durch die Szenerie laufen, während das Model alleine, rauchend, in einer Hafenbar sitzt. Für Gundlach kein bizarrer Hintergrund, sondern das Aufscheinen einer neuen Zeit – der Emanzipation.
„Die sechziger Jahre waren der große Bruch. Gesellschaftlich, politisch und in der Kunst“, erinnert er sich. Es war auch Gundlachs großer Moment. Von 1963 an bis weit in die achtziger Jahre prägten seine Modefotos ein Magazin wie „Brigitte“, das in Bestzeiten von jeder Ausgabe über eine Million Hefte verkaufte. Mehr als 180 Cover stammen von ihm, unzählige Modestrecken wirkten stilbildend. Ganz gleich, ob es um die Bonner Abendgarderobe oder den neuen Gypsy- Look ging. Gundlach, der seit vielen Jahren selbst Kunst sammelt, hat auch diese Dokumente in seinen Archiven aufbewahrt. Zum Glück. Cover und Bildstrecken hängen nun neben den 350 Fotos und werden ergänzt von Motiven, die damals in den Redaktionen unter den Tisch fielen. Falscher Blickwinkel, schräge Mimik, steifes Kleid. Zusammen erzählen sie weit mehr, als es die perfekt inszenierten Röcke und Hosen alleine vermögen.
Im Kontext erweitert sich die Perspektive, statt der Mode defiliert ein Stück Zeitgeschichte vorbei. Selbst ein Bild wie Gundlachs immer wieder gezeigtes Porträt von Romy Schneider gewinnt neue Konturen, weil die Ausstellung die ganze Session in kleinen Kontaktabzügen zeigt. Sie machen klar, dass die Schauspielerin hundert Gesichter hatte. Für die Öffentlichkeit aber war nur bestimmt, was der Fotograf am Ende herausgerückt hat.
Martin-Gropius-Bau, bis 14. März.
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