Biographie von Aung San Suu Kyi: Ihr langer Kampf
Andreas Lorenz, der langjähriger Asien-Korrespondent des „Spiegel“, hat das Leben einer außergewöhnlichen Frau nachgezeichnet. Eine Rezension
Sie ist zierlich und unnahbar, die Menschen von Birma lieben sie, die Machthaber fürchten sie. Wer ist Aung San Suu Kyi wirklich? Andreas Lorenz, langjähriger Asien-Korrespondent des „Spiegel“, hat das Leben dieser außergewöhnlichen Frau nachgezeichnet. Er beschreibt ebenso spannend wie einfühlsam die „Karriere“ der 70-Jährigen vom verwöhnten Oberklassenkind zur Volksheldin: ein langer Weg, oft genug tränenreich und blutig. Umso faszinierender, dass Aung San Suu Kyi ihrem gewaltfreien Grundsatz treu geblieben ist und diesen auch von ihren Anhängern immer einfordert.
Auch nach dem Tod des Vaters genoss sie Privilegien
Diese Leistung stellt Lorenz dar, ohne die Distanz zu verlieren und in Lobhudelei abzudriften. Er mutmaßt nicht und wo er nur auf Gerüchte angewiesen ist, schreibt er dies. Gleichzeitig lässt er seine Leser eintauchen in das Leben von Aung San Suu Kyi und damit in das Leben Birmas, das seit 1989 auf Befehl der Militärjunta Myanmar heißt.
An ihren Vater, den Kriegshelden, hat Aung San Suu Kyi keine Erinnerung mehr – er wurde 1947 von Attentätern einer gegnerischen Partei ermordet. Heute ist die Oppositionspolitikerin laut Lorenz davon überzeugt, dass der gewaltsame Tod ihres Vater die Ursache für die birmanischen Zustände war. Sie selber war allenfalls die ersten Jahre ihres Lebens glücklich, denn die Familie war auch nach dem Tod des Vaters wohlhabend und genoss Privilegien: Die junge Frau besuchte Privatschulen, lebte in Oxford und New York. Es hätte eine sorgenfreie Zukunft werden können – ohne das Terrorregime in Birma. 1988 kam sie zurück. Vor allem, weil ihre Mutter im Sterben lag. Unterdessen tobten in der Hauptstadt Straßenschlachten, das Militär schoss auf Demonstranten, es gab viele Tote und die Tochter des Volkshelden sah sich in der Familienpflicht: Birma und die Freiheit retten.
Von da an war ihr Leben ein anderes. Mit Hausarrest wollte das Regime die unbequeme Gegenspielerin ausschalten und schloss sie 15 Jahre in ihre Villa ein. Bei den Birmanen war sie aber stets präsent und der Friedensnobelpreis 1991 gab neuen Auftrieb, während die Regierenden in ihrer Paranoia ein System betreiben, das an schlimmsten Stalinismus erinnert. Die zierliche Frau mit der sanften Stimme gegen die Machthaber mit dem skrupellosen Machterhaltungstrieb: Für Lorenz ist klar, wer bisher siegreich war. „Seit ihrer Rückkehr nach Rangun 1988 hatte Aung San Suu Kyi die Militärs vor sich hergetrieben und den Bürgern in dunklen Zeiten Hoffnung gegeben.“
Mit ihrer unglaublichen Zivilcourage hat es Aung San Suu Kyi den Mächtigen gezeigt. Ende des Jahres könnte die Oppositionspolitikerin sogar Präsidentin werden. Andreas Lorenz lässt keinen Zweifel: Angesichts des wirtschaftlich und gesellschaftlich total maroden Landes mit über 100 Völkern wäre das ihre bisher schwerste Aufgabe.
Berthold Merkle
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