zum Hauptinhalt
Kurator der Globisch-Schau Thomas Kumlehn und Jutta Götzmann. Kumlehn hat sich intensiv mit der Biographie des Potsdamer Malers auseinandergesetzt.
© M. Thomas

Hubert Globisch war NSDAP-Mitglied: Kurator Kumlehn über die Vergangenheit des Malers: "Eine tiefe Scham"

Vor acht Jahren fand Kurator Thomas Michael Kumlehn heraus, dass der Potsdamer Maler Mitglied der NSDAP war. Erst jetzt machte er das öffentlich. Im Interview erklärt Kumlehn, wie diese Mitgliedschaft zu bewerten ist.

Herr Kumlehn, Sie haben herausgefunden, dass der Potsdamer Maler Hubert Globisch Mitglied der NSDAP war. Wie sind Sie darauf gestoßen?

Ich habe einen Routineantrag beim Bundesarchiv gestellt, was ich in der Regel mache, wenn ich mich ausführlich mit dem Nachlass von Künstlern beschäftige, ebenso beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Im Jahr 2006 habe ich eine Bestätigung des Bundesarchivs bekommen, dass es einen Nachweis auf eine NSDAP-Mitgliedschaft gab. Daraufhin bin ich in das Archiv des früheren Berlin Document Center der US-Armee gefahren. Dort habe ich in aufwendiger Kleinarbeit zusammengetragen, was die Amerikaner an Gaukarteiakten gefunden hatten. Und dort habe ich die Bestätigung gefunden.

Die NSDAP-Mitgliedschaft ist Ihnen seit acht Jahren bekannt, Sie machen das aber jetzt erst öffentlich. Warum?

Ich habe anfangs große Probleme gehabt, den Umstand einzuordnen. Bevor ich den zeitgeschichtlichen und biografischen Zusammenhang der Mitgliedschaft nicht herstellen konnte, habe ich bewusst darauf verzichtet, das zu veröffentlichen, damit das nicht journalistisch verheizt wird.

Nun zu Globisch selbst: Wie kam es dazu, dass er in die NSDAP eintrat?

Als Abiturient hat er 1933 noch angegeben, Kunstmaler werden zu wollen. Stattdessen hat er eine kaufmännische Lehre absolviert. In Potsdam war er bei der Deutschen Bank bis August 1939 beschäftigt und stieg bis zum stellvertretenden Oberbuchhalter auf. Seit 1. Oktober 1939 war er Angestellter des Reichspostministeriums bei der Reichspostfernsehgesellschaft und dort als Planer tätig. Er hatte schon sehr früh eine Begeisterung für Technik entwickelt und in seinem Nachlass die Zeit bei der Fernsehgesellschaft als erste berufliche Ankunft geschildert. Eigentlich hat er mit der Stelle auch Glück gehabt, denn das Fernsehen war nicht wie das Radio Propagandaminister Goebels unterstellt und er musste nicht an die Front.

Und die Parteimitgliedschaft.

Kurz nachdem er bei der Reichspostfernsehgesellschaft anfing, stellte er am 6. Oktober 1939 einen Mitgliedsantrag.

Aber warum?

Vermutlich aufgrund der Konventionen und zur Stabilisierung seiner Lage im ministeriellen Bereich, um die existentiellen Grundlagen seiner Familie zu sichern. Eine Forderung zum Parteieintritt durch andere an ihn ist nicht nachzuweisen, aber auch nicht auszuschließen. Dann gibt es noch ein Schreiben der Potsdamer Ortspolizeibehörde vom 30. September 1939. Demnach wird mit Hinweis auf einen Gnadenerlass Hitlers eine erlassene Strafverfügung vom Juli 1939 aufgehoben. Genaueres ist aber nicht nachzuweisen, die Polizeiakten sind vernichtet worden. Dass man von der Anzeige zum Parteieintritt eine Linie ziehen kann, würde ich nicht vermuten. Ich denke, es ging ihm um die berufliche Tätigkeit, dass es Zwänge gab, die er sich selbst auferlegt hat.

Da ist die Quellenlage nicht gerade breit.

Richtig, es gibt keinen direkten Bezug im Nachlass, der darauf hinweist, wie er seine Mitgliedschaft bewertet und warum er eingetreten ist. Als er die Mitgliedschaft beantragt hat, war der Einmarsch in Polen schon geschehen. Ich glaube, dass er sich dem nicht verschließen konnte. Die Wucht seiner Entscheidung hat er wohl erst richtig gespürt, als er aus Paris zurückgekommen ist und die Bombardierung Potsdams erlebt hat. Das muss er wie eine persönliche Erfahrung gefühlt haben im Sinne einer Schuld. Ich habe Nachweise der seelischen Zerrissenheit in seinem Tagebuch gefunden vom April 1942, in dem von dieser Schuld die Rede ist.

Kann und muss man seine Werke, sein Handeln nach 1945 jetzt neu lesen?

Er hatte einen sehr appellativen Gestus, wenn es gegen Militarismus, um Preußengeist und die Potsdamer Geschichte ging. Das aber hat gar nicht seinem Charakter entsprochen. Er war eher ein stiller Mensch. Auch wenn er nicht an Verbrechen beteiligt war, so hat ihn das Gewissen über die Mitgliedschaft wohl nicht weniger geplagt. Es gibt da drei Werke nach 1990, die das tausendjährigen Stadtjubiläum. 1993, thematisieren. Bei „Potsdam Trophäen“ geht es um die Garnisonkirche, bei „Potsdamer Baumarkt“ um den alten Markt mit dem hohlen Zahn des Theaterneubaus, die bauliche Heterogenität des Alten Marktes und die fehlende historische Bausubstanz. Der Alte Markt war für ihn das Herz der Stadt. Und dann das Bild „Tage von Potsdam“. Auf der Rückseite hat er drei Daten notiert, den 21. März 1933, den 14. April 1945 und den 25. Juni 1968.

Also die Machtergreifung Hitlers, die Bombardierung Potsdams und ...

... die Sprengung der Garnisonkirche. Die Daten sind Symbole für die Auswirkungen von zwei Diktaturen. Ich glaube im Nachhinein hat ihn die Frage stark beschäftigt, was es bedeutet, in der NS-Zeit Mitläufer gewesen zu sein. Nach Kriegsende hat er sich in Potsdam als freiberuflicher Kunstmaler angemeldet. Ich habe den Eindruck, er hat das Jahr 1945 als Chance begriffen, als Neubeginn mit dem lang ersehnten Beruf. Ich glaube, er empfand eine tiefe Scham, fühlte sich aber entbunden von der Mitgliedschaft in der NSDAP, von den Zwängen seiner Anstellung.

ZUR PERSON: Thomas Michael Kumlehn, 55, freiberuflicher Kurator und Herausgeber, lebt in Potsdam. Er hat die Globisch-Schau im Potsdam Museum kuratiert und ist Globisch-Biograf.

Und wie bewerten Sie die Mitgliedschaft?

Ich denke, es braucht keine Neubewertung der Person Hubert Globisch, eines wichtigen und loyalen Menschen in dieser Stadt. Dahinter zu kommen, hat einige Zeit in Anspruch genommen.

Das Gespräch führte Alexander Fröhlich

Das Potsdam Museum würdigt Hubert Globisch: Mehr lesen Sie HIER.

Zur Startseite