Reinald Grebe im PNN-Interview: „Ich stehe nicht so auf Historismus“
Wahl-Brandenburger Rainald Grebe spricht im Interview mit PNN-Autorin Sarah Kugler über Fontane, bizarre Volksmusik und Günther Jauchs Potsdam.
Herr Grebe, Ihr aktuelles Soloprogramm, mit dem Sie heute Abend im Nikolaisaal auftreten, heißt „Das Elfenbeinkonzert“. Ich muss dabei sofort an den kulturellen Elfenbeinturm denken ...
Nein, das war nicht meine Assoziation bei dem Titel. Ganz konkret war es eine Reise an die Elfenbeinküste, zu der ich vom Goethe-Institut eingeladen wurde.
Was haben Sie dort gemacht?
Ich habe dort mit Deutschstudenten Volkslieder gesungen. Ich dachte mir, durch Musik lernt man sich am besten kennen und dann gab es verschiedene Kategorien: Ich singe ihre Schlaflieder, sie meine. Es gab Liebeslieder, ein Poplied, ein Heimatlied, ein Trinklied, ein Kampflied. Das ging so hin und her. Am Ende gab es eine Aufführung und die war auch ordentlich Rambazamba.
Inwiefern?
Na ja, ich glaube, es wurde eher so „Der Erlkönig“ oder romantisches Liedgut erwartet, aber es ging eben auch zur Sache und um die Frage, was Volksmusik ist.
Was ist denn Volksmusik?
Das ist natürlich von Land zu Land verschieden. Dort gibt es etwa 80 Stämme, die verschiedene Lieder, verschiedene Tänze haben. Was bei uns Volksmusik ist, auch vor dem Hintergrund von Hitlerdeutschland, das musste ich erst mal lang und breit erklären. Das ist natürlich was ganz anderes. Schon die Definition von Volk, dort sind es eben 80 Völker, nicht eins. Es ist einfach sehr anders, sehr fremd.
Auch schwer vermittelbar?
Ja, schon. Also ob so etwas wie Heino da drüben überhaupt richtig angekommen ist, weiß ich nicht. Das war schon alles strange.
Wurde Ihr Brandenburg-Song auch performed?
Den können die Teilnehmer tatsächlich jetzt noch auswendig. Er wurde im Chor gesungen, vierstimmig, mit afrikanischen Instrumenten unterlegt. Es war vollkommen aus dem Rhythmus und vollkommen grandios.
Nervt es Sie eigentlich, dass Sie von manchen Menschen auf das Brandenburg-Lied reduziert werden?
Ich beschwere mich darüber nicht. Das ist schon alles ganz okay. Wenn ich das machen kann, was ich mache, ist das super. Kurios ist es trotzdem: Das Lied habe ich an drei Tagen geschrieben und es hat jetzt die meisten Klickzahlen. Es gibt auch manchmal Leute, die nur das hören wollen, aber dann hören sie es eben nicht.
Der Gegensatz Stadt und Land ist immer wieder ein Thema bei Ihnen. Im aktuellen Konzert gibt es ein gleichnamiges Lied.
Ja klar, schon allein durch meine Wohnsituation gibt es da einen biografischen Bezug.
Sie pendeln zwischen Berlin und Uckermark ...
Mich interessiert dabei einfach: Was ist der einfache Landstrich im weltweiten Netz? Ist er für mache vielleicht die einzige Identifikation? Die Region überhaupt. Das versuche ich heutig aufzuarbeiten. Aber da ist natürlich immer auch ein Augenzwinkern dabei, wenn ich „das Brandenburg“ sage oder „das Thüringen“.
Was reizt Sie denn persönlich am Teilzeitlandleben?
Die Natur, schöne Wiesen. Man darf Feuer machen, das Land als Erfahrungsraum sozusagen. Letztendlich bin ich da auch gierig, denn ich will ja beides haben.
Das Beste von beiden Seiten?
Genau. Ich merke, wenn ich zu lange auf dem Land bin, will ich sofort zurück und Kultur haben. Gierig, gierig also. (lacht) Es ist aber auch Stadtromantik.
Sie meinen den verklärten Blick des Städters auf das Landleben?
Schon, ja. Ich bin auch froh, auf dem Land nicht mein Geld verdienen zu müssen. Da gehen die Härten los. Für mich bleibt meine Wiese ein Stück Freiheit.
Potsdam ist ja irgendwie so ein Zwischending zwischen dem Städtischen und Ländlichen ...
Ja, das stimmt.
Ist es eine Stadt, die Sie wahrnehmen?
Kaum. Ich war dieses Jahr zwei, drei Mal da, davor gar nicht. Ich habe also im Prinzip keine Ahnung.
Woran liegt es? Mangelndes Interesse?
Ich weiß nicht, bei mir ist es halt das große Berlin oder das platte Land. Dieses Günther-Jauch-Potsdam, dieses preußische Potsdam auf Alt gemacht ... Ich stehe nicht so auf Historismus. Aber das ist ein erster Eindruck. Ich beschäftige mich zurzeit viel mit Fontane, vielleicht nähere ich mich der Stadt noch an.
Bereiten Sie sich etwa schon auf das Fontane-Jahr 2019 vor?
So könnte man sagen. (lacht) Ich wurde von den Veranstaltern des Gedenkjahres eingeladen und allein dieses Gespräch zu den Vorbereitungen war so inspirierend, dass ich jetzt ein Stück darüber schreibe, das Anfang 2018 an der Schaubühne Premiere haben wird.
Über die Vorbereitungen zum 200. Geburtstag von Fontane?
Ganz genau. Ich beschäftige mich da intensiv mit und quäle mich auch ein bisschen durch den Fontane. Der war ja leider sehr produktiv.
Die Theaterkritiken sind sehr zu empfehlen ...
Ja, die habe ich noch vor mir. Zurzeit lese ich den „Deutsch-Dänischen Krieg“, das sind irgendwie 2000 Seiten. Den „Stechlin“ habe ich gerade gelesen – und Gott ist der langweilig. Oder zumindest nicht mehr verständlich für mich.
Sie haben ja mit Ihrem Brandenburg-Lied – um noch mal darauf zu sprechen zu kommen – einen ähnlichen Kultstatus wie Fontane mit seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg ...
Ja, das stimmt, da ist schon ein Link zu machen, er hat das Land literarisch festgehalten, ich habe ein kleines Lied gemacht, das überall zitiert wird.
Unter anderem mit der Zeile „Nimm dir Essen mit, wir fahren nach Brandenburg“. Werden Sie sich für Ihr Konzert in Potsdam Essen mitnehmen?
Nein, da habe ich Vertrauen. Das ist auch ein Veranstalter aus Berlin, der hat das Catering schon dabei.
Das Gespräch führte Sarah Kugler
Zur Person
Rainald Grebe, 1971 in Köln geboren, ist Liedermacher und Kabarettist. Er studierte an der Hochschule „Ernst Busch“ Berlin. „Das Elfenbeinkonzert“ ist sein aktuelles Soloprogramm.
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