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Für viele zur NS-Zeit ein rotes Tuch. Anni von Gottberg kämpfte leidenschaftlich für die Sache der „Bekennenden Kirche“, die sich als Opposition zu der mit den Nazis verbandelten „Deutschen Kirche“ verstand.
©  Friedenskirche/Kirchenkreisverband Potsdam-Brandenburg

Serie: Kultur unterm Hakenkreuz: Gott gehorchen, nicht den Menschen

Die Bekennende Kirche in Potsdam: Das Potsdamer Stadtkirchenpfarramt hat eine Ausstellung zu einem bislang schändlich vernachlässigten Thema initiiert.

Es sind Zeilen, die sich heute nur mit Unbehagen lesen lassen. In seinem religiös-politischen Glaubensbekenntnis von 1932/33 – überschrieben mit „Unser Kampf“ – legte Pfarrer Joachim Hossenfelder, der Gründer der Glaubensbewegung Deutsche Christen, seine nationalsozialistische Geschichtstheologie dar: „Dem Staate eines Friedrichs des Großen und dem Reich eines Otto von Bismarcks habe Gott Volk werden lassen. Und das hat Gott durch Adolf Hitler getan, den wir deshalb getrost den größten Mann nach Dr. Martin Luther nennen können. (...) Wir werden diejenigen bekämpfen, die uns unsere Liebe und unseren Stolz zu unserem Volkstum nehmen oder verächtlich machen, die unseren Namen tragen, aber nicht zu unserem Volkstum gehören.“

Hossenfelder wurde 1939 Pfarrer an der Friedenskirche Sanssouci. Seine Karriere, die darin bestand, in der politisch-kirchlichen Führungsriege des Nationalsozialismus mitzuwirken, war aber bereits im Verblassen. Doch Hitler und dessen Politik blieb er treu. Bis zum Kriegsende 1945 wirkte er in Potsdam. In der Friedenskirche, die damals mit der Erlöserkirche eine Gemeinde bildete, war auch Pfarrer Johann Rump tätig, der ebenfalls den Deutschen Christen nahestand.

Die Gleichschaltungspolitik und die Einführung des sogenannten „Arierparagraphen“ in den evangelischen Kirchen, die Hossenfelder und seine Anhänger propagierten, riefen aber auch Proteste hervor – auch in der ehemaligen Residenzstadt Potsdam.

An diese mutigen Bewohner will die Ausstellung „Gott mehr gehorchen als den Menschen. Die Gründung der Bekennenden Kirche in Potsdam“ erinnern, die am morgigen Sonntag während eines Gottesdienstes in der Friedenskirche eröffnet wird. Initiiert wurde sie vom evangelischen Stadtkirchenpfarramt und seinem Pfarrer Simon Kuntze. Vor gut zwei Jahren bildete er die Arbeitsgruppe „Kirche und Nationalsozialismus“. Neben interessierten und engagierten Gemeindemitgliedern aus dem Kirchenkreis Potsdam fand Kuntze vor allem in der Ethnologin Jeanette Toussaint eine Mitstreiterin, die schon seit längerem der Bekennenden Kirche und ihren Mitgliedern in Potsdam auf der Spur ist. Nach einer intensiven Quellenforschung konnte sie bereits zu diesem Thema im Märkischen Verlag Wilhelmshorst publizieren. Ihr Buch „Ich bin für Potsdam das rote Tuch - Anni von Gottberg und die Bekennende Kirche“ würdigt erstmals das Engagment dieser kämpferischen Frau und anderer Mitglieder der Bekennenden Kirche in Potsdam. Jeanette Toussaint hat die Ausstellung in der Friedenskirche kuratiert. „Sie ist an einem Ort zu sehen, an dem die unterschiedlichen Facetten der innerkirchlichen Auseinandersetzungen besonders zum Tragen kamen“, sagt Pfarrer Simon Kuntze gegenüber den PNN.

