Sein Leben selbst hatte die Dramatik eines Bühnenstücks. Als Ralf-Günter Krolkiewicz 1997 die Intendanz des existenzbedrohten Hans Otto Theaters übernahm, lagen hinter ihm nicht nur Erfolge als Schauspieler und Regisseur, sondern auch eine dreimonatige Isolationshaft in Potsdams berüchtigtem Stasigefängnis und ein Jahr Zuchthaus in Cottbus. Eine Zeit, die ihn zermürbte und sich nie ganz abschütteln ließ. In seinem Roman „Hafthaus“ beschrieb er eindrücklich, wie er 1984 nach der Lesung seiner Spottgedichte im „Spartacus“-Club am helllichten Tag festgenommen und in die Lindenstraße gebracht wird: Die Freundin Nina blieb allein vor dem schweren Eisentor.
Nach Haft und Abschiebung in den Westen blieb er weiter unfreiwillig der Wanderer zwischen den Welten, „weder West geworden, noch Ost geblieben“, wie es später im Nachruf hieß. Dennoch warf sich der Heimkehrer mit ganzer Kraft ins Theater, als er 1996 nach Potsdam zurückkehrte: nunmehr als Oberspielleiter unter der Ägide Stephan Märkis. Nur ein Jahr später leitete er selbst die Geschicke des Hauses.
Wunderbare künstlerische Erlebnisse sind mit Krolkiewiczs Namen verbunden. Er fügte mit seinen Operninszenierungen im Schlosstheater besonders dem traditionsreichen Mozart-Zyklus eine neue Facette hinzu, inszenierte im Alten Rathaus, in der Friedenskirche und natürlich auch in der ungeliebten „Blechbüchse“ am Alten Markt. Seine wohl eindrücklichste Inszenierung ging in der Reithalle über die Bühne: Shakespeares „König Lear“ mit Alexander Lang in der Titelrolle, ein Stück über Macht, Machtmissbrauch und letztendlich Machtverzicht.
Krolkiewicz musste ab 2000 den von Kulturminister Steffen Reiche verordneten Theater- und Orchesterverbund umsetzen und mit seinem Schauspielensemble nach Frankfurt (Oder) und Brandenburg reisen, wo zuvor – so wie in Potsdam – ganze Sparten abgewickelt worden waren. Er konnte aber auch endlich den Grundstein für das lang ersehnte neue Haus in der Schiffbauergasse legen, für das er sich so vehement eingesetzt hatte. „Die ganze Welt ist eine Bühne, worin wir alle eine Rolle spielen“, sprach er dort mit Shakespeares Worten. Krolkiewiczs Rolle war die des unermüdlichen Mahners, der die Erinnerung bewachte und misstrauisch auf die Gegenwart schaute. Dabei stand der an Parkinson Erkrankte selbst zunehmend am Abgrund. Immer weniger ließ sich das Zittern verbergen. Die Krankheit machte den sensiblen Skeptiker noch empfindsamer gegenüber Kritik. Schließlich verabschiedete er sich 2004, in seinem siebten Potsdamer Jahr, mit der luftigen Pfingstberg-Inszenierung „Diener zweier Herren“ von Goldoni. Er suchte nunmehr in der Malerei Halt: farbkräftig, naiv, expressiv.
Auf einem seiner Bilder sieht man einen Mann mit geschlossenen Augen, die Arme wie ein Rettungsring um den Hals gelegt. Doch es gibt für diesen einsamen Tänzer keinen Halt. Der Ring ist geöffnet. Ralf-Günter Krolkiewicz starb 2008 in Thailand: mit 52 Jahren, fernab von Frau, kleiner Tochter und den wenigen gebliebenen Freunden.
„Ich begründe hier gerade eine neue Existenz, weil ich die letzten Jahre mit meiner Situation sehr allein war. Ich habe gekämpft, viel geschrieben, zu malen begonnen. Es hat nur wenig geholfen, ich war einsam wie nie, hab’ das Haus kaum verlassen, mich abgekapselt und hatte ohne Verschulden beinah alles verloren ...“, schrieb er einem Freund in einem seiner letzten Briefe.Heidi Jäger
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