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Tanztage in Potsdam: Hämmer, Scherben, Frauenkörper

Weibliche Körper, Materialschlachten und weitgereiste Gäste: Ein Ausblick auf die Tanztage 2018.

Potsdam - Nachdem die Tanztage im letzten Jahr den Schritt raus ins Land wagten, sich schrittweise über die Provinz in die Landeshauptstadt tanzten, könnte der diesjährige Prolog zentraler kaum sein: der Lustgarten. Die Öffentlichkeitsoffensive der Tanztage scheint sich 2018 fortzusetzen.

Mit „Le Grand Continental“ ist zu gleich eine inhaltliche Setzung für 2018 gemacht: eine Fortsetzung der Achse Potsdam-Montréal. Im Rahmen des von der Regierung von Québec unterstützten Programms „Pas de deux“ werden 2018 neben Sylvain Émard, dem Mann hinter „Le Grand Continental, der Choreograf Manuel Roque („Bang Bang“), Begüm Erciyas („Voicing Pieces“) und das Doppel Martin Messier und Anne Thériault nach Potsdam geholt. „Con Granzia“ heißt das Stück, das sie zeigen werden – „mit Anmut“. Und anmutig wird hier Zerstörung in Szene gesetzt: Teller, Tassen, Kannen aus Porzellan sowie reife Früchte werden hier in einem durchchoreografierten Tanz der Hämmer zertrümmert.

Frauen als Geburtenmaschine

Die Bewegung nicht nur von Körper, sondern von Materie, was Festivalleiter Sven Till den „Tanz der Objekte“ nennt, ist ein zweites Thema der Tanztage 2018. Eine regelrechte Materialschlacht verspricht „Multiverse“ zu werden, ein Solo des Belgiers Louis Vanhaverbeke. Als „multifunktionaler Discjockey“ angekündigt, erweckt er Alltagsgegenstände zum Leben. Auch die belgische Kompanie Miet Warlop, erstmals 2012 in Potsdam zu Gast, arbeiten sich an Objekten ab, ebenso wie an der Schnittstelle zwischen Performance, Konzert und Bildender Kunst. „Fruits of Labor“ heißt das Stücke, mit dem sie 2018 den ganzen Raum zum Instrument machen wollen.

Um das Urelement des Tanzes, den menschlichen Körper, dürfte es hingegegen drei Produktionen gehen, die sich der Frage nach dem Frau-Sein verschrieben haben. „Solo für Lea“ von der Berliner Choreografin Isabelle Schad ist eine sehr persönliche Annäherung an deren Schweizer Kollegin Lea Moro, die selbst auf der Bühne stehen wird. In „A long talk to oneself“ stellt die koreanische Choreografin Bora Kim ihren eigenen Körper in den Mittelpunkt der tänzerischen Untersuchung. Es ist das erste Mal, dass eine Künstlerin aus Korea auf der großen Bühne der fabrik zu Gast ist – mit gleich zwei Stücken. In „Tail Language“ tastet sich Bora Kim an die Körpersprache von Katzen und orientalischen Fabelwesen heran. Auch die Ungarin Zsuzsa Rózsavölgyi macht den weiblichen Körper zum Thema: als Geburtenmaschine für 1,7 Kinder etwa, so viele hat eine europäische Frau durchschnittlich, daher der Performancetitel „1.7“.

Alles ist Tanz

Der Französin Martine Pisani widmen die Tanztage eine eigene kleine Restrospektive. Zum Einen wird „Sans“ gezeigt, die Arbeit, mit der Pisani 2000 erstmals in Potsdam auf sich aufmerksam machte. Zum Anderen bringt sie hier ihr aktuelles Stück „Undated“ zur Deutschlandpremiere – ein Kondensat aller bisherigen Arbeiten und wie die vorherigen eine Übung im „Tanz des Unfalls“ wie Sven Till sagt. Pisanis Haltung: Alles ist Tanz.

Rückschau, Innenschau und ein bisschen Nabelschau, all das werden auch die Tanztage 2018 werden. Zum Festivalauftakt am Dienstag aber geht es erstmal unter körperlichem Höchsteinsatz ans Grundsätzliche: Unter dem Titel „Monstres. On ne danse pour rien“ (Monster. Wir tanzen nicht für nichts“) ist erstmals eine Gruppe aus dem Kongo zu Gast. Welche Rolle spielt Tanz in einem vom Bürgerkrieg gebeutelten Land ohne Kino, ohne Theater? Vielversprechend: Die Tanztage schaffen es auch im 28. Jahr noch, neue Fragen aufzuwerfen. 

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Die Tanztage dauern vom 29.5. bis 10.6. www.potsdamer-tanztage.de

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