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Berliner Autorin Herta Mueller erhaelt Literaturnobelpreis
© ddp

Literatur-Nobelpreis: Herta Müller von Auszeichnung überrascht

Die wichtigste Auszeichnung der literarischen Welt geht zehn Jahre nach der Würdigung von Günter Grass wieder nach Deutschland: Die in Berlin lebende Autorin Herta Müller kann die Verleihung des Literatur-Nobelpreises noch gar nicht fassen. Damit habe sie nicht gerechnet und auch keine Feier vorbereitet, sagte sie Tagesspiegel.de.

Ganz in Schwarz gekleidet, eine zarte Person, umringt, ja, umlagert, von Kamerateams, läuft Herta Müller die Treppe in ihrem Wohnhaus hinunter. Donnerstagnachmittag, erst seit ein paar Stunden weiß sie, dass sie den Literatur-Nobelpreis bekommen hat. Sonst ist es still in der Menzelstraße in Friedenau, jetzt stehen hier Journalistentrauben. "Lassen Sie mich doch bitte durch, ich muss zu einem Termin", sagt Müller.

Nur eine kurze Frage, bitte, für die Leser von Tagesspiegel.de: Haben Sie damit gerechnet, dass Sie ausgezeichnet werden? Die Frau mit den dunklen Haaren besinnt sich ganz kurz. "Nein", sagt sie, aus tiefstem Herzen. Dann ermahnt sie die Journalisten freundlich, doch bitte zur Seite zu treten - "da kommt doch ein Auto".

Und, wie werden Sie die Auszeichnung feiern? "Das weiß ich noch nicht", entgegnet Müller noch schnell. Nun aber ins Taxi, zum nächsten Termin.

Sie sei tatsächlich von ihrer Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis überrascht worden, heißt es bei ihrem Verlag. In einem Telefonat habe Müller gesagt, sie könne das Ganze gar nicht glauben, sagte eine Sprecherin des Carl Hanser Verlags, bei dem Müllers aktuelles Buch "Atemschaukel" erschienen ist, am Donnerstag in München. Am Telefon habe die Schriftstellerin "gelacht und geweint". "Man kann sich auf so etwas nicht vorbereiten", sagte die Sprecherin: "Wir sind schlicht überglücklich." Mit der Auszeichnung der in Rumänien geborenen Autorin sei auch die rumänische Literatur gewürdigt worden.

Die deutsche Schriftstellerin Herta Müller zeichne „mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit“, erklärte die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm. Die 56-jährige Herta Müller ist in Rumänien geboren und verarbeitet in ihren Werken Erlebnisse von Fremdheit und politischer Verfolgung. 

Ihr Lebenswerk zeugt von schmerzhaften Erinnerungen an eine düstere Vergangenheit unter dem Ceausescu-Regime und den Erfahrungen der deutschen Minderheit in dem Land. Erst 1987 beantragte Herta Müller zusammen mit ihrem damaligen Mann Richard Wagner die Ausreise aus Rumänien. Sie lebt heute in Berlin.

Ihr gerade erschienener Roman „Atemschaukel“ berichtet von den Erfahrungen eines 17-jährigen Deutschen, der im Zweiten Weltkrieg von Russen aus Rumänien zur Zwangsarbeit in die damalige Sowjetunion deportiert wird. „Atemschaukel“ steht auch auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, der in der nächsten Woche auf der Frankfurter Buchmesse vergeben wird. Der Alltag in einem totalitären System ist Thema ihres Romans „Der Fuchs war damals schon der Jäger“ (1992). „Herztier“ (1994) beschreibt das Leben der Oppositionellen in Rumänien. 

Müller erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Kleist-Preis, den Joseph-Breitbach-Preis, den Würth-Preis für Europäische Literatur und 2006 den Walter-Hasenclever-Literaturpreis. Seit 1995 ist sie Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Mit Herta Müller würdigte die Schwedische Akademie zum 13. Mal seit ihrem Bestehen einen Vertreter der deutschsprachigen Literatur. Genau vor 100 Jahren wurde mit Selma Lagerlöf die erste Frau überhaupt mit dem Preis ausgezeichnet. Zu den bisherigen Trägerinnen gehören unter anderem die Österreicherin Elfriede Jelinek, Toni Morrison, Nadine Gordimer und Pearl S. Buck. Im vergangenen Jahr hatte der Franzose Jean-Marie Gustave Le Clézio den Preis bekommen.

Der Literatur-Nobelpreis wird stets am 10. Dezember in Stockholm vergeben, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Die Auszeichnung ist aus der Stiftung von Nobel mit umgerechnet rund einer Million Euro dotiert. Die Urkunde wird von König Carl XVI. Gustaf in Schwedens Hauptstadt überreicht. (kög/nal/smz/ddp/dpa)

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