Ausstellung: Lob der Symmetrie
Gefährdetes Erbe: Das Architekturmuseum in Frankfurt am Main würdigt Martin Elsaesser
Wer von der Architektur im Frankfurt der Zwischenkriegszeit spricht, meint Ernst May, den wohl entschiedensten Vertreter des Neuen Bauens. May, Baudezernent der Main-Metropole, und Martin Elsaesser, künstlerischer Leiter des Hochbauamts, kooperierten weniger miteinander, als dass sie sich als Konkurrenten verstanden – wobei Elsaesser ins Hintertreffen geriet. May stand als charismatischer Prediger des Siedlungswohnbaus im Rampenlicht. Elsaesser (1884–1957) zeichnete für kommunale Bauvorhaben verantwortlich, ohne sie als Signale einer neuen Gesinnung anzupreisen. Deshalb genoss er nicht jene Publizität, wie May sie für sich organisierte.
Das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main unternimmt es nun, Elsaesser „aus dem architekturhistorischen Schatten“ zu holen. Der Anlass ist kein kalendarischer, sondern ein kommunalpolitischer: Elsaessers bedeutendster Bau, die 1928 fertiggestellte Großmarkthalle am Main, wird in den kommenden Jahren radikal umgebaut und in ihrem Erscheinungsbild – man kann es nicht anders sagen – zerstört. Die Europäische Zentralbank hatte das riesige, längst außer Dienst gestellte Gebäude erworben, um es nach einem internationalen Wettbewerb vom Wiener Büro Coop Himmelblau zu ihrer Zentrale umrüsten zu lassen. Dabei wird dem 220 Meter langen Bau künftig ein Hochhaus angefügt, der lange, gleichförmig gereihte Korpus der Markthalle jedoch diagonal von einem weit vorkragenden Bauteil durchstoßen. Es handelt sich also um den längst abgegriffenen Typus einer „Intervention“ – durch den jedoch eine Inkunabel des funktionalen Bauens unrettbar verunstaltet werden wird.
Elsaesser hat nie jenes Renommee als Protagonist des Neuen Bauens erwerben können, wie es Gropius oder Mies van der Rohe selbstverständlich zuteil geworden ist. Er war kein radikaler Verfechter des Neuen; „Modernismus um jeden Preis“ lehnte er explizit ab. Vielmehr ging er Kompromisse ein, um zu Lösungen zu gelangen. Seine durchaus schwankenden Positionen hinsichtlich Tradition und Moderne stempelten ihn jedenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg zum Außenseiter. Während die Bauten von Ernst May wortmächtige Verfechter fanden, blieb es um Elsaessers Werk still.
Dabei hat sich erstaunlich viel erhalten. Die Frankfurter Ausstellung macht es in vergleichenden Fotografien der Entstehungs- und der Jetztzeit sowie in detailgetreuen Modellen deutlich. Elsaesser, der in München bei Theodor Fischer, dem Vertreter einer regional verwurzelten Tradition, studierte und diese Herkunft nie verleugnete, liebt die durchaus ornamentale Verwendung von Backstein, während Ernst May auf signalhaft weißen Putz setzt. Desgleichen schätzt er die Symmetrie, wie sie beispielhaft die Großmarkthalle mit ihren identischen Kopfbauten aufweist. Diese sind wiederum durch streng mittige, verglaste Treppentürme akzentuiert. Auch Elsaessers Schulbauten zeigen jenes Beharren auf sacht monumentalem Ausdruck, das Bestreben, ein Stadtquartier zu prägen, statt ihm lediglich einen Zweckbau hinzuzufügen.
Dass ausgerechnet in Frankfurt der mächtigste Bau einer anderen, an herkömmlichen Grundsätzen orientierten Moderne entstand – nämlich die I.G.-Farben-Zentrale von Hans Poelzig 1931 –, hat Elsaessers Leistung zusätzlich in den Schatten gestellt. Dabei steht die Großmarkthalle dem mustergültig renovierten, von der Universität genutzten Poelzig-Bau kaum nach. Aber der Stadt war ihr Erbe nicht genug wert, um im Wettbewerb für den Umbau zur Europäischen Zentralbank auf der Unversehrtheit wenigstens der Gebäudesilhouette zu bestehen. Der Entwurf von Coop Himmelblau, den Radikal-Architekten der sechziger Jahre, ist Schnee von gestern, während Elsaessers besondere Modernität heute eindrucksvoll zutage tritt.
Frankfurt am Main, Deutsches Architekturmuseum, Schaumainkai 43, bis 14. März. Katalog bei Wasmuth, 34 €, im Buchhandel 49,90 €. – DAM-Tagung zu Elsaesser am 11. und 12. Februar.
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