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Kultur: Im Besitz des Schriftstellers

Die letzte Schöne des Südens: Gilles Leroy erzählt den Roman von Zelda Fitzgeralds Leben

In einem der letzten Briefe, die Scott Fitzgerald Ende der dreißiger Jahre an seine Frau Zelda schreibt, bricht aus ihm die Erkenntnis heraus: „Oh Zelda, wir waren immer ein einziger Mensch, und ein bisschen wird es immer so bleiben“. Sie waren es ganz sicher in ihren wilden, erfolgreichen, glamourösen zwanziger Jahren, in den legendären „roaring twenties“, da Scott Fitzgerald zu den berühmtesten Schriftsteller Amerikas, wenn nicht der Welt zählte. Und Zelda Fitzgerald als der Prototyp des „Flappers“ galt. Als Flapper wurden seinerzeit provozierend selbstbewusste, emanzipierte junge Frauen bezeichnet, von Zelda selbst in einem Artikel 1922 markant-lose definiert: „Die Flappers flirteten, weil es Spaß machte, trugen einteilige Badeanzüge, weil sie eine gute Figur hatten, bemalten und bepuderten ihr Gesicht, weil sie es nicht nötig hatten, und lehnten es ab, sich zu langweilen, weil sie selbst nicht langweilig waren.“

Ein einziger Mensch sind sie aber auch nach ihren Toden 1940 (Scott) und 1948 (Zelda) geblieben. Beide sind nicht voneinander getrennt denk- und erzählbar – zu sehr ist Zelda in das Werk von Scott eingegangen, zu ernüchternd waren für beide die dreißiger Jahre, in denen sie in Briefen immer wieder ihren glanzvollen, ruhmreichen Zeiten hinterhertrauerten, zu innig ist Zeldas Leben und auch ihr späteres Dahinvegetieren in psychiatrischen Kliniken mit seiner Person verbunden. Auch in dem mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten und in Frankreich über 300 000 Mal verkauften Roman „Alabama Song“, den der 54-jährige französische Schriftsteller Gilles Leroy aus der Perspektive von Zelda geschrieben hat, steht selbstverständlich Scott Fitzgerald mit im Fokus – vor allem als fieser, seine Frau und ihre Talente nichts anderes als unterdrückender Ehemann: „Seinem angespannten Rücken war anzusehen, dass ich ihm auf die Nerven ging. Es ist erstaunlich, wie ausdrucksfähig ein Rücken sein kann – ein steifer Nacken kann einem sagen Ich liebe dich nicht mehr, wenn es dem Gesicht noch nicht gelingt.“ Das lässt Leroy seine Roman-Zelda schon 1920 sagen, kurz nach der Heirat. Das setzt sich später fort in Sätzen wie „Kaum war er zum Hahnrei geworden, war ich wieder seine Frau – wenn auch nicht begehrt, so doch für immer in seinem Besitz.“ Und das kulminiert in Vorwürfen, dass er sich „verbissen“ bemühe, „meine Chancen zu vernichten“. Der Kampf um die literarische Verwertung des gemeinsamen Lebens war da schon eskaliert. Zelda wollte nicht nur mehr tanzen und malen, sondern auch schreiben. Ihren Roman „Darf ich um den Walzer bitten“, den sie „in einem Rutsch, mit einer einzigen Tintenfüllung“ in einer Klinik verfasst, versucht Scott zu verhindern. Als die Veröffentlichung ansteht, schlägt er Änderungen vor, die sie bereitwillig akzeptiert. Schließlich verlangt er bei einem dramatischen, schriftlich festgehaltenen Treffen 1933 unter Aufsicht eines Psychiaters von ihr tatsächlich, sie solle mit dem Schreiben von Belletristik aufhören.

Gilles Leroy schreibt in einem kurzen Nachwort, „Alabama Song“ wolle „als Roman und nicht als Biografie der historischen Person Zelda Fitzgerald“ gelesen werden. Was nicht einfach ist: Leroy gelingt es zwar mitunter gut und feinfühlig, sich in Zeldas Gedankenwelt hineinzuversetzen. Er vermag es auch, ihr ein paar richtiggehende zart-poetische Momente abzuringen, insbesondere wenn es um ihre Liason mit einem französischen Fliegeroffizier geht. Auch dass er seine Zelda zwischen den Jahren hin- und herspringen lässt, zwischen 1918, da sie als letzte Schöne des Südens den jungen Lieutnant Fitzgerald in ihrer Heimatstadt Montgomery, Alabama kennenlernt, bis in die vierziger Jahre, funktioniert und vermittelt ein komplexes Bild von ihr zwischen Sehnsucht, Lebensgier und Wahnsinn.

Trotzdem kommt auch Gilles Leroy nicht umhin, sich an den biografischen Lebensstationen von Zelda entlangzuschreiben und nicht zuletzt den Gedeih und Verderb ihres Mannes bis zu dessen Tod am 21. Dezember 1940 mitzureflektieren. Und dazu gehören auch dessen Kollegen und Wegbegleiter, vor allem Ernest Hemingway. Dieser trägt in diesem Buch anders als etwa Gertrude Stein oder John Dos Passos einen anderen Namen, Lewis O’Connor, und wird mit so dicken Strichen gezeichnet und von Zelda derart beschimpft („Fettwanst“, „fette stolze Schwuchtel“ etc.), dass er zur mehr als schlechten Karikatur wird.

Das leuchtet nicht unbedingt ein, so sehr Zelda und Hemingway um Scott Fitzgerald konkurrierten (und Hemingway sich ja wirklich nach und nach als etwas missgünstiger Neider erwies). Genauso wenig, dass sich Leroy am Ende selbst als Ich-Erzähler in Szene setzt, als er nach Montgomery reist und das Scott-und-Zelda-Fitzgerald-Museum besucht. Hier hakt es, hier hebelt er seinen Mischling aus Roman und Biopic selbst etwas aus. Am Ende bleibt der Eindruck, dass gegen die Selbstzeugnisse von Zelda (und auch Scott), gerade ihre Briefe, kein noch so gut gemeinter Roman ankommt. Und dass ihre zwei Leben sowieso übermächtiger erscheinen als die Literatur, die daraus resultierte und resultiert.

Gilles Leroy: Alabama Song. Roman. Aus dem Französischen von Xenia Osthelder. Kein und Aber Verlag, Zürich 2008. 236 Seiten, 19, 90 €.

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