Auf sieben Tafeln wird mit Texten, Fotos und Dokumenten die Geschichte der Bekennenden Kirche in Potsdam sowie Nowawes – dem heutigen Babelsberg – erzählt. Eine Hörstation gibt einen Einblick, wie sich Familienangehörige von Bekenntnispfarrern erinnern, auch ein Ausschnitt aus der umstrittenen Predigt des Generalsuperintendenten der Kurmark, Otto Dibelius, die er anlässlich des „Tags von Potsdam“ am 21. März 1933 in der Nikolaikirche hielt, ist dort zu hören.

Aber worum ging es der Bekennenden Kirche? Am 31. Mai 1934 verkündeten die Gründungssynodalen in Wuppertal-Bremen in aller Klarheit: Die christliche Lebensordnung wird allein durch Gott und nicht durch die jeweils herrschende Ideologie bestimmt. Kirche muss Kirche bleiben. Eben dafür standen unter anderen auch Victor Hasse, Pfarrer der Friedrichskirche in Nowawes, Ernst Kumbier, Pfarrer der Friedens-Erlöser-Gemeinde, die Lehrerin Bertha von Möller, der Jurist Ernst Stargardt, der jüdischer Herkunft war, und seine Frau Marie, Hildegard Wallich sowie Anni von Gottberg.

Am 12. August 1934 lud Anni von Gottberg oppositionelle Christen zur Gründung der Bekennenden Kirche in Potsdam in ihre Wohnung ein. Im Juli 1935 zählte man in Potsdam mehr als 2000 Mitglieder, in Nowawes gab es rund 1000 bekennende Christen. Anni von Gottberg gehörte dem Bruderrat der Friedens-Erlösergemeinde und dem Kreisbruderrat der Bekennenden Kirche in Potsdam an. Ihr Engagement war vielfältig und leidenschaftlich. Doch so manchen Bekenntnispfarrern waren ihre Anstöße zu heftig. Dass sie „für Potsdam das rote Tuch“ ist – das hatte sie selbst so eingeschätzt.

1937 schließlich musste Anni von Gottberg für 20 Tage in Haft. Der Vorwurf der Anklage: Sie habe dem Verbot einer Kollektensammlung der Bekennenden Kirche zuwider gehandelt. Im Verhör berief sie sich auf ein Wort aus dem 5. Kapitel der Apostelgeschichte: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“. Letztlich konnten ihr alle staatlichen Drohungen nichts anhaben. Nach der Haft engagierte sie sich mit der gleichen Intensität weiter. Seit dem vergangenen Sommer erinnert eine Gedenktafel am Haus in der Weinbergstraße 35 an die einstige Bewohnerin.

Anni von Gottberg und der fanatische deutsch-christliche Pfarrer Hossenfelder gehörten ab 1939 gemeinsam zur Friedens- und Erlösergemeinde. Ab April 1941 gingen beide Gemeinden jedoch  auf Betreiben Hossenfelders getrennte Wege – die bekennenden Christen in der Erlöserkirche wurden ihm zu stark. Eben über dieses sicher spannungsreiche Verhältnis zwischen Gottberg und Hossenfelder hätte man in der Ausstellung mehr erfahren wollen. Allerdings: Die Quellenlage darüber ist sehr spärlich.

Der „Arierparagraph“, den die Deutschen Christen in die Kirche übernahmen, spielt in der Schau eine wichtige Rolle. Christen mit jüdischen Wurzeln durften keine kirchlichen Ämter übernehmen und wurden diffamiert. Juden durften nicht getauft werden. In Potsdam gab es aber auch Menschen, die den Verfolgten eine große Hilfe waren: das Pfarrerehepaar Günther und Herta Brandt, Maimi von Mirbach oder Dorothea Schneider. Im Oberlinhaus wurde Beata Rosenthal, deren jüdische Familie 1934 in die Emigration ging, als Diakonisse eingesegnet. Somit entging sie einer drohenden Verfolgung. Somit bringt, das kann man sagen, die eindrucksvolle Ausstellung zur Potsdamer Kirchen- und Stadtgeschichte ein Thema ins Bewusstsein, das auch von der Kirche jahrelang unzulänglich beachtet wurde.

Die Ausstellung in der Friedenskirche Sanssouci ist bis zum 16. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Ein Gottesdienst zur Eröffnung mit dem Theologieprofessor Christoph Markschies aus Berlin findet am Sonntag, dem 16. August, um 10.30 Uhr statt

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