25 Jahre Brandenburgisches Literaturbüro: Ein magischer Clou mit Überlänge
Das Brandenburgische Literaturbüro feierte seinen 25. Geburtstag im vollen Waschhaus und präsentierte an einem langen Abend unter anderem interessante Texte von Lutz Seiler und Daniel Kehlmann.
Potsdam - Eigentlich tut ein Schriftsteller so etwas nicht. Aus einem unveröffentlichten Manuskript lesen. Lutz Seiler macht es trotzdem. Sicher, um Werbung für seinen neuen Roman zu machen, der im Frühjahr 2020 erscheinen soll. Aber vor allem dem Brandenburgischen Literaturbüro zuliebe, wie er sagte. Das feierte am Samstagabend im vollen Waschhaus seinen 25. Geburtstag und lud aus diesem Anlass zu einem Literaturabend ein. Ein überdimensionaler Leseabend sollte es werden, der grandiose Texte präsentierte, mit einem Programm von mehr als fünf Stunden aber etwas zu lang geraten war. Allein der zweistündige Auftritt von Daniel Kehlmann am Ende mit Lesung und Gespräch wäre abendfüllend genug gewesen.
Lust auf mehr Literatur machte der Abend trotzdem. Vor allem die Lesung Lutz Seilers lässt einen den März 2020 herbeisehnen. Dann nämlich, genauer am 24. März, findet die Buchpremiere seines Romans „Stern 111“ in der Akademie der Künste statt. „Ja, das ist alles schon genau geplant“, sagte Seiler am Samstag und fügte schmunzelnd hinzu: „Jetzt muss nur noch der Text geschrieben werden.“ Gewidmet sei das Buch seinen Eltern und erzählt von Karl, dessen Eltern aus der DDR in den Westen flüchten wollen. Schon der im Waschhaus gelesene kurze Ausschnitt erzeugte Gänsehaut. Das liegt vor allem an der Seilerschen Sprache. An seinen leichten und doch so inhaltsschweren Sätzen, die sofort intensive Bilder im Kopf entstehen lassen. Seiler las ruhig, an manchen Stellen musste er selbst über das Beschriebene schmunzeln. Etwa als es um eine orange DDR-Ausziehcouch, die sogenannte „Jugendliege“ ging. Sie scheint eine besondere Erinnerung zu sein.
Förderung junger Autoren
Um Erinnerungen ging es auch in dem Manuskript von Paula Carstensen, einer jungen Konditorin aus Luckau, die literarisch tätig ist, jedoch noch nichts veröffentlicht hat. Das Literaturbüro sei angetan von ihren Texten und wolle sie unterstützen, wie Hendrik Röder, Mitbegründer des Literaturbüros auf Nachfrage sagte: „Junge Autoren aus Brandenburg zu fördern, gehört schließlich auch zu unseren Aufgaben.“ Und tatsächlich ist ihr Text nicht uninteressant. Erzählt wird die Geschichte der Zwillingsbrüder David und Bartholomä, deren Kindheit geprägt ist von einer dominanten, intellektuellen Mutter. Interessant wäre sicherlich auch ein Bühnengespräch mit Carstensen gewesen, vielleicht sogar im Austausch mit Lutz Seiler. Eine Interaktion mit den Autoren hätte die Lesungen ergänzt, den Abend etwas aufgelockert.
Immerhin: Mit Reden wurde gespart. Lediglich Torsten Walter vom Vorstand des Trägervereins Brandenburgische Literaturlandschaft sprach zu Beginn ein paar kurze Worte. Vor allem das Engagement des Literaturbüros, Texte und Autoren in die ländlichen Gebiete Brandenburgs zu bringen wurde betont. Genau das solle auch in Zukunft der Schwerpunkt sein, sagte Hendrik Röder im Gespräch mit den PNN. Im Fokus stünden außerdem Autoren, die interessante Beiträge zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten beitrügen. Yishai Sarid etwa, ein israelischer Autor, der sich in seinem aktuellen Roman „Monster“ der Erinnerungskultur des Holocaustes widmet, würde er sehr gerne einladen. In der Reihe „Zeh & Dorn“ mit den Schriftstellerinnen Juli Zeh und Thea Dorn sollen außerdem aktuelle gesellschaftliche Themen diskutiert werden.
Sprachzauberer Daniel Kehlmann
Das Literaturbüro, dessem Trägerverein bis März 2016 AfD-Chef Alexander Gauland vorsaß, stand in der Vergangenheit in der Kritik, Gäste mit radikalen Ansichten eingeladen zu haben. Im Februar 2014 etwa demonstrierten vor dem Potsdamer Nikolaisaal zahlreiche Potsdamer, weil Thilo Sarrazin vor Ort sein Buch „Der neue Tugendterror“ vorstellte. Hendrik Röder steht damals wie heute zu der Veranstaltung, Sarrazin sei ein wichtiger Sachbuchautor. „Wir scheuen die Debatte nicht und nehmen sie auch ernst“, sagte er auf Nachfrage. „Solange Autoren interessante gesellschaftliche Beiträge liefern, werden wir sie einladen.“
Der Samstag musste sich solchen Fragen nicht stellen. Vielmehr endete er mit einem magischen Clou: Nur ein Sprachzauberer wie Daniel Kehlmann schafft es, einen mit Texten vollgepfropften Kopf noch einmal aufzurütteln. Es war ein kluger Zug, ihn mit Auszügen aus seinem Roman „Tyll“ und seinem Theaterstück „Geister in Princeton“ an das Ende der Veranstaltung zu setzen. Gewohnt lebendig und mit Kehlmannschem Witz trug er die Texte vor – und ließ die Überlänge des Abends fast vergessen.