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Das Kreativhaus Rechenzentrum soll erhalten bleiben - aber wie?
© Visualisierung: David Bornsheuer, Jenny Dyffort, Selin Sensan, Miriam Kuhn, Kristina Ledovskikh, MariiaShepetska

Potsdamer Zukunftsvisionen: Ein roter Teppich für das Rechenzentrum

Das Kreativhaus bleibt wohl – aber wie soll es nach der Sanierung aussehen? Eine Ausstellung macht Lust auf die Suche nach Antworten.

Potsdam - Stellen wir uns kurz die Zukunft vor. Das Rechenzentrum wurde umgebaut. Es hat jetzt sieben Stockwerke, die Lisenen an der Fassade sind aus Holz. Ein Atelier ist nicht mehr 15, sondern 40 Quadratmeter groß. Die Gemeinschaftsküche im Erdgeschoss ist riesig, auch ein paar Büros der Stadtverwaltung sind im Gebäude. Und in dem 1,70 Meter schmalen Spalt, der Rechenzentrum und Garnisonkirche trennt, befindet sich: ein Klo.

Während Potsdam darüber streitet, ob der Turmbau weiter gefördert werden soll und für das geplante „Haus der Demokratie“ ein internationaler Architekturwettbewerb vorgesehen ist, ist eine viel nachhaltigere Frage aus dem Blick geraten: Das Rechenzentrum (RZ) soll ja nun bleiben dürfen – aber wie soll es künftig eigentlich aussehen? Eine Arbeitsgruppe der Technischen Universität Berlin hat sich ein Semester lang mit dieser Frage beschäftigt. Die Studierenden des „Natural Building Lab“ haben mehrere Monate lang den Ort erkundet, Akteur:innen getroffen und versucht herauszufinden, welches Szenario die Anforderungen der Nutzer:innen am besten mit dem Herzstück ihrer Forschung verbindet: nachhaltig Bauen. Um Finanzierbarkeit ging es hier noch nicht, sagen die Seminarleiter:innen Matthew Crabbe und Selina Schlez – sie schätzen aber alle als „machbar“, sprich: vergleichsweise kostengünstig ein.

Drei konkrete Entwürfe und ein Gedankenspiel

Die Resultate, drei konkrete Entwürfe und ein Gedankenspiel, sind seit diesem Samstag in der Ausstellung „Vier Zukunftsszenarien für einen nachhaltigen Erhalt des Rechenzentrums“ zu sehen. Sie machen uneingeschränkt Lust auf das, was hier möglich werden könnte. Was den Entwürfen gemeinsam ist: Sie alle zeigen ein Rechenzentrum, das sich öffnet, im Inneren die Kleinteiligkeit aufbricht – und sie alle zeigen großen Respekt vor der Bausubstanz. Die Architektur des 1969 bis 1971 nach Plänen des Kollektivs Sepp Weber errichteten Datenverarbeitungszentrums bleibt nicht unberührt, aber gut sichtbar.

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Was beeindruckt: Hier will kein Einzelner sein Genie zeigen, sondern eine Gruppe von Menschen versucht, ein Haus und dessen Bewohner:innen so gut wie möglich zu verstehen. Und das hat offenbar funktioniert. RZ-Sprecherin Anja Engel sagt: „Wir fühlen uns gesehen.“ Das war bei Vorgänger-Kooperationen wie der dem mit „Design Thinking“ nicht so, sagt Hermann Voesgen, Vorsitzender des Vereins FÜR e.V.

Anja Engel.
Anja Engel.
© Ottmar Winter

„RZ Freiräumen“ heißt der erste Entwurf, der Öffnungsgedanke ist hier zentral. Im Erdgeschoss eine große Fensterfront, ein großer, als „Marktplatz“ nutzbarer Raum – und, als ganz neue ästhetische Note, eine Holzverschalung an der gesamten Fassade. Auch die Lisenen, die sich einst am Rechenzentrum befanden, sind wieder da. Im Inneren sieht der Entwurf Fußbodenheizung vor, eine wesentlich großzügigere Raumaufteilung als jetzt, und an einigen Stellen einen Durchbruch zwischen der 2. und 3. Etage – für mehr Licht und Platz für hochformatige Kunst. Das Dach soll begrünt, mit Pflanzkästen und einer Photovoltaikanlage versehen werden.

„RZ Freiräumen“ will mit Holz arbeiten.
„RZ Freiräumen“ will mit Holz arbeiten.
© Re:chenzentrum Studio

Höhere, größere Räume, mehr Öffnung in Richtung Stadt: Das spielt auch im zweiten Entwurf („RZ Aufrunden“) eine Rolle. Hier sind Öffnungen im Erdgeschoss sowohl in Richtung Turm als auch in Richtung Sportplatz angedacht – was ein „Durchfließen“ von Publikum ermöglichen soll, eine Durchlässigkeit von Ost nach West. 

Auffällig hier: Die jetzigen fünf Stockwerke werden um zwei weitere aufgestockt. Auf der Fassade schlagen die Studierenden hier ein Spiel mit den Farbtönen von Fritz Eisels Mosaik „Der Mensch bezwingt den Kosmos“ vor. Sogar ein Problem, das sich den Nutzer:innen angesichts der anstehenden Sanierungsmaßnahmen ganz real stellen wird, wurde hier bei den vorgeschlagenen Bauphasen bedacht: Während unten saniert wird, könnte man oben in der zuvor aufgebrachten Aufstockung unterkommen.

„RZ Aufrunden“ setzt auf Aufstockung.
„RZ Aufrunden“ setzt auf Aufstockung.
© Re:chenzentrum Studio

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Und das Klo?

Am zurückhaltendsten und radikalsten zugleich ist der dritte Entwurf („RZ Mitmachen“). Hier steht eindeutig und selbstbewusst die Hoheit des Gebäudes im Mittelpunkt. Die äußerlichen Eingriffe an der Fassade sind nahezu unsichtbar – im wesentlichen eine Reproduktion des Ist-Zustandes, nur besser isoliert. Auch hier soll es neue Eingänge geben – zu allen Seiten. Wichtigster Eingriff: additive Treppen in knalligem Rot. Ein roter Teppich für die Hoheit? Eine soll direkt von der Straße auf das Dach führen – mit Bar, Grill, Kompost.

„RZ Mitmachen“ (l.) setzt auf offene Türen und rote Treppen.
„RZ Mitmachen“ (l.) setzt auf offene Türen und rote Treppen.
© Re:chenzentrum Studio

Und das Klo? Das kommt in keinem der Entwürfe vor. Sondern im Gedankenspaziergang des „Team K“, dem aktivistischen Flügel des Projekts. Statt eines Entwurfs nähert sich die Gruppe der grundsätzlichen Frage, welche Architekturen in der Stadt sichtbar werden – und welche nicht. 

„RZ Laut werden“ stellt sich ein Klo als Verbindung zur Garnisonkirche vor. 
„RZ Laut werden“ stellt sich ein Klo als Verbindung zur Garnisonkirche vor. 
© Re:chenzentrum Studio

In einem Buchprojekt schauen sie auf eine Zukunft, in der all die hier gemachten Vorschläge schon Wirklichkeit sind. „Die Realität hatte sich gewandelt“ , heißt es da, „hatte sich wandeln müssen.“

Am 24.2. um 18 Uhr öffentliches digitales Gespräch über den „Möglichkeitsraum Rechenzentrum“

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