Die sentimentalische Beschwörung der Welt hat dieser Dichter endgültig verabschiedet. Er zieht die neutrale Kameraperspektive vor.
Wenn es jemand unter den Dichtern der jungen Generation versteht, sein künstlerisches Material kalt zu halten - dann ist es der 1977 geborene Daniel Falb. Sein Debütbuch „die räumung dieser parks“ präludierte 2003 einen neuen Typ junger Großstadtpoesie. Kühl, ironisch, gelassen, ja fast ungerührt verknüpfte Falb die unterschiedlichsten Diskursformen und Bewusstseinsreize. Seine reaktionsschnelle Durchquerung disparater Alltags- und Fachsprachen, seine coole Montage von Redegesten kommt ohne das traditionelle lyrische Subjekt aus. Bei Falb spricht ein nahezu indifferentes Ich, das lapidar Sätze aufeinanderprallen lässt.
Aus einer großen Distanz schauen diese Gedichte auf das Treiben in unseren urbanen Lebenswelten. Eine authentische Welt gibt es hier nicht mehr, nur noch fragwürdige Sprachgesten, ideologische Konstrukte und metaphysische Surrogate: „fließend der übergang zwischen erster hilfe und zweiter natur.“
Auch in seinem neuen Gedichtbuch „Bancor“ arrangiert Falb das Zusammentreffen heterogener Satztypen mit Versatzstücken mündlicher Rede und Resten traditioneller Gedichtsprache. All das wird gelenkt von einem passiv wirkenden Regisseur, der im Schauspiel der aufeinanderprallenden Sätze nicht das letzte Wort behalten will: „das wollte ich nicht, aber die finanzkrise der kommunen / hatte auch diesen autobahnabschnitt erfasst: wie sich die gelben engel / inzwischen selbst reparierten, bei völliger dunkelheit, diese insektenhaft / nach außen gestülpte intelligenz. wir wollten das hier überhaupt nur aufbauen, / um es hinterher wieder abreißen zu können.“ Viele sprachliche Fertigteile werden hier von einem vielleicht allzu abgeklärten Beobachter also nur gebraucht, um sie sogleich wieder entsorgen zu können. Das geheimnisvolle Titelwort „Bancor“ verweist auf die abstrakte Formel für eine weltweit gültige Währung, die einst auf der Konferenz von Bretton Woods erdacht worden war.
Daniel Falb hat für seinen Blick auf die globalisierte Welt eine poetische Relaisstation eingerichtet, in der keine Gefühle mehr zählen, sondern einzig noch das beiläufige Registrieren von Sprachbewegungen. Dieses süffisante Durchwinken aller romantisch-emphatischen Ausdruckshaltungen hat seinen Reiz. Doch zugleich beginnt man das alte lyrische Ich zu vermissen. Denn die innere Empfindung, dereinst die Domäne der lyrischen Subjektivität, wird bei Daniel Falb eliminiert.
Daniel Falb: Bancor. Gedichte.
Kookbooks Verlag,
64 Seiten, 19,90 €
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