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Kultur: Hysterische Frauen und ein forscher Kerl

Die Fontane-Lounge im Café Eden geht in die nächste Runde.

Große Kunst braucht wenig: Eine alte Tür von Oma zum Tisch umfunktioniert, ein Glas Wasser, ein dicker Stapel Bücher und los geht es mit dem Lese-Abend. Auch in diesem Sommer lädt Schauspieler Michael Gerlinger wieder zur Fontane-Lounge im Café Eden ein, bei der er verschiedene Texte von Theodor Fontane präsentiert. Am vergangenen Donnerstag startete er die neue Saison mit einer Lesung aus „Cécile“, einem Roman Fontanes, dessen Erstausgabe im April 1887 erschien und die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die von ihrer Vergangenheit eingeholt wird – und daran zerbricht.

Nun ließe sich einwenden, dass es nicht besonders originell ist, eine Lesereihe über Fontane mit einem Roman zu beginnen. Die sind schließlich doch irgendwie überpräsent, wenn es um Fontane geht. Man wünschte sich eine andere Herangehensweise an das Werk des Dichters, der die meiste Zeit seines Lebens als Journalist arbeitete, 20 Jahre davon als exklusiver Theaterkritiker der Vossischen Zeitung in Berlin und der darüber hinaus auch viele ganz wunderbare Gedichte hinterlassen hat, ganz zu schweigen von den zahlreichen, zum Teil sehr unterhaltsamen Briefen.

Und dann auch noch ein Roman, der eine tragische Frauenfigur thematisiert. „Effi Briest“ lässt also grüßen? Eher nicht. Denn „Cécile“ hat nicht viel mit Effi, der wohl bekanntesten Frauenfigur Fontanes, zu tun und Michael Gerlingers Lesestil hauchte der Geschichte am Donnerstag so viel Leben ein, dass durchaus Lust aufkam, auch Fontanes andere Romane zu lesen. Fontane fasste den Inhalt der Geschichte einmal selbst wie folgt zusammen: „Stoff: Ein forscher Kerl, 35, Mann von Welt, liebt und verehrt – nein, verehrt ist zu viel – liebt und umcourt eine schöne junge Frau, kränklich, pikant. Eines schönen Tages entpuppt sie sich als reponierte Fürstengeliebte. Sofort veränderter Ton, Zudringlichkeit mit den Allüren des guten Rechts. Konflikte; tragischer Ausgang.“ So locker wie das klingt, so locker ließ Gerlinger auch die Bilder und Figuren der Geschichte vor dem Geistigen auferstehen. Mit seiner facettenreichen Stimme – er ist eben Schauspieler – gab Gerlinger den Charakteren fast etwas Modernes, jonglierte mit den Emotionen und ließ vergessen, dass er hier einen Roman aus dem vorletzten Jahrhundert las.

Natürlich gelang das nur, weil Fontanes Sprache eine solche Interpretation zulässt – und weil Gerlinger Fontanes Sprache liebt. „Ich liebe vor allem seine Romananfänge“, sagte er am Donnerstag. „Die sind ganz fantastisch, weil sich die Figuren erst langsam herausschälen und uns die Möglichkeit geben, sie kennenzulernen.“ Zugegeben: Manchmal übertrieb es Gerlinger etwas mit der Leidenschaft. Gerade die Frauenfiguren bekamen so an mancher Stelle etwas Hysterisches, das ihnen nicht zustand. Doch darüber ließ sich hinwegsehen, war der Abend doch sonst so stimmig und trotz empfindlich kühler Nachtluft hielt einen das Fieber der Spannung warm. Zum Absacker gab es dann noch ein Gedicht – „Es kann die Ehre dieser Welt“ – und das Versprechen auf weitere unterhaltsame Lesungen. Unter anderem will Gerlinger Auszüge aus Fontanes Briefwerk lesen sowie Texte von Artur Schnitzler oder Thomas Mann dazwischenschieben. „Da wird das Hirn einfach angeregt, weil man automatisch anfängt zu vergleichen“, sagte er. Da, so hofft er, passiert etwas mit den Zuschauern – und sie bleiben wacher. Sarah Kugler

Die nächste Fontane-Lounge findet statt am Donnerstag, dem 28. Mai, sowie an vier Donnerstagen im Juli jeweils um 19 Uhr im Café Eden am Eingang Park Sanssouci. Der Eintritt ist frei

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