"Lumen et Umbra" im Potsdam Museum: Länger hinschauen
Nie lebensnah und doch viel Verständnis für die echte Schönheit des Lebens: Die Arbeiten der Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Fieguth sind nur noch bis 21. August im Potsdam Museum zu sehen.
Potsdam - Monika Schulz-Fieguths Blick reicht weit. Vom Moment der politischen Öffnung bis zum Privatesten – dem Augenblick, als ihr Freund Peter Herrmann stirbt. Angeschmiegt an seine Frau, die ihn hält. Monika Schulz-Fieguth ist die Dritte im Raum. Das zuzulassen, auch wenn sie eine Freundin ist, erfordert Vertrauen. „Lumen et Umbra“ heißt ihre Ausstellung, die derzeit noch im Potsdam Museum zu sehen ist, die Serie über den Tod hat sie „und plötzlich ist es Nacht“ genannt. Sie zeigt, wie die Potsdamer Fotografin arbeitet. „Die Themen kamen immer zu mir.“
Die Fähigkeit, zu sehen
Das passt auch zum Bild am anderen Ende der Skala. Willy Brandt, bei der Feier zum Tag der Deutschen Einheit 1990. Tränen laufen ihm übers Gesicht. „Ich war akkreditiert als Journalistin, aber damit hatte ich nicht gerechnet – plötzlich gucke ich nach rechts und da steht Brandt, also habe ich meine Kamera herumgerissen“, sagt sie. Dass hinter Brandt auch noch Oskar Lafontaine – damals Ministerpräsident im Saarland und SPD–Kanzlerkandidat – steht, entdeckt Schulz-Fieguth erst, als das Bild entwickelt ist. Sie, die sonst keine Schnappschüsse macht, die sich und der Kamera Zeit lässt, hat – fast zufällig – einen ikonografischen Moment festgehalten. Vorne der überwältigte Brandt, hinten der skeptische Lafontaine, der den Kopf in den Nacken wirft. Anders als Brandt sah er vor allem Kosten und soziale Folgen der Einheit kritisch. Es ist ein untypisches Bild für Schulz-Fieguth, aber es ist ein Beleg für ihre Fähigkeit zu sehen – auch wenn sie in dem Moment gar nicht alles erfasst hat. Zumindest nicht mit den Augen, aber beim Sehen als Künstler geht es eh um das Sehen mit allen Sinnen. Das, sagt Monika Schulz-Fieguth, kann man nicht von Anfang an, nach 40 Jahren als Fotografin ist das auch ein Blick auf den eigenen Reifeprozess.
Studiert hat sie – 1949 in Potsdam geboren – nach einer Ausbildung zur Fotografin in Potsdam von 1977 bis 1982 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, kein Geringerer als Arno Rink wird ihr Mentor. Auf die Idee mit dem Fotografieren war sie gar nicht selbst gekommen, ihr Vater hat es vorgeschlagen. Wie zum Dank durchzieht er ihr ganzes Werk. Da sind ihre Bilder von ihm, bis zum Tod hat sie ihn begleitet. Vorher aber ist sie noch mal mit ihm in seine Heimat, an die kurische Nehrung, gefahren – ihn musste sie überreden, er hatte Angst, weil ja nichts mehr so sein würde, wie er es in Erinnerung hatte. Sie sagte: „Papa, du musst doch einfach nur schauen, wie wunderschön das ist.“ Immer wieder fährt sie hin, vor allem im Winter, geht über die zugefrorene See und fotografiert.
Verständnis für die echte Schönheit des Lebens
Es sind grobkörnige, melancholische Bilder, wie übrigens auch die von ihrem Haus am Heiligen See in Potsdam – ins Kitschige kippen sie nicht. Weil da immer zu viel Ernst in ihrem Blick ist und zu viel Verständnis für die echte – nicht die oberflächliche – Schönheit des Lebens.
Dabei wirken ihre Bilder nie lebensnah, immer irgendwie entrückt. Sie funktionieren ein wenig wie Theater: Sie überhöhen, was ist, dramatisieren es, setzen es in eine Pose – ohne dass die Menschen, die sie porträtiert, posieren – und legen damit etwas frei, was sonst unsichtbar ist. Sie inszeniert, was sie vorfindet – indem sie einfach sehr lange hinschaut.
Das fing an mit der Serie über Hans-Jürgen Treder, den völlig zurückgezogen lebenden Direktor des Zentralinstituts für Astrophysik in Babelsberg, den sie für ein Studienprojekt porträtierte – und dann über 25 Jahre begleitet hat. Es ging weiter mit Künstlerfreunden aus Potsdam wie Peter Rohn, Manfred Nitsche, Christian Heinze und Barbara Raetsch – auch sie fotografierte sie immer und immer wieder, über Jahrzehnte hinweg.
Das Wesentliche strahlt hell
Nur so schafft sie es, in die Seelen der Menschen zu gucken, ein Stück von ihnen festzuhalten. Ein bisschen dürfte ihr helfen, dass sie immer ohne zusätzliche Beleuchtung arbeitet, einfach mit dem Licht, das da ist. Glauben mag man das fast nicht, wenn man ihre Bilder betrachtet. Auch wenn sie fast alle eine große Dunkelheit besitzen. Das Wesentliche aber strahlt immer hell, die Gesichter, die Furchen und Falten, die Augen. Fast immer haben sie etwas Szenenbildhaftes.
Und etwas von alten Gemälden. Vor allem die aus ihrer Kloster-Reihe „ora et labora“, für die sie immer wieder über Wochen im Zisterzienserkloster Heiligenkreuz bei Wien war – weil ein langjähriger Freund sich entschlossen hatte, dort zu leben. Dass sie überhaupt dort fotografieren durfte, während die Mönche beten, schweigen, arbeiten, ist ungewöhnlich. Künstliches Licht ging da natürlich erst recht nicht, geholfen hat ihr die digitale Technik. „Mit den Kameras kann man ja viel, viel höhere Lichtempfindlichkeiten einstellen“, sagt sie. Sprich: Ist die Belichtungszeit lang genug, fängt die Kamera auch noch das letzte Körnchen Licht ein. Das ist es widersinnigerweise auch, was den Bildern diese fast renaissancehaften Farben verleiht, jeden Strahl, der durch die Mauern fällt, zum Symbol für die so hart gesuchte Erleuchtung werden lässt.
Kein Interesse am Schnickschnack
Vielleicht war es auch diese Stille, die sie zu einer ihrer jüngsten Porträtserien gebracht hat: Hier ist nahezu alles schwarz – bis auf die Haut, die manchmal weißen Haare. „Mich stört zunehmend alles, was ablenkt“, sagt Monika Schulz-Fieguth, als sie am Donnerstagnachmittag selbst durch ihre Ausstellung führt. Deshalb verhüllt sie, setzt die Menschen vor einen alles schluckenden Hintergrund, befreit sie von allen Accessoires.
Wer so oft wie sie den Tod gesehen, ihn mit der Kamera festgehalten hat, verliert vielleicht irgendwann das Interesse am Schnickschnack. Nur das Leben selbst zählt, wie sehr sie es schätzt, sieht man am unbedingten Willen zur Schönheit, mit dem sie ihre Bilder formt. Wer lange hinschaut, sieht in allem das Schöne. Und kann am Ende das Ende vielleicht auch besser aushalten. „Auch wenn es immer, auch nach langer Zeit, in der man sich darauf vorbereitet, plötzlich kommt“, sagt sie.
Die Ausstellung „Lumen et Umbra“ ist nur noch bis 21. August im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, zu sehen
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